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PC-Oldie-Udo
27-03-2004, 10:33
«Wir Älteren können doch auch was»

27. Mär 08:00


Dieter Chucher kann auch mit 65 Jahren noch gut heben
Foto: Netzeitung

Viele ältere Arbeitssuchende haben auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr. Ein Discount-Markt geht andere Wege und beschäftigt in zwei Filialen ausschließlich über 45-Jährige.




Von Oliver Koch
Auf dem ersten Blick wirkt die Netto-Filiale in der Elfriede-Tygör-Straße in Berlin-Friedrichsfelde wie ein ganz normaler Discount-Markt: Ein großer Parkplatz, daneben ein flaches Gebäude, das denen der Konkurrenz von Aldi, Lidl und Plus zum Verwechseln ähnlich sieht und auf einem Standard-Bauplan für Discounter zu beruhen scheint. Auch innen ist zunächst kein großer Unterschied festzustellen: Lange Regalreihen und Tiefkühltruhen mit einem großen Anteil an Handelsmarken, dazu die für diese Ladengattung so typischen Wühltische mit Aktionsangeboten. Und doch ist dieser Discount-Markt anders.


«Heute ist schon mit 40 Schluss»



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Vielen Kunden fällt es wahrscheinlich gar nicht auf, aber die neun Angestellten des Netto-Marktes in der Tygör-Straße sind alle älter als 45. Das ist an sich noch kein hohes Alter, genügt in unsere Gesellschaft aber, um Arbeitslosen den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt deutlich schwerer zu machen. «Heute ist doch schon mit 40 Schluss», sagt auch Ursel Richter. Seit 1999 leitet die 57-Jährige die damals neu eröffnete Netto-Filiale. Acht Angestellte hat sie unter sich, die jüngste Mitarbeiterin ist 45, der älteste im Team 65 Jahre alt.

«An die 50 bis 60 Bewerbungen habe ich damals geschrieben, bevor es dann bei Netto geklappt hat», erinnert sie sich zurück. Oft habe man ihr direkt ins Gesicht gesagt, dass sie zu alt sei, manchmal habe es auch nur geheißen, sie sei überqualifiziert. «Das ist eben der ganz normale Jugendwahn», bedauert sie. Die Idee des so genannten «45+»-Marktes hat das ausschließlich in Nord- und Ostdeutschland agierende Unternehmen von der dänischen Muttergesellschaft übernommen. Die hatte in Kopenhagen das Konzept, einen Markt nur mit Arbeitnehmern über 45 zu betreiben, schon ein Jahr früher umgesetzt.


«Weit über 2000 Bewerbungen»

«Vor der Eröffnung dieser Filiale haben wir weit über 2000 Bewerbungen bekommen. Das zeigt doch, wie viele Menschen in dieser Arbeitsgruppe noch arbeiten wollen», sagt Ronald Hörl, als er die kleine Mitarbeiterküche des Marktes betritt und neben Ursel Richter Platz nimmt. Hörl, selbst noch nicht in der Altersgruppe der Über-45-Jährigen, betreut als Bezirksleiter die Filiale in der Tygör-Straße und kann wohl am besten die Leistung der Belegschaft beurteilen.

«Der Markt läuft jetzt seit fünf Jahren mit guten bis sehr guten Ergebnissen». Die Mitarbeiter seien zwar teurer für Netto, da sie wegen ihres Alters nach Tarif mehr verdienten als jüngere Mitarbeiter, sagt Hörl. «Aber das machen die Älteren durch ihren äußerst geringen Krankenstand und ihre Erfahrung wett. Und in Schwangerschaftsurlaub geht in der Regel auch niemand mehr», lacht er.


«Die Leistung muss auch hier stimmen»

«Trotzdem», sagt Hörl und setzt dabei eine ernste Miene auf, «muss auch in diesem Markt die Leistung stimmen». Schließlich sei Netto ein Unternehmen und müsse Gewinne erwirtschaften. «Natürlich müssen wir genau dieselbe Leistung erbringen wie die anderen Märkte auch», bestätigt Richter. Sicher, das Bewegen der tonnenschweren Paletten sei mit zunehmendem Alter schon anstrengend. «Aber einen Bandscheiben-Schaden können Sie schließlich auch schon in jungen Jahren bekommen», sagt sie resolut.

Stressig gehe es auch in diesem Markt zu, aber trotzdem habe in diesem Team von Anfang an eine familiäre Atmosphäre geherrscht. «Ich glaube, bei uns gibt es nicht diese Unruhe. Wir Älteren sind ruhiger, vielleicht nicht so aufbrausend wie jüngere Mitarbeiter. Und bei uns fällt der Konkurrenzkampf um den Aufstieg auf bessere Positionen weg», sagt sie.


Markt vor allem bei älteren Kunden beliebt

Die gute Atmosphäre komme vor allem bei den älteren Kunden gut an. Das Team scherze oft mit ihnen oder helfe Kunden im Rollstuhl, von denen es hier in der Gegend viele gebe, erzählt Richter. «Wissen Sie, wir sind selbst schon älter und haben deswegen vielleicht mehr Verständnis für die Probleme im Alter. Ich stelle mir manchmal vor, wie es mir selbst in ein paar Jahren gehen könnte», sagt sie nachdenklich. Trotzdem sei sie strikt dagegen, Jung und Alt über einen Kamm zu scheren: «Faule und Fleißige gibt es schließlich überall», verdeutlicht sie.


Die "45+"-Märkte unterscheiden sich von anderen Discountern kaum
Foto: Netzeitung













Die Kunden in Berlin-Friedrichsfelde sind von dem Netto-Markt in der Tygör-Straße jedenfalls angetan: «Ich finde gut, dass hier nur Ältere arbeiten. Die bringen doch genau dieselbe Leistung wie die Jüngeren auch», findet Birgit Bache aus Berlin. Ihr pflichtet Marco Wünsche bei, der mit seinem kleinen Sohn gerade vor dem Kühlregal steht: «Das ist doch prima hier.»

Obwohl die beiden «45+»-Märkte gut laufen – erst vergangenes Jahr wurde eine zweite Filiale dieser Art in Neuruppin eröffnet – wird es vorerst keine weiteren Märkte dieser Art geben. «Es ist ja nicht so, dass wir in unseren anderen 210 Netto-Filialen keine Arbeitnehmer über 45 beschäftigen», sagt Bezirksleiter Hörl. «Bei uns kann sich jeder auf offene Stellen bewerben, Alter und Qualifikation sind egal. Hauptsache die Leistung stimmt.»


Alle Mitarbeiter machen alles

Für Dieter Chucher neigt sich die Zeit bei Netto dem Ende zu - Anfang April geht der 65-Jährige in Rente. Seit fünf Jahren packt er bei Netto Ware aus, sortiert Artikel in die Regale ein, nimmt Leergut entgegen oder sitzt an der Kasse. «Bei uns macht jeder alles», sagt er und greift sich eine neue Ladung Fertiggerichte, die noch ins Regal müssen.

Ursprünglich sei er als Melker in einer LPG beschäftigt gewesen und habe sich dann zum Kraftfahrer, Facharbeiter für Lagerwirtschaft und Verkaufsstellenleiter weiterqualifiziert. Im Handel ist er seit 1982 tätig – das war noch zu DDR-Zeiten. «Ich habe vor fünf Jahren bei Netto unter den vielen Bewerbern das große Los gezogen. Ich verstehe nicht, dass es für uns Ältere so schwer ist, noch einen Job zu finden. Wir können doch auf was.»

http://www.netzeitung.de/wirtschaft/279429.html

PC-Oldie-Udo
27-03-2004, 15:23
Ein Discount-Markt geht andere Wege und beschäftigt in zwei Filialen ausschließlich über 45-Jährige .

Warum wohl?? weil die Verantwortlichen erkannt haben, das
Eigenverantwortung,Motivation,Erfahrung und Gründlichkeit in diesem Alter besonders ausgeprägt sind :top:

«Der Markt läuft jetzt seit fünf Jahren mit guten bis sehr guten Ergebnissen». Die Mitarbeiter seien zwar teurer für Netto, da sie wegen ihres Alters nach Tarif mehr verdienten als jüngere Mitarbeiter, sagt Hörl. «Aber das machen die Älteren durch ihren äußerst geringen Krankenstand und ihre Erfahrung wett. Und in Schwangerschaftsurlaub geht in der Regel auch niemand mehr», lacht er.

wie ich schon sagte :top:

Kann nur jedem empfehlen, sich auch nach dem Erwerbsleben noch einen kleinen Job zu suchen, hält jung und geistig fit :top:

romko
27-03-2004, 16:35
Leider bleiben solche positiven Beispiele die Ausnahme :(
Heute gilt man schon in der Berufswelt mit über 35 als alt ...

nokostolany
30-03-2004, 14:58
trotzdem....ohne solch gute beispiele gäbe es gar nix ! :rolleyes:

also daumen hoch dafür :top:

PC-Oldie-Udo
30-03-2004, 15:16
Nett von euch junges Gemüse, das ihr so denkt :D :top:

PC-Oldie-Udo
14-04-2004, 12:54
13. April 2004

Das Ende des Jugendwahns

Deutsche Firmen sind auf "50 plus" angewiesen


Oft krank, kaum belastbar, wenig lernfähig - ältere Beschäftigte haben in der Wirtschaft kein gutes Image. Bislang konnten viele Betriebe in Deutschland das vermeintlich "alte Eisen" relativ bequem loswerden - durch Frühverrentung und Altersteilzeit. Doch das Blatt wird sich wenden: Schon ab 2010 erwarten Wissenschaftler eine "massive Zunahme" der über 50-jährigen Erwerbstätigen. Auch die Politik reagiert: Der CDU-Sozialexperte Andreas Storm forderte eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft, mehr Ältere einzustellen.

Aufgeschreckt haben ihn Statistiken, wonach mehr als die Hälfte aller Betriebe in Deutschland keine Arbeitnehmer über 50 Jahre mehr beschäftigt. Zurzeit sind nur ein Drittel aller Männer zwischen 60 und 65 noch erwerbstätig; bei den Frauen beträgt der Anteil sogar nur 20 Prozent.

Storm beklagte, in Ostdeutschland sei jeder Zweite arbeitslos, bevor er in Rente gehe: "Das ist eine unwürdige Situation, da muss etwas getan werden." Zugleich mahnte er, nicht über eine längere Lebensarbeitszeit zu sprechen, sondern stattdessen zuerst die Beschäftigungsquote der über 50-Jährigen zu steigern.



Bald Zwang zur Beschäftigung von 50 plus

Nach Berechnungen des Münchner Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) werden viele Unternehmen aber ohnehin bald zwangsläufig mehr Ältere beschäftigen müssen. Grund ist der demographische Wandel, also sinkende Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung.

Die Auswirkungen dieses Wandels auf die Renten- und Krankenversicherung werden seit längerem heiß diskutiert. Doch auch die Konsequenzen in der Arbeitswelt sind eklatant, wie die Forscher Stefanie Weimer, Hans Gerhard Mendius und Ernst Kistler in einem Aufsatz erläutern.

Demnach steigt bis zum Jahr 2015 der Anteil der über 50-jährigen Erwerbspersonen von heute 23 auf 33 Prozent - mit einer besonders deutlichen Zunahme ab 2008. Zeitgleich sinkt die Zahl der 30- bis 49-Jährigen von heute 55 auf 47 Prozent. Die Gruppe der 15- bis 29-Jährigen ist in den letzten 15 Jahren bereits um 10 Prozent auf insgesamt 22 Prozent zurückgegangen; ihr Anteil wird langfristig weiter sinken.


"Zum älteren Arbeitnehmer wird man gemacht"

Die Wissenschaftler stellen fest, dass viele Unternehmen auf diesen Trend sehr schlecht vorbereitet sind. So gebe es etwa immer mehr Stellen, auf denen man wegen hoher Belastungen - vor allem psychischer Art - "nicht alt werden kann". Dies führe oftmals zu Gesundheitsproblemen, so dass viele Ältere gar nicht bis zum Renteneintrittsalter arbeiten könnten. Verschärft werde das Problem durch den langjährigen Verbleib auf der gleichen Tätigkeit und kaum Weiterbildungsmaßnahmen für Ältere. "Die Folge sind das Veralten der beruflichen Qualifikation, Lernentwöhnung sowie sinkende Flexibilität und Innovationsfähigkeit. Das heißt: Zum älteren Arbeitnehmer wird man 'gemacht', und zwar im Verlauf der gesamten Berufsbiografie", scheiben die Sozialwissenschaftler.

Dem könnten die Firmen gezielt entgegen steuern, meinen die Forscher: Zuerst müssten die Arbeitsplätze und die Abläufe so gestaltet werden, dass die Beschäftigten überhaupt bis ins höhere Alter körperlich fit bleiben könnten. Zudem gelte es, das Konzept des "lebenslangen Lernens" tatsächlich in den Betrieben umzusetzen, denn künftig könne Know-How nicht durch den "Einkauf" Jüngerer gewonnen werden. Es müsse Schluss sein mit der Praxis, fast nur Jüngere weiterzubilden. Ganz wichtig seien auch altersgemischte Arbeitsgruppen, in den denen "innovative" Jüngere und "erfahrene" Ältere gegenseitig voneinander lernen.

Weitere Informationen unter: http://www.demotrans.de/

(N24.de, AP)
http://www.n24.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik/index.php?a2004041314574045986