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arpad
28-04-2002, 21:57
Thailand beherrscht den Fälschermarkt
Immer mehr "Real Fakes" kommen aus Bangkok. "So gut wie echt". Hohe Verluste der Markenhersteller
Von Daniel Kestenholz
Bangkok - "You want real fake?" - echte Fälschung gefällig? So flüstert es auf Bangkoks Patpong-Nachtmarkt von allen Seiten. Gucci-Handtaschen, Computer-Software, Cartier-Uhren: Nur die spottbilligen Preise entlarven die Fälschung. "Real fakes" heißen die Kopien, weil sie in Qualität und Design immer schwieriger von viel teureren Originalprodukten zu unterscheiden sind.

Bei hervorragender Konkurrenz aus China, Korea und Taiwan gehören Thailands Fälscher zu den besten der Welt - mit einer Arbeitsqualität, der zunehmend auch Profis nur mit der Lupe auf die Schliche kommen.

Gefälscht wird in Thailand alles: Unhygienisch zusammengemixte, verheerende Arzneien, Kosmetika, Waschmittel, Shampoos, Esswaren, Autoersatzteile, Möbel, Viagra-Pillen (die sonderbarerweise nicht wirken) oder schottischer Whiskey, der höllische Kater verursacht.

Daimler-Chrysler Thailand beklagt gefälschte Bremsklötze, Ölfilter und diverse andere "Ersatzteile", die "vielleicht sogar stärker auf Hochglanz poliert sind als unsere Originalteile", sagt Wolfgang Kohlhepp, Leiter der Ersatzteilabteilung von Daimler-Chrysler Thailand. Fast jedes dritte Ersatzteil sei kein Original, so Kohlhepp. Umgerechnet 300 000 Euro zahlte Daimler-Chrysler letztes Jahr in Thailand für den Kampf gegen Fälscher.

Seit 1989 steht in Bangkok ein Museum der Fälschungen, das "Museum of Counterfeit Goods", zusammengetragen von der Anwaltskammer Tilleke & Gibbins. Die 1500 Stücke umfassende Kollektion wächst jede Woche um neue Produkte an.

Auf Druck insbesondere von Haupthandelspartner Amerika würden Fälschern in Thailand neuerdings scharfe Strafen mit bis zu vier Jahren Haft drohen. Doch große Nachfragen sorgen für unerschöpfliche Kreativität der Fälscher. Für Stirnrunzeln sorgt unter westlichen Copyright-Detektiven nicht zuletzt, dass in Bangkok Panthip-Plaza, der Hochburg Asiens von Software-Piraterie, regelmäßig Razzien durchgeführt werden, das Angebot aber exzellent bleibt.

Ob Beamte, Geschäftsleute in Krawatte oder Studenten: In Panthip deckt man sich mit neuster Software ein. Für Originalprodukte müssten mehrere hundert bis tausend Dollar hingeblättert werden. In Panthip gibt es für ein paar Dollar Unternehmenssoftware von Oracle, Betriebssysteme von SAP oder neuste Microsoft-Programme.

So genannte "Runner" beschaffen jede beliebige Software innerhalb Minuten, und vor den Razzien fürchtet sich kein Händler, zumal meist bekannt ist, wann die Polizei wieder im Anmarsch ist. Übrigens gehört die Panthip-Plaza einem thailändischen Tycoon, der von illegalem Handel in seiner Goldgrube nichts wissen will. "Ein heikles Thema, weil hinter den illegalen Herstellern oft die Mafia und Leute mit guten politischen Verbindungen stehen", sagt Anwältin Tananya Huyanan. "Die Herren A und B sind bloß die Sündenböcke. Da stehen noch die Herren C und D dahinter."

Thailands rudimentäres Steuerwesen erleichtert die Legalisierung von Fälscherprofiten, und Anwaltskanzleien reiben sich die Hände. Multis wie Microsoft, Umbro, Triumph, Nestlé und andere stehen ein Dutzend spezialisierter Anwaltsbüros zu Diensten, deren Anstrengungen wie Tropfen auf heiße Steine wirken. Medienwirksam werden regelmäßig tonnenweise gefälschter Musik-CDs, VCDs und Spielzeuge plattgewalzt. Doch selbst Unternehmen bevorzugen illegale Software, weil die Betriebskosten tief und Gewinnmargen hoch gehalten werden, während die Mittelklasse die Vorzüge billiger Luxusaccessoires schätzt. Aufrufe der Behörden mit fetten Prämien für Hinweise, wer Fälschungen herstellt, verhallen ungehört.

Zwischen Juli und Oktober 2001 hatten Thailands Fahnder gefälschte Ware im Wert von zwei Mio. Dollar eingestampft - ein symbolischer Betrag. Softwarepiraten in der Asien-Pazifikregion setzen jedes Jahr rund vier Mrd. Dollar um, womit die Region weltweit einsam an der Spitze liegt.

Werden jedoch thailändische Produkte gefälscht, schreien Regierung und Medien in unvergleichlicher Lautstärke. So geschehen gegen eine britische Firma, die Thailands Tuktuk-Dreiradtaxis zu bauen begann, oder beim Gerangel das Copyright von Jasmin-Reis. Ein amerikanischer Forscher beanspruchte Jasmin für einen selbst gezüchteten Reisstrang. Thailand berief sich auf geistiges Eigentum, setzte alle Hebel in Bewegung - und gewann die Alleinrechte, die es erbittert verteidigt.