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Starlight
08-07-2002, 00:29
Quo vadis, Börse?

Die Aktienmärkte befinden sich unmittelbar vor einem entscheidenden Punkt


Wer jetzt in der Lage ist – in der Lage wäre –, das Verhalten der Aktienmärkte richtig zu interpretieren, und entsprechend handelt, dürfte an den Börsen – sei es à la hausse oder à la baisse – viel Geld verdienen. Diese Nona-Ansage erfordert in jedem Fall die entsprechende Strategie, und für welche auch immer man sich auch entscheidet: Es braucht im Moment viel Mut und Selbstvertrauen – für Leerverkäufe (Short-Selling) genau so wie für (Long)Engagements. Nur Nichtstun erfordert keinen Mut.
Die Optimisten vor...

Für einen Aufwärtstrend spricht in jedem Fall die Statistik und auch unter Umständen die Markttechnik. Letzteres insbesondere dann, falls die Tiefstkurse der abgelaufenen Woche Basis für ein sogenannte Double Bottom-Bildung (zweifacher Boden), wie es zuletzt 1962 und 1974 stattgefunden hatte – zwölf Monate später hat der S&P500 33 bzw. 38% höher notiert. Ob sich die Geschichte wiederholt? Jedenfalls hat es drei aufeinander folgende Jahre mit fallenden Aktienmärkten, wie es aktuell nach 2000 und 2001 den Anschein erweckt, zuletzt vor 60 Jahren gegeben – und da befand sich Amerika und der Rest der Welt mitten im Krieg, mit dementsprechend vagen (Wirtschafts)Aussichten. Recht geben muß man auch rein (fundamental)analytisch mit jedem neuen Kursdebakel, daß nicht alle, aber immer mehr Aktien ausgesprochen attraktiv bewertet wirken, und dies zudem vor dem Hintergrund eines tiefen Zinsniveaus, wie es seit vierzig Jahren nicht mehr bestanden hat, mit daraus resultierend rekordhohen Liquiditäts(Cash)beständen.

„Die Börse hat immer recht“, entgegnen die Pessimisten...

Ebenso den Tatsachen entspricht jedoch die niemals zuvor gesehene schlappe Börsenperformance angesichts eines zuletzt ganz und gar nicht so schlechten konjunkturellen Umfelds, um deren Früchte jedoch die Börsianer durch den schändlichen Mißbrauch jeglichen Anlegervertrauens dank Enron, Worldcom und (Neuer Markt)Konsorten gebracht wurden. Doch selbst, wenn man davon ausgehen darf, dass vor allem in den USA die Bilanz-Mißstände durch die SEC (Security Exchange Commission) rasch und effizient beseitigt werden: Könnte es nicht sein, daß die Börse so wie eigentlich immer halt doch recht hatte und die Konjunkturerholung, wie wir sie in Amerika und anderswo gesehen haben, auf tönernen Füssen steht, sprich wir mit einem erneuten Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession rechnen müssen, inklusive den Gefahren einer globalen Deflation? Ganz abgesehen von den politischen Brandherden Naher Osten, Indien-Pakistan sowie Terrorismus, die nahezu tagtäglich die Börsen mit dem stärksten negativen Beigeschmack, nämlich Ungewißheit, belasten?

Unmittelbar vor der Entscheidungsschlacht am Börsenfeld

Die Aktienmärkte befinden sich gerade jetzt an einem ent- und einschneidenden Punkt: Entweder setzen sich endlich die Haussiers durch, und es kommt zu einer überzeugenden Kurserholung, oder die Talfahrt wird sich, weil nun auch die letzten Optimisten die Nerven verlieren, in beschleunigtem Tempo fortsetzen. Dann werden die Baissiers für einige Zeit das Sagen haben. Hingegen scheint eine längere Seitwärtsphase, in der weder die Optimisten noch die Pessimisten auf ihre Rechnung kommen, nicht mehr allzu wahrscheinlich. Und die persönliche Meinung des Schreibers dieser Zeilen: wir haben noch bei weitem nicht den Tiefpunkt gesehen – aber selten würde ich mich gerne eines besseren belehren lassen!

Quelle: Der Standard (Michael Margules)