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PC-Oldie-Udo
05-06-2002, 13:09
Die CDU stellt ihre Internetstrategie vor

"Es ist ein gutes Papier", befand die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, als sie am gestrigen Dienstagabend auf der InternetNight in der Parteizentrale am Berliner Lützowplatz den vom Bundesvorstand am Tag zuvor abgesegneten Beschluss Chancen@Deutschland -- Eine Internetstrategie für die Politik vorstellte. Das Papier listet 50 Forderungen zu den Themenbereichen Wirtschaft, Steuern, Bildung, Sicherheit sowie Verwaltung auf. Darunter findet sich Nichtssagendes wie "Ziel der Internetbildung muss die Fähigkeit sein, aus einer wachsenden Menge von Informationen Wissen hervorzubringen" ebenso wie Altbekanntes, etwa die steuerliche Förderung der Aktienoptionen als Entlohnungsinstrument für Mitarbeiter.

Immerhin finden sich auch recht eindeutige Forderungen nach Flatrates und Unterstützung von Open Source: "Die breite Nutzung des Internet durch die Wirtschaft und die gesamte Bevölkerung stellt einen überragend wichtigen Standortfaktor dar. Deshalb sollte deutschlandweit der Zugang zum Internet auf der Basis einer 'Flatrate' möglich sein". Öffentliche Stellen sollten Open Source Software fördern und die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass eine Mitwirkung bei Wahlen und Abstimmungen in Unternehmen und anderen Institutionen auch online problemlos möglich ist. "Über die digitale Signatur hinaus sollte der Staat den Personalausweis so weiterentwickeln, dass er als digitales Identifikationsmittel genutzt werden kann" -- ob mit oder ohne Biometrie, lässt der Beschluss offen.

Unter der Voraussetzung einer Offenlegung des Quellcodes und kurzen Laufzeiten von höchstens fünf Jahren befürwortet die CDU den Patentschutz für Software "in Kombination mit dem zugehörigen Prozessor". Urheberrechtlich geschützte Leistungen müssten auch im Internet vergütet werden: "Individuelle Abrechnungssysteme haben Vorrang vor Pauschalabgaben auf IT-Geräte". Der zentrale Hemmschuh des E-Commerce, das Problem der Balkanisierung des Online-Zahlungsverkehrs durch konkurrierende privatwirtschaftliche Systeme, wird in dem Papier jedoch nicht einmal erwähnt.

Insgesamt zeigt sich die Sicht aufs Internet sehr wirtschaftslastig. "Wir diskutieren hier nur, was die großen Unternehmen für ihre IT-Sicherheit tun müssten, aber die privaten PC-Nutzer kamen hier gar nicht zur Sprache", klagte ein Teilnehmer in dem Workshop Netzwerkattacken und Cyberwar -- Sicherheit im Internet. Dort hatte der Tübinger IT-Sicherheitsberater Sebastian Schreiber zum Vergnügen der Anwesenden in einem Live-Hack vorgeführt, wie sich mit dem Network-Scanner LANGuard die via Microsofts NetBIOS freigegebenen Verzeichnisse der User in dem LAN eines Internet-Dialup-Providers ermitteln und ausspähen lassen.

Aber Angela Merkel hatte schon in ihrer Einführung die Prioritäten klar gesetzt. "Damit die Möglichkeiten des Internet sich entfalten können, muss man die Technik erst einmal beherrschen." Das setze Wettbewerbsfähigkeit voraus, und dass die Leistungsträger vernünftige Rahmenbedingungen vorfinden. "Daraus ergibt sich", outete sich die CDU-Vorsitzende als Revolutionärin, "dass sich die Welt verändern muss."

"Das Internet kann zum Sprungbrett für den Aufschwung werden, auf den wir alle warten", hofft Thomas Heilmann, Internetsprecher der CDU und der eigentliche Kopf hinter dem Papier. Er verglich den jähen Klimawechsel der New Economy mit der Euphorie und dem Absturz seiner Partei bei der Bundestagswahl vor vier Jahren und sieht jetzt die Trendwende. "Das Internet ist eigentlich wie die CDU", meint Heilmann; "diesmal ist die CDU vorn, aber ich bin sicher, das Internet wird folgen." (Richard Sietmann) / (jk/c't)

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