Alt 03.09.10, 19:06
Standard So tickt die Börse: Lohnsteigerung und Sondersteuern
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Ohh wie schön kann doch eine Rallye sein. Genießen Sie diese Tage, damit Sie sich in schweren Zeiten gern daran erinnern. Unsere Tradingempfehlung zu Dialog Semiconductor hat binnen zwei Tagen 16% zugelegt. Damit hat die Aktie unser Jahresziel schon fast wieder erreicht. Und auch HeidelbergCement hat im Wochenvergleich um schlappe 8% zugelegt.

Doch so, wie mir manchmal in schweren Zeiten mein Optimismus zum Vorwurf gemacht wird, werde ich heute überwiegend auf das eingehen, was schief gehen kann. Wie Sie wissen, unterscheiden wir zwischen langfristigen Titeln und kurzfristigen Spekulationen. Ich finde Spekulationen super und verwende viel Zeit dafür, entsprechende Ideen aufzuspüren und für Sie auszuarbeiten. Wenn Sie aber nach dieser Rallye euphorische Freudensprünge vollführen, weil Ihr Portfolio deutlich stärker angestiegen ist als der breite Markt, dann müssen Sie sich dessen bewusst sein, dass Ihr Portfolio bei der nächsten Korrektur auch wesentlich stärker korrigieren wird.

Daher sind spekulative Titel in einem langfristig ausgerichteten Depot höchstens eine Beimischung, um den Nervenkitzel hervorzurufen, den Sie brauchen, um das Interesse an der Börse nicht zu verlieren.

Den ganzen Sommer über schreibe ich bereits, dass Unternehmen in Deutschland und den USA wesentlich bessere Gewinne ausgewiesen haben, als es sich in der Kursentwicklung niederschlägt. Doch die Kursentwicklung spiegelt mögliche künftige Entwicklungen wider und es ist natürlich nicht gesagt, dass ein Konjunkturaufschwung unendlich weiterläuft.

Vielmehr gibt es insbesondere in den USA starke Bedenken. Bereits für das zweite Halbjahr 2010 wurde eine deutliche Zunahme des Wachstums erwartet, doch die Arbeitsmarktdaten sowie die Einzelhandelsumsätze schüren die Befürchtungen, dass diese Dynamik ausbleiben könnte.

Ich messe insbesondere einem Faktor eine bedrohliche Wirkung zu: dem Arbeitsmarkt. Und das sowohl in den USA als auch bei uns. In den USA haben wir die „jobless recovery“, also die Konjunkturerholung ohne neue Arbeitsplätze. In Deutschland freuen wir uns über unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der mehrjährigen Zurückhaltung der Gewerkschaften bei den Lohnforderungen. Gegenüber beiden Entwicklungen regt sich Widerstand in der Bevölkerung.

So könnte ich mir gut vorstellen, dass Obama irgendwann an die Unternehmen herantritt, die trotz Aufschwung und Rekordgewinnen in den USA keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Eine Sondersteuer für Unternehmensgewinne ohne neue Arbeitsplätze wäre eine Idee, die Obama populistisch zum Besten geben könnte. Oder aber einfach eine Ausnahmeregelung der breiten Steuererhöhungen für diejenigen Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. So oder so ist es eine lukrative Einnahmequelle für den Staat, die in der Bevölkerung umgehend einen breiten Rückhalt gewinnen würde.

In Deutschland haben wir zwar derzeit keine hohe Arbeitslosigkeit, im Gegenteil, aber wann haben Sie das letzte Mal ungefragt eine Gehaltserhöhung erhalten? Bei den meisten dürfte das lange her sein. Toll, das Deutschland international so wettbewerbsfähig ist und toll, dass Unternehmen dicke Gewinne erwirtschaften können. Doch beim Volk kommt davon wenig an, wie wir den aktuellen Statistiken über die Einzelhandelsumsätze entnehmen können.

Es ist schwer, hier die Balance zu finden. Nachdem gut organisierte Gewerkschaften über einen langen Zeitraum viele Arbeitsplätze in Deutschland vernichteten, führte die folgende Lohnzurückhaltung nun zu dicken Unternehmensgewinnen, die leider gar nicht mehr beim Volk ankommen. Der nächste Schwenk wird sicherlich nicht zugunsten der Unternehmen stattfinden, schon gar nicht bei unserer Kanzlerin.

So sollten Sie sich schon jetzt gegen die Wehklagen der Wirtschaft hüben wie drüben stählen, damit Sie am Ende dieser Rallye nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden. Wenn Sie also in Ihrem Portfolio Titel haben, die in diesen Tagen überproportional zugelegt haben, dann schauen Sie ganz genau hin, wie lange Sie diese Titel behalten wollen. Ein enger Stopp Loss ist in meinen Augen ratsam. Und vergessen Sie nicht, einfach mal ein paar Gewinne mitzunehmen. Das geht leichter bei steigenden Kursen als zu Crash-Zeiten.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (02.09.2010)

Dow Jones: 10.320 | 3,3%
DAX: 6.084 | 2,9%
Nikkei: 9.114 | 1,4%
Euro/US-Dollar: 1,283 | 0,9%
Euro/Yen: 108,12 | 0,3%
10-Jahre-US-Anleihe: 2,63% | 0,1%
Umlaufrendite Dt: 1,82% | 0,0%
Feinunze Gold USD: $1.251,00 | 1,2%
Fass Crude Öl USD: $76,50 | 2,1%
Baltic Dry Shipping I: 2.835 | 4,9%
Kupfer in US$/to: 7.665 | 2,9%



Ich habe den Kupferpreis mit in die Wochenübersicht aufgenommen, da der Kupferpreis ein extrem guter Indikator für die Aktivität der Weltwirtschaft ist. Der Kupferpreis ist den ganzen August über gegen den Aktienmarkttrend angestiegen. Für mich ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass China erfolgreich ein Softlanding (weiche Landung, also keine Rezession) der Wirtschaft bewerkstelligt. Anfang Juli stand der Kupferpreis noch bei 6.270 USD/Tonne. Von Rezession ist da nicht viel zu sehen.

Diesen Konjunkturoptimismus lese ich auch aus dem Umstand ab, dass der Ölpreis über 70 USD/Fass schon wieder drehte. Das Öl ist sauteuer, egal ob es gerade von 82 auf 72 USD/Fass gefallen ist.

Japan hat sich diese Woche für eine deutlich lockerere Geldpolitik ausgesprochen, doch hinter den Kulissen wird die Sorge artikuliert, dass eine lockere Geldpolitik ohne internationale Unterstützung, insbesondere ohne die USA, kaum umsetzbar sei. Japans Notenbank allein kann kaum genug Yen auf den Markt schmeißen, um gegen internationale Währungsspekulanten etwas auszurichten.

Daher ist der Yen trotz der Ankündigung kaum gefallen, der Nikkei blieb bei der Rallye zurück. Ich sehe darin den verzweifelten Versuch Japans, im weltweiten Abwertungswettlauf mitzuspielen, doch weder China noch die USA wollen Japan unterstützen, weil sie selber eine schwache Währung haben wollen. Der Goldpreis steht daher in meinen Augen vor seinem nächsten kräftigen Aufschwung.

Es ist das zweite Mal, dass ein Land offen ausspricht, gern eine schwächere Währung zu haben, jedoch im Abwertungswettlauf keine Chance zu haben. Das erste Mal sprach Ulrich Kohli, ehemaliger Chefvolkswirt der Schweizer Nationalbank, von der Wirkungslosigkeit nationaler Abwertungsversuche im Juni dieses Jahres. Die Schweizer stellten daraufhin ihre Abwertungsambitionen ein.

Wenn Sie also etwas über die Wertentwicklung bestimmter Währungen wissen möchten, sollten Sie lieber auf den Goldpreis schauen, nicht auf den Wechselkurs zwischen zwei schwachen Währungen.

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
13.08.- 20.08. (166): 44% / 16%
20.08.- 27.08. (139): 57% / 11%
27.08.- 03.09. (136): 56% / 10%

ANALYSTEN KAUF
VINCI S.A., United Internet, Infineon

ANALYSTEN VERKAUF
Hermes Intl., RWE, Funkwerk

PRIVATANLEGER:
33. KW 2010: 56% Bullen (65 Stimmen)
34. KW 2010: 64% Bullen (82 Stimmen)
35. KW 2010: 72% Bullen (72 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 6.008

PRIVATANLEGER KAUF
Infineon, HeidelbergCement, AXA

PRIVATANLEGER VERKAUF
Q-Cells, Neurocrine Bioscience


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Na, hier in Deutschland steigt der Optimismus. Zu Recht, denn Deutschlands Wirtschaft steht derzeit so gut da wie in kaum einem anderen Land der Welt. Wollen wir hoffen, dass Griechenland und Co den Euro noch eine Weile auf ein niedriges Niveau drücken.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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