Alt 02.08.09, 22:03
So tickt die Börse: Microsoft ist Yahoo!s Untergang
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Ich konnte die Meldung gar nicht glauben: Yahoo! stellt die Weiterentwicklung der eigenen Suchmaschine ein und baut künftig auf die Suchmaschine Bing von Microsoft. Das ist, als wenn Mercedes Benz auf die Weiterentwicklung eigener Autos verzichtet und künftig auf die Autos von BMW baut: Über das Mercedes-Vertriebsnetzwerk würden dann BMWs verkauft. Halten Sie das für sinnvoll? Ich nicht!

In Deutschland ist die Dominanz Googles im Suchmaschinenbereich wesentlich größer als in den USA und im Rest der Welt. In den USA hat Google etwa 65% Marktanteil, Yahoo! bearbeitet 20% aller Suchanfragen und Microsoft ist mit Bing von 8% auf 8,4% avanciert. Nicht gerade Wachstumsraten, die eine baldige Marktführerschaft erwarten lassen. Und schon gar nicht eine Position, mit der Microsoft ordentlich Werbeeinnahmen generieren könnte.

Zusammen liegt der Marktanteil immerhin bei 28,4% und damit wird die Koalition durchaus zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber von Google. Aus der Perspektive der Marktentwicklung ist dieser Schritt also durchaus sinnvoll, denn weder Yahoo! noch Microsoft hätten alleine eine Chance gehabt, gegen Google anzutreten.

Doch der Deal ist in meinen Augen unglaublich, weil Yahoo! CEO Carol Bartz das Kerngeschäft des Unternehmens praktisch verschenkt. Noch vor einem Jahr war Microsoft bereit, 45 Mrd. USD für Yahoo! zu bezahlen, nur um an die Suchmaschine zu gelangen.

Aber Carol Bartz rechnet vor, dass sie durch den Deal 250 Mio. USD sparen können und 500 Mio. USD mehr Werbeeinnahmen erzielen werden. Vor einem Jahr hätte allein die Suchmaschine für 1 Mrd. USD verkauft werden können. Aber damals war Carol Bartz noch nicht im Amt, Yahoo!-Gründer Jerry Yang hat aus Eitelkeit den Verkauf an Microsoft torpediert und so lange behindert, bis die Aktionäre ihn aus dem Amt gejagt haben.

Nun, in meinen Augen ist dieser Deal ein Schritt in Richtung Untergang der Marke Yahoo!. Mercedes könnte auch eine Menge Geld für die Entwicklung und den Bau der Autos sparen, wenn sie BMWs verkauften. Aber was die Marke Mercedes ausmacht ist das Know-how über die technische Umsetzung von Kundenwünschen in ein sicheres und komfortables Auto. Die Stärke von Mercedes ist nicht das Vertriebsnetz.

Ein Suchmaschinenbetreiber sammelt unzählige Daten über die Suchpräferenzen der Internetnutzer. Es werden Daten über die pure Suchabfrage hinaus gesammelt, bis hin zur Verweildauer auf den gesuchten Seiten. Dieses Wissen ist extrem wichtig um Werber davon zu überzeugen, dass ihre Werbung sinnvoll eingesetzt wird. Und dieses Know-how hat Google durch die Google-Suchmaschine sowie durch AdWords. Und dieses Wissen wird künftig auch Microsoft haben. Yahoo! wird jedoch außen vor bleiben.

Wer den Heibel-Ticker schon länger liest, der weiß, dass ich davon ausgehe, dass der Online-Werbemarkt beim nächsten Konjunkturaufschwung boomen wird. Derzeit wird überwiegend im Bereich der Offline-Werbung gespart, weil deren Ergebnisse eben doch nur über den Umweg der Kaffeesatzleserei auswertbar sind, und der Bereich der Online-Werbung entwickelt sich verhältnismäßig stabil. Beim nächsten Aufschwung werden die in der Krise eingesparten Mittel dort ausgegeben werden, wo die Effizienz der Werbung am besten ist. Und das ist bei der Online-Werbung.

Es ist richtig, dass Yahoo! sich in den vergangenen Jahren in zu vielen Kleinstaktivitäten verstrickt hat und dass einige Geschäftsteile abgestoßen werden müssen. Doch nicht das Suchmaschinengeschäft, das Kerngeschäft des Unternehmens. Und noch dazu ohne einen wirklichen Zwang, denn mit knapp 4 Mrd. USD Nettocash hat Yahoo! weniger ein Problem an Geld für neue Investitionen zu kommen als viel mehr das Problem das Geld sinnvoll zu investieren. Jetzt wird der Bargeldbestand weiter aufgebläht ohne neue Geschäftsfelder zu entwickeln.

Sie merken es, als treuer Nutzer von Yahoo! Finance ärgere ich mich geradezu über diesen Deal. Aber gut, es hilft nichts, ziehen wir einen Schlussstrich: Yahoo! ist in meinen Augen damit ausgehöhlt und dürfte in den nächsten Jahren vielleicht noch durch einen guten Cashflow überzeugen, nicht mehr jedoch als innovatives Zukunftsunternehmen. Das KGV 2010e von 36 ist viel zu hoch für ein solches Unternehmen.

Microsoft hingegen hat gewonnen. Mit Bing ist Microsoft nun zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber von Google geworden. Doch bis es gefährlich für Google wird, muss noch einiges an technologischen Hürden genommen werden, um die Kooperation zwischen Yahoo! und Microsoft zum Laufen zu bringen. Bis dahin hat Google ein leichtes Spiel und kann sich voll auf den Ausbau seiner Marktposition konzentrieren.

Würde ich also in Google oder Microsoft investieren? Nein, derzeit würde ich beide Unternehmen meiden. Ich denke zwar, dass insbesondere das Bewertungsniveau von Google noch immer sehr günstig ist. Aber die beiden Unternehmen Google und Microsoft führen Krieg gegeneinander und im Krieg gibt es stets Verluste auf beiden Seiten. Sie kämpfen um zwei bereits existierende und reife Märkte: Internet-Suchmaschine und Anwendungssoftware.

Wenn Sie in Technologieunternehmen investieren wollen, dann suchen Sie sich bitte Unternehmen aus, die auf Wachstumsmärkten agieren. Wir haben im Heibel-Ticker PLUS immer wieder solche Unternehmen vorgestellt. Ich kann mir also durchaus vorstellen, dass sowohl Microsoft als auch Google aufgrund der sich verbessernden konjunkturellen Aussichten steigende Kurse verzeichnen werden, aber es gibt Bereiche in der Technologiebranche, die von einem konjunkturellen Aufschwung überproportional mehr profitieren werden.

KURSANSTIEG BEI VERHALTENER STIMMUNG

Die Aktienindizes steigen weiter. In der abgelaufenen Woche sind die Aktienmärkte weiter angestiegen, obwohl die Stimmen nach einer Überhitzung immer lauter werden. Gestern schließlich machten Vergleiche mit der Rallye von 1929 / 1930 die Runde, als inmitten der Weltwirtschaftskrise der Dow Jones 46% zulegten konnte. Und auch heute beträgt das Kursplus vom Tief beim Dow Jones etwa 46%. Wenn wir also bei der parallelen Entwicklung zur Weltwirtschaftskrise bleiben, dann folgt nun erneut ein heftiger Ausverkauf...

...und so trübt sich die Stimmung unter den Börsianern zunehmend ein während die Kurse weiter steigen. Die Angst davor, dass es sich bei der aktuellen Rallye um nichts weiter als einen „Dead Cat Bounce“, also das „Aufprallen einer toten Katze“ handeln könnte, ist groß. Es gibt zwar maßgebliche Unterschiede zwischen 1929 und heute, aber Geschichtsschreiber wischen die Unterschiede mit der Bemerkung fort, dass sich die Geschichte zwar nie wiederhole, jedoch eine gute Schablone für Abläufe darstelle.

Während 1929 die Krise mit einer restriktiven Geldpolitik angegangen wurde, wird heute weltweit genau das Gegenteil getan: Die Geldmenge wird ausgeweitet. Während 1929 also eine Depression folgte, fürchtet man heute den sogenannten „Crack-Up Boom“, einen Boom, der aufgrund des antizipierten Inflationsdrucks folgt. Aufgrund der heftigen Geldmengenausweitung wird der Bevölkerung klar, dass der Euro morgen weniger wert sein wird als heute und so gibt man ihn lieber heute aus als morgen.

Die Folge wäre also ein Konsumrausch, der die Wirtschaft zwar ankurbelt, aber eben nur zu steigendem Konsum und kaum zu steigenden Investitionen führt. Die gleichzeitig ansteigende Inflation würde mit den steigenden Einkommen einen Wettlauf beginnen an dessen Ende der totale Zusammenbruch des Systems stünde.

Soweit die Kurzfassung der derzeit kursierenden Weltuntergangsszenarien. Schauen wir einmal auf die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes, um die Reaktion der Anleger auf diese Geschichten zu beurteilen:

INDIZES (30.07.2009)

Dow Jones: 9.154 | 0,9%
DAX: 5.356 | 2,1%
Nikkei: 10.357 | 4,2%
Euro/US-Dollar: 1,412 | -0,5%
Euro/Yen: 135,29 | 0,1%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,64% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 3,19% | 0,0
Feinunze Gold USD: $937,00 | -1,5%
Fass Crude Öl USD: $69,08 | 6,7%
Baltic Dry Shipping I: 3.445 | 2,7%



Die japanische Börse, die in den vergangenen Wochen etwas zurück geblieben war, konnte gut aufholen. Der Nikkei stieg diese Woche am meisten. Auffällig ist auch der Anstieg des Ölpreises. Nach 5% in der Vorwoche sprang der Ölpreis in dieser Woche nochmals um 6,7% an, inzwischen wird meine Obergrenze bei 70 USD/Fass wieder in Angriff genommen. Und diesmal ohne einen korrupten Trader. Sollte der Ölpreis erneut manipuliert werden oder besteht tatsächlich ein Ungleichgewicht auf den Energiemärkten? Ich weiß es noch nicht. Aber meine ursprüngliche Vermutung, dass es sich beim jüngsten Anstieg nur um eine Gegenreaktion zum Ausverkauf handelt, sieht jeden Tag weniger plausibel aus.

Wie angekündigt schauen wir uns das Sentiment der Anleger einmal besonders genau an:

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
10.-17. Jul (153): 67% / 33%
17.-24. Jul (154): 61% / 39%
24.-31. Jul (145): 64% / 36%

ANALYSTEN KAUF
Banco Santander, Lucottica Group, SAP

ANALYSTEN VERKAUF
SSAB Svenskt Stal, Singulus, Volvo

PRIVATANLEGER:
Aktuell 46,25% Bullen (-8%, 80 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 5.241

PRIVATANLEGER KAUF
Infineon, Deutsche Bank, Citigroup

PRIVATANLEGER VERKAUF
GM, Human Genome Sciences, Apple


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Privatanleger werden vor dem Hintergrund steigender Aktienkurse zunehmend pessimistisch. Die Bullen sind um 8% weniger geworden.

Analysten sind in meinen Augen inzwischen wieder in dem Aufwärtsstrudel gefangen: Nachdem viele Analysten den Boden im März verpasst haben, stehen ihre Einschätzungen noch immer häufig auf „verkaufen“ oder zumindest „neutral“, und das obwohl die Börse schon um 40% angesprungen ist. Nun müssen die Einschätzungen der Realität angepasst werden und daher gibt es derzeit die große Anzahl an positiven Einschätzungen...

...oder sollten die Analysten Recht haben und der Großteil der Rallye steht erst noch bevor? Eines ist sicher: Nachdem der dramatische Ausverkauf Ende letzten und Anfang diesen Jahres die Refinanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen stark strapaziert hatte, führen steigende Kurse zu immer größerer finanzieller Flexibilität der Unternehmen und damit werden Möglichkeiten eröffnet, im nächsten Jahr wieder mehr zu verdienen.

Was aber, wenn die Konjunktur nicht anzieht? Was, wenn die weltweiten Konjunkturprogramme derzeit nur für ein Strohfeuer sorgen, das schon bald wieder erlischt?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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