Alt 13.06.09, 13:43
So tickt die Börse: US-Immobilienkrise ist beendet
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Die Börsen befinden sich derzeit an einem Scheidepunkt: Die 40%-Rallye aufgrund der abgewendeten Gefahr einer Weltwirtschaftskrise läuft dem Ende entgegen. Nun muss sich zeigen ob die Wirtschaft der Industrienationen eine lang anhaltende Rezession zu verkraften hat, oder ob ein baldiger Aufschwung und eine Rückkehr zu verträglichen Wachstumsraten gelingen wird.

US-IMMOBILIENKRISE IST BEENDET

In der abgelaufenen Woche gab es widersprüchliche Signale. Insbesondere die Situation um den Immobilienmarkt der USA wird sehr unterschiedlich eingeschätzt. So hat die Anzahl der Zwangsversteigerungen in den USA einen neuen Höhepunkt erreicht, in Nevada sind 80% der Hausverkäufe Zwangsversteigerungen.

Gleichzeitig steigen die langfristigen Zinsen wieder an, die US-Regierung gibt Staatsanleihen mit gigantischen Volumina aus, um den Staatshaushalt zu finanzieren und drückt damit die Zinsen nach oben.

Die vorschnelle Folgerung der US-Medien ist, dass die hohen Zinsen weitere Immobilieneigner aus ihren Häusern treiben und deswegen die Zahl der Zwangsversteigerungen auf Rekordhöhe ist. Wo soll das nur enden...

Doch die Wirklichkeit sieht wieder einmal ganz anders aus: Wenn Sie nach einem Boden in der Immobilienkrise Ausschau halten, wonach schauen Sie dann? Ich schaue danach, ob sinkende Immobilienpreise ein Niveau erreicht haben, bei dem wieder gekauft wird. Und die Immobilienpreise sind im Mai in einigen Staaten (Florida, Kalifornien, Nevada) nochmals gefallen, in vielen Staaten jedoch konstant geblieben.

Gleichzeitig ist das Volumen, also die Anzahl der verkauften Häuser in Städten wie Las Vegas um 60% gegenüber dem Vorjahr angesprungen. Das zeigt mir, dass nunmehr ein Preisniveau erreicht ist, zu dem die Menschen wieder bereit sind, Häuser zu kaufen – und das trotz des vermeintlich hohen Zinses.

Vermeintlich hoch, weil der Zins mit Finanzierungszins für Hypothekenkredite noch immer auf einem historisch niedrigen Niveau notiert – eben nur ein wenig höher als in den vergangenen drei Monaten. Sie können heute noch einen Zins von 5% für 15 Jahre festschreiben lassen. Ich würde daraus schließen, dass die Hauskäufe eben gerade wegen der anziehenden Zinsen plötzlich so stark steigen: Die Menschen wollen sich dieses niedrige Zinsniveau noch sichern.

Wenn also besonders viele Häuser über den Tisch gehen, dann ist das ein Zeichen für einen Boden! Der Preis hat ein vernünftiges Niveau erreicht. Es ist eben nicht die Hiobsbotschaft, die in den Medien daraus gemacht wird, dass die Menschen es sich nicht mehr leisten können in ihren Häusern zu wohnen. Dieser Zeitpunkt liegt schon viele Monate zurück.

Erst wenn all die leerstehenden Häuser zwangsversteigert oder zu niedrigem Preis verkauft wurden, erst dann können die Immobilienpreise beginnen anzusteigen. Zunächst muss der Überhang abgebaut werden. Und das geschieht in diesen Tagen.

Schauen wir uns nochmals die Zahlen von Las Vegas im Detail an: Der durchschnittliche Preis eines verkauften Hauses liegt dort inzwischen bei 140.000 USD (ja, Häuser sind dort drüben so günstig: Land ist reichlich verfügbar und der überwiegend verwendete Baustoff von Häusern ist dort Holz! Isolierung kennt man in Las Vegas nicht, nur Air-Conditioning).

Seit November 2007, seit dem Beginn der Immobilienkrise, sind die Immobilienpreise in Las Vegas somit um genau 40% gefallen. 40% ist in etwa die Größe, die eine ausgewachsene Immobilienkrise stets mit sich bringt. Diese Ziffer habe ich Ihnen schon vor über einem Jahr genannt. Heute sind wir dort angelangt.

Im Vergleich zum Vormonat ist der durchschnittliche Preis nur noch um 1,2% gefallen, der Preisverfall verlangsamt sich also oder kommt bereits zum Stillstand. Und in diesem Umfeld springen die Umsätze um 60% an. Und die Anzahl der zum Verkauf stehenden Häuser ist im Mai um 9,3% zurück gegangen. Bei dieser Geschwindigkeit brauchen wir nur noch ein paar Wochen und der Markt ist leer gefegt.

Also: Mit diesen Zahlen erkläre ich die Immobilienkrise der USA meinem Verständnis nach für beendet. Ein weiterer Preisverfall ist nicht zu befürchten.

OPERATIVES UND BERICHTETES KGV DES S&P 500

Diese Woche machte mich ein Kunde darauf aufmerksam, dass ein anderer Börsendienst vor einem weiteren Rückschlag an den Börsen warnt. Als Begründung führt dieser Dienst ein durchschnittliches KGV aller S&P 500 Werte von 120 an!

Wenn ich das lesen würde und keine Möglichkeit hätte, diese Ziffer zu kontrollieren, dann würde ich umgehend all meine Aktienbestände auflösen. Es ist aber leicht, diesen Irrtum des Autors aufzuklären. S&P stellt die Daten kontinuierlich als Excel-Datei zur Verfügung: http://www2.standardandpoors.com/sp...SP500EPSEST.XLS

Per 31.3.2009 beträgt das KGV auf Basis der berichteten Unternehmensergebnisse tatsächlich 116. Das ist exorbitant hoch. Doch daneben steht eine Ziffer 18,55 mit der Überschrift KGV des operativen Gewinns. Was ist nun eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Zahlen und welche Zahl ist für meine Einschätzung der Zukunft relevant?

Nun, das operative Ergebnis ist das aus der „gewöhnlichen Geschäftstätigkeit" erzielte Ergebnis. Das berichtete Ergebnis hingegen bezieht noch Sondereffekte mit ein. Als Anleger interessiert mich natürlich das berichtete Ergebnis, denn es ist mir egal ob das Unternehmen einmalig aufgrund von besonderen Umständen schlecht verdient hat oder nicht. Mich interessiert das Ergebnis nach allen Geschäftsvorfällen, das im abgelaufenen Quartal erzielt wurde, denn nur daraus wird sich ermitteln lassen, ob und wie hoch eine Dividende ausfallen wird.

Wenn ich jedoch einen langfristigeren Betrachtungshorizont anwende, so ist das operative Ergebnis für mich wichtig. Denn das operative Ergebnis zeigt mir, ob das Unternehmen überhaupt wettbewerbsfähig ist und genug Gewinn erwirtschaftet. Ist dies der Fall, dann kann das Untenehmen auch mal besonders schwere Zeiten durchleben, wie wir sie gerade im ersten Quartal diesen Jahres gesehen haben.

Es war das schlechteste Quartal der Nachkriegszeit und Sie werden sich erinnern, wie ich mit meiner Prognose, dass am 7. März das Schlimmste der Krise überstanden sei, viele Wochen völlig allein da stand. Es gab kaum Visibilität und jeder Unternehmenslenker, der sein Unternehmen umsichtig führt, muss in einer solchen Situation reagieren: Unternehmenswerte mussten abgewertet werden, Prognosen gesenkt und Sparmaßnahmen umgesetzt werden. Sparmaßnahmen kosten in der Regel zunächst Geld (Abfindung!), wirken sich also erst später aus.

So kommt es, dass im ersten Quartal 2009 extrem viele Sondereffekte, also einmalige Kosten für Umstrukturierungen, Sparmaßnahmen und Bewertungsanpassungen sowie Abschreibungen enthalten waren, die mit der „gewöhnlichen Geschäftstätigkeit" erst einmal nichts zu tun haben. Es wurde abgeschrieben was das Zeug hält.

Die Folge ist natürlich ein extrem niedrig ausfallender „berichteter" Quartalsgewinn über alle Unternehmen hinweg. Und dieser niedrige berichtete Gewinn führt zu dem extrem hohen KGV auf Basis der berichteten Gewinne des 1. Quartals 2009.

Diese Kostensenkungsmaßnahmen führen jedoch dazu, dass in den kommenden Quartalen wieder um so mehr verdient werden kann. Das ist heute noch nicht sichtbar, denn die Prognosen sind vor dem Hintergrund der ungewissen wirtschaftlichen Entwicklung durch die Reihe weg noch sehr pessimistisch aufgestellt. Doch sobald die Wirtschaft etwas an Fahrt gewinnt, werden Unternehmen reihenweise ihre Gewinnprognosen nach oben korrigieren, die Analysten werden ihre Schätzungen nach oben korrigieren und der Kreislauf, der zu weiter steigenden Kursen führt, ist in vollem Gange.

Das operative KGV beträgt 18,55. Wenn das operative KGV unter 17 fällt, gilt die Börse als unterbewertet. Bei dem berichteten KGV war dies das letzte Mal 1995 der Fall. Beim operativen Gewinn sinkt das KGV stets in den Boomphasen parallel zu den steigenden Börsenkursen (zuletzt war das operative KGV im Sommer 2007 unter 17) und steigt bei der Bodenbildung an.

Lassen Sie sich also nicht mit solchen unqualifizierten Aussagen ins Bockshorn jagen: Der Bullenmarkt ist voll im Gange und verlieren tut derzeit nur derjenige, der nicht investiert ist.

Schauen wir uns die Wochenperformance einmal genauer an:

INDIZES (11.06.2009)

Dow Jones: 8.770 | 1,1%
DAX: 5.107 | 0,8%
Nikkei: 10.135 | 3,8%
Euro/US-Dollar: 1,405 | -1,0%
Euro/Yen: 137,87 | -0,4%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,86% | 0,0%
Umlaufrendite Dt: 3,38% | 0,0%
Feinunze Gold USD: $950,59 | -2,0%
Fass Crude Öl USD: $72,88 | 3,0%
Baltic Dry Shipping I: 3.483 | -14,9%



Ich habe mich in den vergangenen Wochen häufiger über den Baltic Dry Index ausgelassen und wies auf den Widerspruch hin, den dessen Entwicklung zu der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zeigt. Ich denke, dieses Rätsel konnte ich nun nach einem Hinweis durch einen Kunden lösen:

Der Baltic Dry Shipping Index gibt die Frachtraten für „Schüttgut" an, also für Schiffe, die Eisenerz und Kohle und ähnliche Rohstoffe transportieren, die eben in die Schiffe geschüttet werden. Es handelt sich dabei nicht um Containerschiffe, denn in Containern transportiert man keine Rohstoffe sondern eher Fertigprodukte.

Der Anstieg des Baltic Dry Shipping Indexes ist auf das Konjunkturprogramm der Chinesen zurückzuführen. China hat massiv Rohstoffe importiert und damit nicht nur die Frachtraten, sondern auch die Rohstoffpreise in die Höhe getrieben.

Die Preise von Industriemetallen wie Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel und Zink, aber auch Agrarstoffe wie Baumwolle, Mais, Sojabohnen und Zucker sind seit März, seit der Einführung des Konjunkturprogramms um bis zu 40% angesprungen.

Nun muss in China produziert werden und wir blicken gespannt darauf, ob die dortigen Produkte anschließend auf die Weltmärkte kommen. China ist inzwischen groß genug, um damit nur die eigene Binnenkonjunktur zu unterstützen. Damit jedoch die Rezession in den Industrieländern erfolgreich beendet werden kann, müssen wir wieder mit Importen beginnen.

Doch noch ist es nicht so weit, wie ich Ihnen in der vergangenen Ausgabe berichtete: Die Containerschiffe hier im Hafen Hamburg pumpen ihre Kammern mit Wasser voll, damit die Schiffsschraube nicht aufgrund der Leerfahrten aus dem Wasser ragt.

Also: Auch hier befinden wir uns in einer spannenden Situation: Wird es China gelingen, die Industrienationen aus der Krise zu ziehen? Oder wird China sich auf den eigenen Binnenmarkt konzentrieren und die stark verflochtenen Industrienationen sich selbst überlassen? Ich gehe im nächsten Kapitel näher auf diese Frage ein.

Die Stimmung unter Anlegern und Analysten ist nach wie vor sehr bullisch. Schauen wir uns die Zahlen einmal an:

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
22.-29. Mai (163): 65% / 35%
29.5. - 5.6.(111): 74% / 26%
05.-12. Jun.(129): 68% / 32%

ANALYSTEN KAUF
Schneider Elektronik, Nokia, BP

ANALYSTEN VERKAUF
Arcandor, Deutsche Telekom, Carphone Warehouse


PRIVATANLEGER:
Aktuell 62,8% Bullen (+2,8%, 78 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 5.069

PRIVATANLEGER KAUF
General Motors, Spongetech Delivery, Renesola

PRIVATANLEGER VERKAUF
Apple, Plambeck, Centrotherm


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Mit der von mir in diesem Kapitel angestellten Analyse lassen sich diese bullischen Daten kaum vereinbaren. Denn das Sentiment ist meist ein sehr kurzfristiger Indikator, während die von mir angesprochenen Entwicklungen mittel- bis langfristig für steigende Kurse sorgen. Kurzfristig sehe ich die Situation nicht so eindeutig.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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