Alt 30.05.09, 08:35
So tickt die Börse: Intellektueller Unsinn
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Heute ist der letzte Handelstag des Monats Mai. Ein Hedgefondsmanager, einer, der in der Regel mit volatilen Aktien wie Technologieaktien oder Bankaktien bessere Erträge erzielen möchte als der breite Markt, sitzt heute früh vor seinem Handelssystem und blickt über die Zahlen: Mexiko liegt in diesem Jahr mit 16% vorn, Kanada mit 27% und Brasilien sogar mit 62%. China ist mit 59% im Plus und der NASDAQ, seine Lieblings-Spielwiese, konnte nur 11% zulegen.

Es dämmert ihm, dass seine Kunden ihm vorwerfen werden, die globale Aktienmarktrally verpasst zu haben. Vielleicht ziehen sie ihre Gelder ab. Hmmm, da gibt es nur eins: Wenn man zurückliegt und bis zum Jahresende gegenüber den breiten Indizes aufholen möchte, dann muss man mehr Risiko eingehen.

Man muss ein paar Einzelaktien auswählen und hoffen, dass diese noch besser laufen als der breite Markt. Microsoft, Intel und Cisco sind da die altbekannten Kandidaten. Aber auch Apple, Research In Motion und Palm sind in diesen Tagen heiß begehrt. Auch Oracle und in Deutschland SAP gehören zu den Aktien, die somit gekauft werden.

Oder der Bankensektor, denn dort gibt es noch immer am meisten Aufholpotenzial. Bank of America ist plötzlich aus dem Gröbsten raus, nachdem es 27 Mrd. USD Eigenkapital mit links generieren konnte. J.P. Morgan ist in den USA der Branchenprimus. In Deutschland haben wir entsprechend die Deutsche Bank, die sogar ihren kapitalistischen Vorstandsvorsitzenden behalten darf.

Damit wir uns richtig verstehen: Es geht diesen Geldmanagern nicht darum „gute“ Aktien zu kaufen, sondern sie kaufen das, was in kürzester Zeit die größte Performance verspricht. Sie kaufen die „Momentumaktien“. Sie kaufen diese Aktien nicht bis zu einem bestimmten Kurslimit, sondern bis sie einen entsprechenden Anteil ihres Assets under Management, ihres verwalteten Kapitals in den entsprechenden Aktien platziert haben.

Und deswegen steigen die Aktienbörsen.

Diese Woche war jedoch durchwachsen. Wenn Sie am Dienstag beispielsweise die Meldungen durchgesehen haben, dann wollten Sie sicherlich Ihren Rechner gleich wieder ausschalten.

Es gab einen populären Bericht darüber, wie die Private Equity Bewertungen purzeln und die Schlussfolgerung war, dass es derzeit keinen Grund gibt, Anteile an Unternehmen zu halten.

Die Zahl der Zwangsversteigerungen in den USA steigt nach wie vor, inzwischen nicht mehr aufgrund der fallenden Immobilienpreise, sondern aufgrund der verlorenen Arbeitsplätze. Ja, inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Arbeitslosen, die aufgrund ihres Arbeitsplatzverlustes ihre Hypothek nicht mehr zahlen können. Oh Schreck!

Überall außerhalb von den USA lesen Sie Artikel über eine bevorstehende Hyperinflation in den USA. Ich habe Ihnen letzte Woche dargelegt, warum das Unsinn ist.

General Motors steht nun schon seit einigen Monaten täglich kurz vor der Insolvenz. Oh Gott, was wird wohl passieren, wenn es endlich so weit ist? Kleiner Tipp Ihres Autors: Nichts, höchstens eine Erleichterungsrallye.

Und Nordkorea zündet eine Atombombe – wieder einmal mit technischen Problemen, aber stark genug, um sich weitere finanzielle Hilfen von der westlichen Welt zu erpressen.

Nun, ich schrieb ein Update am Dienstag und sprach von diesen Kursen als Einstiegsgelegenheit. Allerdings hätte ich erwartet, dass diese Nachrichtenlage für 2-3 weitere Prozent Minus hätte sorgen können, doch noch während der Versand lief, drehten die Börsen ins Plus und es folgte eine der heftigsten Tagesrallyes der vergangenen Wochen.

Wie konnte es dazu kommen? Jeder, der die Märkte beobachtet, wird Ihnen eine Erklärung schuldig bleiben. Es gibt keinen Grund dafür, den ein Intellektueller akzeptieren würde. Diese Rallye hätte nicht passieren können oder dürfen. Alles deutete auf einen heftigen Ausverkauf hin.

Ach so, in Michigan werden regelmäßig ein paar Tausend Bürger nach ihrer Stimmung befragt. Das Ergebnis wurde ebenfalls am Dienstag bekannt gegeben und es zeigte, dass die Leute in Michigan recht guter Dinge sind. Trotz des bevorstehenden US-Dollarverfalls, der in die Bedeutungslosigkeit fallen MUSS! Und trotz der Kaufzurückhaltung der Chinesen, die nicht mehr täglich Billionen an US-Staatsanleihen kaufen, sondern nur ein bisschen weniger, trotz der unendlich vielen Zwangsversteigerungen etc. pp. haben die Tausend Leute aus Michigan gute Laune. Na, wenn das kein Grund ist, um die Weltmärkte in eine der größten Tagesrallyes zu versetzen!

Nein, begreifen kann man das nicht, wenn man die Märkte nur beobachtet.

Wer jedoch mit den Märkten mitzittert, vielleicht weil er sein eigenes Geld eingesetzt hat, der hat in den vergangenen Wochen mehrfach erlebt, dass die Märkte genau dann drehen, wenn die Kurse bereits um 3%-5% korrigiert haben und wenn alle Medien nur noch negative Schlagzeilen bringen. Dann dauert es meist nicht mehr lange, und eine noch so unwichtige positive Meldung erobert die Titelseiten und plötzlich stehen die Indizes wieder 3% höher.

Ihr Autor muss immer wieder diskutieren, warum dieses Rallye, die nun schon über 30% gebracht hat, eigentlich falsch ist. Und jeder Intellektuelle zeigt mir Beweise auf, warum ich mit meinem Optimismus die Realität verkenne. Die Realität sei, dass die Arbeitslosigkeit ansteigt, dass der Welthandel eingebrochen ist, dass kein Mensch ein neues Auto braucht, es sei denn es wird durch die Abwrackprämie subventioniert. Und in diesem Realitätswahn übersehen die Intellektuellen, dass die Börse bereits 30% angestiegen ist, obwohl das Thema Rezession noch nicht vom Tisch ist.

Wer aber im Tagesgeschehen mit der Börse mitfiebert, der fühlt wie sich die Stimmung langsam auf einen Tiefpunkt zu bewegt und wie es dann schlimmer nicht mehr geht. Und der spürt auch, wie dann ein Fünkchen einer positiven Meldung ausreicht, um eine Rallye loszutreten.

Deswegen sollten Sie aufpassen, wem Sie zuhören: Menschen, die über ihre Anlageentscheidungen sprechen, oder Menschen, die theoretisch wissen, wie sie entscheiden würden, wenn sie müssten.


Nun, im Wochenvergleich liegen die Aktienindizes leicht hinten. Zu den Inflationswarnungen gesellt sich ein ansteigender Ölpreis hinzu. Doch schauen Sie selbst:


INDIZES (28.05.2009)

Dow Jones: 8.403 | -0,8%
DAX: 4.932 | -0,5%
Nikkei: 9.522 | 1,9%
Euro/US-Dollar: 1,413 | 3,6%
Euro/Yen: 134,9 | 3,1%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,59% | 0,4%
Umlaufrendite Dt: 3,26% | 0,1%
Feinunze Gold USD: $977,55 | 5,2%
Fass Crude Oil USD: $66,78 | 10,2%
Baltic Dry Shipping I: 3.298 | 24,7%



Die OPEC erwartet einen Ölpreis um 75 USD/Fass bis zum Jahresende. Nun, Sie können davon ausgehen, dass diese Marke spätestens im Herbst erreicht wird, wenn das so angekündigt wird.

Ich weiß nicht mehr, mit wem ich vor Kurzem noch über einen Ölpreis von 20 USD/Fass diskutieren musste. Aber egal, dieser Hellseher wird vermutlich nun auch schon bald wieder einen Ölpreis von 100 USD/Fass prognostizieren.

Der Baltic Dry Index ist weiter nach oben geschossen. Der Welthandel, derzeit bestehend aus Chinas und Indiens Importen, erholt sich nicht nur langsam, sondern ziemlich schnell. So schnell, dass die Reeder kaum rechtzeitig ihre vor Anker liegenden Containerschiffe flottmachen können. Aber diese Meldung finden Sie leider nicht in den Massenmedien.

Übrigens, haben Sie die Meldung gelesen, dass in Kalifornien der durchschnittliche Immobilienpreis nun bereits in zwei Monaten in Folge angestiegen ist? In Kalifornien, einer der am härtesten von der Immobilienkrise getroffenen Staaten!

Was glauben Sie wie gut eine Insolvenz von General Motors für Toyota, für Ford und für Daimler ist? Es ist nicht so, dass plötzlich eine Million weniger Autos gekauft werden, sie werden nur von anderen Marken gekauft.

Haben Sie eigentlich einen ausführlichen Bericht darüber gelesen, dass in Folge des US-Banken-Belastungstests 70 Mrd. USD durch Aktienplatzierungen generiert wurden? Zusätzliche Aktien, die in den Markt gegeben wurden! Und diese Aktien im Wert von 70 Mrd. USD haben es nicht geschafft, die Bankaktien nennenswert in die Knie zu zwingen. Der Markt hat 70 Mrd. USD mal eben schnell aufgeschnappt – Gelder, die dankbar waren für die Aktienplatzierungen, damit durch den Kauf dieser großen Mengen an Aktien die Bankaktien nicht zu schnell nach oben gedrückt werden.

Also: Während Ihnen Ihre Bekannten beweisen, warum man derzeit nicht in die Aktienbörse investieren darf, können Sie beruhigt und beherzt zugreifen und darauf warten, Ihre Aktien zu einem späteren Zeitpunkt wesentlich höher an Ihre Bekannten zu verkaufen. Na, verkaufen Sie besser nicht an Ihre Bekannten, laden Sie diese lieber mit Ihrem Gewinn zum Essen ein.


Schauen wir uns einmal die Stimmung an: Sowohl die Analysten, als auch die Privatanleger werden wieder vorsichtiger. Kein Wunder bei der Nachrichtenlage.

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
08.-15. Mai (216): 62% / 38%
15.-20. Mai ( 82): 70% / 30%

22.-29. Mai (163): 65% / 35%

ANALYSTEN KAUF
United Internet, freenet, Rhön-Klinikum

ANALYSTEN VERKAUF
Pfeiffer Vacuum, Danone, UBS


PRIVATANLEGER:
Aktuell 55,8% Bullen (-14%, 77 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.929

PRIVATANLEGER KAUF
SolarWorld, Pennystocks

PRIVATANLEGER VERKAUF
General Motors, Volkswagen


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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