Alt 09.05.09, 09:31
So tickt die Börse: Munition der Bären verpufft
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Gestern Abend wurden die offiziellen Belastungstestergebnisse des US-Finanzministeriums veröffentlicht. 19 Banken wurden vom Finanzministerium in Kooperation mit der US-Notenbank daraufhin untersucht, ob ihre Kapitaldecke ausreichen würde, eine zweite Weltwirtschaftskrise wie in den Jahren 1929 bis 1932 erlebt, durchzustehen.

Das Ergebnis: 10 der 19 Banken brauchen insgesamt weitere 75 Mrd. USD Eigenkapital, damit die hochgesteckten Anforderungen an die Kernkapitalquote erfüllt werden. Zu diesem Zweck war einmal das TARP-Programm von Hank Paulson ins Leben gerufen worden. Von den 700 Mrd. USD sind derzeit noch etwas über 110 Mrd. USD übrig: Genug also, um die 19 wichtigsten US-Banken durch die raue See zu führen.

Doch US-Finanzminister Tim Geithner sowie US-Notenbankchef Ben Bernanke gehen nicht davon aus, das weiteres TARP-Geld eingesetzt werden müsse, die meisten Banken können nach deren Einschätzung selber an weiteres Eigenkapital kommen: Durch Verkäufe von Unternehmensteilen, durch Zweitplatzierungen (Aktienemissionen) oder auch durch die Umwandlung von langfristigen Schulden in Eigenkapital.

Die 10 Banken haben nun vier Wochen Zeit, einen Plan vorzulegen, wie die fehlenden Mittel generiert werden. Anschließend haben sie bis zum 9. November Zeit, den Plan umzusetzen.

Hier das Ergebnis des Belastungstests inklusive US-Börsenkürzel sowie dem zusätzlich benötigten Eigenkapital:

* Bank of America Corp. (BAC): 33.9 Mrd. USD
* Wells Fargo & Co. (WFC): 13.7 Mrd. USD
* GMAC LLC: 11.1 Mrd. USD
* Citigroup Inc. (C): 5.5 Mrd. USD
* Regions Financial Corp. (RF): 2.5 Mrd. USD
* SunTrust Banks Inc.(STI): 2.2 Mrd. USD
* KeyCorp (KEY): 1.8 Mrd. USD
* Morgan Stanley (MS): 1.8 Mrd. USD
* Fifth Third Bancorp (FITB): 1.1 Mrd. USD
* PNC Financial Services (PNC): 0.6 Mrd. USD

SUMME: 74.2 Mrd. USD


Und die folgenden Banken wurden als gesund bezeichnet:

* JPMorgan Chase & Co. (JPM)
* American Express Co. (AXP)
* Goldman Sachs Group Inc. (GS)
* Bank of New York Mellon Corp. (BK)
* MetLife Inc. (MET)
* Capital One Financial Corp. (COF)
* State Street Corp. (STT)
* BB&T Corp. (BBT)
* U.S. Bancorp (USB)


Am schlimmsten sieht es für die Bank of America aus, die alleine 33,9 Mrd. USD benötigt. Sie erinnern sich sicherlich noch an meinen ungewohnt reißerischen Artikel im Heibel-Ticker 09/02 vom 16. Januar diesen Jahres, in dem ich unter der Überschrift „Ahnungslosigkeit der Banker" den „Größenwahn der Bank of America" anprangerte. Nach der Übernahme des Immobilienfinanzierers Countrywide, der ein großes schwarzes Loch in die Bilanz der Bank of America riss, wurde auch noch in einer Nacht und Nebel Aktion Merrill Lynch übernommen. Und als dann der Staat die Eigenkapitaldecke durch eine Kapitalspritze von 25 Mrd. USD ausbesserte, verwendete der CEO Ken Lewis dieses Geld für den Kauf von Anteilen an einer chinesischen Bank.

Sollte es der Bank of America nun gelingen, die erforderliche Kapitalausstattung aus eigener Kraft zu erreichen, so wird sie mit dem Ende der Immobilienkrise zu den Gewinnern der nächsten Monate gehören. Denn Countrywide war der skrupelloseste Immobilienfinanzierer und deren Immobilienderivate haben für heftige Abschreibungen gesorgt. Wenn die Immobilienpreise sich stabilisieren, vielleicht sogar einmal wieder steigen, wird die Bank of America plötzlich große Aufwertungen im Immobilienportfolio vornehmen können.

Das Ziel des Belastungstests war es, die Bevölkerung, als auch die Welt, davon zu überzeugen, dass ein vollständiger Kollaps des Finanzsystems der USA nicht zu befürchten ist, auch wenn die Situation sich nochmals zuspitzen würde. Dieses Ziel wurde nun erreicht, die Generierung der entsprechenden Finanzmittel ist nun nur noch Formsache.

Und sollte die eine oder andere Bank nicht in der Lage sein, die Mittel zu besorgen, so springt entweder der Staat mit seinem 110 Mrd. USD TARP-Programm ein, oder aber eine andere Bank kauft die Bank auf. Aber ein Kollaps, ein Bank-Run oder ähnliche Katastrophen sind nicht zu befürchten.

Daher steigen die Börsen, seit dieser Belastungstest von Geithner vor zwei Monaten angekündigt wurde. Ungewissheit ist täglich an der Börse. Die Gewissheit, dass mit den hier genannten Schritten ein Kollaps vermieden werden kann, reicht aus, um Vertrauen zu schaffen. Wie hoch die erforderlichen Mittel nun letztlich sind und ob einige einzelne Banken dennoch vor die Hunde gehen, ist egal.

GESCHEITERTE AUKTION DER 30-JAHRE LAUFENDEN US-STAATSANLEIHE

Die Ergebnisse des Belastungstests waren teilweise am Mittwoch schon an die Öffentlichkeit gelangt. Im Verlauf des Tages kamen immer wieder widersprüchliche Ergebnisse an den Tag: Morgan Stanley wurde zunächst als sauber bezeichnet, wenig später als unterkapitalisiert und später wieder als gut ausgestattet. Am Donnerstag früh wurde eine Aktienplatzierung Morgan Stanleys in den Medien angekündigt und mit der Veröffentlichung der endgültigen Ergebnisse stellt sich heraus, dass Morgan Stanley 1,8 Mrd. USD benötigt, ein eher überschaubarer Betrag.

Ganz ähnliche Gerüchte wurden über State Street verbreitet, denen die sofortige Insolvenz unterstellt wurde, dann hatten sie soviel Kapital, dass sie das TARP-Geld zurück zahlen könnten, dann wiederum würden sie eine Aktienplatzierung vorbereiten, letztlich erschienen sie auf der weißen Liste.

Entsprechend heftig fielen die Kursschwankungen im Finanzbereich aus. Unterm Strich jedoch sorgten die Ergebnisse für eine positive Stimmung, die jedoch überwiegend schon am Mittwoch in steigende Kurse gewandelt wurde. Am Mittwoch, weil eben ungeachtet der Details die Erkenntnis verbreitet wurde, dass unterm Strich das US-Finanzsystem solide ist.

Dennoch fielen am Donnerstag die Kurse. Der Grund dafür liegt ganz wo anders: Die US-Regierung hat eine 30-Jahre laufende US-Staatsanleihe mit dem Volumen von 18 Mrd. USD ausgegeben. Die Auktion verlief jedoch schleppend, der Zins für die Anleihe musste deutlich höher angesetzt werden als geplant.

Für ein Land wie die USA, das in diesem Jahr eine neue Rekordverschuldung ausweist und auch im kommenden Jahr nicht viel besser dasteht, ist ein solcher Rückschlag fatal.

Darüber hinaus kommen dann natürlich die Kritiker zu Wort, die galoppierende Inflationsraten vorhersehen. Und natürlich würden steigende Zinsen auch eine Bodenbildung auf dem Immobilienmarkt vereiteln. Und die Bodenbildung des Immobilienmarktes ist die Grundlage für den erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung in den USA.

Die gescheiterte Auktion der Staatsanleihe wurde gestern also durchaus als eine negative Belastung für die Börsen dargestellt.

CISCO NICHT SCHLECHT GENUG

Das Quartalsergebnis von Cisco wurde mit Spannung erwartet. Der weltgrößte Netzwerkausstatter dürfte von einem Aufschwung noch nicht viel sehen, denn Netzwerkausstattung gehört insbesondere zu Unternehmensausgaben und im Techsektor machen gerade die Unternehmen, die dem Konsumenten direkt attraktive Artikel anbieten, derzeit positive Schlagzeilen: Apple, Research in Motion, Nokia, etc.

Doch nun hat Cisco wider Erwarten der Bären keine katastrophalen Zahlen geliefert, sondern konnte die Erwartungen sogar übertreffen. Nun, das kennen die Bären inzwischen, es wird angeführt, dass die Erwartungen inzwischen so stark reduziert wurden, dass ein Übertreffen nicht mehr schwer war. Aber John Chambers, CEO von Cisco, setzte noch eins drauf: Er berichtete, dass seine Kunden eine Stabilisierung bei der Nachfrage nach Netzwerkkomponenten sehen würden.

Ich verfolge die Pressekonferenzen mit John Chambers seit nunmehr fast zehn Jahren: Chambers ist für mich Mister Internet, denn kein anderer weiß so genau über den Traffic, über die Infrastruktur und eben über die Nachfrage Bescheid, wie er. Seiner Aussage konnte man während der Baisse 2000 bis 2003 trauen, und so traue ich ihm auch heute. Wenn Chambers eine Stabilisierung seines Geschäfts sieht, und sogar eine Verschlechterung ausschließt, dann ist das Schlimmste der Rezession vorbei.

Nun haben die Bären am gestrigen Donnerstag also drei Kugeln verschossen: Die Ergebnisse des Belastungstests wurden im Vorfeld bereits am Mittwoch zerpflückt, so dass am Donnerstag damit kaum noch Panik zu initiieren war. Cisco hat auf ganzer Linie positiv überzeugt. Nur die misslungene Auktion konnte entsprechend ausgeschlachtet werden.

Doch hinsichtlich der Bedeutung des Zinsanstieges gibt es heute schon wieder reichlich Artikel von Bullen: Die steigenden langfristigen Zinsen würden den Banken helfen, ihre Gewinne auszuweiten. Denn Banken verdienen am Zinsunterschied zwischen langfristiger Kreditvergabe und kurzfristiger Refinanzierung. Je größer die Spanne zwischen dem bei 0 – 0,25% stehenden Leitzins und dem gestern von 4,08 auf 4,27% angesprungenen Zins für 30-Jahre laufende Staatsanleihen, desto mehr verdienen die Banken an jedem US-Dollar, der durch ihre Bücher läuft.

Schauen wir uns einmal die Wochenperformance der wichtigsten Indizes an:

INDIZES (07.05.2009)

Dow Jones: 8.409 | 2,7%
DAX: 4.804 | 2,1%
Nikkei: 9.432 | 6,8%
Euro/US-Dollar: 1,340 | 0,3%
Euro/Yen: 133,14 | 2,1%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,29% | 0,2
Umlaufrendite Dt: 3,10% | 0,1
Feinunze Gold USD: $915,90 | 1,9%
Fass Crude Öl USD: $58,96 | 12,1%
Baltic Dry Shipping I: 2.194 | 23,8%


Ups, der Nikkei ist so stark angesprungen? Nun, nachdem der feste Yen in den vergangenen Wochen jeglichen Kursanstieg vereitelt hatte, gibt es nun Nachholbedarf beim Nikkei.

Die Zinsen für die 10-Jahre laufenden Staatspapiere sind etwas angestiegen. Lassen Sie mich die Argumente der Bären wiederholen: Steigende Zinsen würgen eine Erholung des Immobilienmarktes ab, da Hypothekenzinsen steigen und damit Häuser wieder teurer zu finanzieren sein werden. Dies wiederum würde der Finanzkrise in eine neue Runde verhelfen.

Die Argumente der Bullen:

Es gibt ausreichend Regierungsprogramme für günstige Hypothekenkredite, ungeachtet der Zinsentwicklung auf den Märkten. Das steigende Zinsniveau verhilft jedoch gleichzeitig den Banken, an der größeren Zinsspanne mehr zu verdienen, daher würde der Finanzsektor bei steigenden Zinsen um so schneller genesen.

Tja, wem glauben Sie nun? Ich halte mich an die Bullen.

Mal sehen, was das Sentiment über die Stimmung an den Börsen sagt:

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
17.-24. Apr (168): 54% / 46%
24.-30. Apr (126): 62% / 38%
01.-05. Mai (165): 62% / 38%

ANALYSTEN KAUF
BNP Paribas, Solarworld, Metro

ANALYSTEN VERKAUF
Heidelberger Druck, Q-Cells, ArcelorMittal


PRIVATANLEGER:
Aktuell 63,5% Bullen (+11%! 85 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.853

PRIVATANLEGER KAUF
Porsche, Royal Bank of Scotland, Vivacon

PRIVATANLEGER VERKAUF
Volkswagen, Infineon, Daimler


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Die Stimmung bleibt extrem bullisch, inzwischen sind auch die Privatanleger von dem Optimismus erfasst worden. Es scheint mir, dass viele Anleger noch immer unterinvestiert sind, so dass diese bullische Stimmung noch einige Zeit lang halten kann, ohne große Korrekturen nach sich zu ziehen.

Denn nach 25% Kursplus steht man nun ziemlich dumm da, wenn man noch immer als Bär herumpilgert. Doch die früheren Bären haben in den vergangenen Wochen keine einzige Gelegenheit gehabt, ihrem Stimmungswandel auch Käufe folgen zu lassen: Man kauft ja nicht in eine steigende Börse hinein, sondern wartet auf einen Rücksetzer. „Wer dem Trend hinterher läuft, sieht immer nur den Hintern".
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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