Alt 27.02.09, 20:31
So tickt die Börse: Verstaatlichung unterschiedlicher Form
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Okay, von Zeit zu Zeit sage ich das immer wieder – und es ist an der Zeit, es zu wiederholen: Wenn Sie in den nächsten 3-5 Jahren Bargeld benötigen, dann legen Sie es nicht in Aktien an!

Wer viel Geld hat, der kann an der Börse spekulieren. Wer gar kein Geld hat, der muss spekulieren um zu Geld zu kommen. Er hat ja nichts zu verlieren. Wer jedoch ein wenig Geld hat, mit dem das Studium des Kindes finanziert werden soll oder wer für ein Auto spart, der muss sein Geld nicht in Aktien anlegen. Wenn sich die Dinge, die Obama in den vergangenen Tagen in Aussicht gestellt hat, bewahrheiten, dann wird eine Erholung der US-Aktienbörse noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Und da wir inzwischen international verflochtene Finanzmärkte haben, wird auch in Deutschland die Aktienbörse in Mitleidenschaft gezogen. Obwohl, bei uns sind die Entscheidungen noch nicht gefallen. Es gibt lediglich ein Gesetz für die Verstaatlichung der Hypo Real Estate.

Doch lassen Sie mich Schritt für Schritt erklären, was derzeit aus Börsensicht schief läuft ... und nehmen Sie sich am Wochenende ein wenig Zeit um darüber nachzudenken, ob das aus menschlicher Sicht nicht vielleicht sogar sinnvoll sein könnte. Doch hier im Heibel-Ticker betrachten wir zunächst die verheerenden Auswirkungen für die Börse:

US-AKTIENRECHT: ZUNÄCHST UNZUREICHEND, NUN WERTLOS

Spätestens seit der Verstaatlichung von Fannie Mae und Freddie Mac waren Zweifel an den Vorzügen von Vorzügen (Vorzugsaktien) aufgekommen. Anleger, die in Vorzüge investieren, halten sich bewusst aus den Geschäftsentscheidungen heraus, geben also nur ihr Geld ins Unternehmen und genießen dafür das Vorrecht, an Dividendenausschüttungen bevorzugt teilzuhaben.

Wenn eine Unternehmensübernahme erfolgt, dann bleiben die Vorzugsaktien davon meist unberührt. Der neue Eigner weiß um die Verpflichtungen gegenüber den Vorzugsaktionären. Im Fall von Fannie Mae und Freddie Mac hat die US-Regierung jedoch etwas Unverständliches getan: Es wurden Garantien übernommen, die Stammaktien wurden übernommen und obwohl damit alle Gewalt beim Staat lag und eine Dividendenausschüttung einfach unterlassen werden kann, ohne die Vorzugsaktionäre zu schädigen, wurden die Vorzugsaktionäre dennoch enteignet. Der einzige Zusatzvorteil ist, dass nun der Staat, falls in vielen Jahren einmal Gewinne bei den übernommenen Unternehmen anfallen sollten, die das heute investierte Geld übersteigen, die Vorzugsaktionäre nicht mit einer Dividenden bedenken muss.

Ich hatte das damals kritisiert und war aber froh, dass die Bush-Administration inzwischen abgetreten und hoffentlich intelligente Menschen nun am Ruder sind. Doch heute früh tickert die Meldung über die Nachrichtendienste, dass die Citigroup weitere Staatshilfen benötigt und sogar bekommt. Doch dafür wird die Dividende gestrichen. Soweit so gut. Doch zusätzlich wurde bekannt gegeben, dass die Vorzugsaktien in Stammaktien umgewandelt werden und damit ihren rückwirkenden Dividendenanspruch, der in guten Jahren in ferner Zukunft entstehen könnte, verlieren.

Ich kann Ihnen eine ganze Reihe von Unzulänglichkeiten im Aktienrecht aufzeigen. Doch der Weg, das Aktienrecht statt es zu verbessern einfach zu ignorieren, ist in meinen Augen falsch. Das schafft Verwirrung und Verunsicherung unter den Anlegern und glauben Sie mir: Ich bin nun nicht mehr der Einzige, der seinen Kunden rät, die kurzfristig benötigten Gelder lieber aus der Aktienbörse fern zu halten.

NEUE MATHEMATIK: MILLIONEN, MILLIAREN, BILLIONEN

Gewöhnen Sie sich bitte an große Zahlen. Zu Zeiten der Hyperinflation in den wilden Zwanzigern hatten wir es schon einmal mit vielen Nullen im Finanzwesen zu tun.

In Deutschland leben derzeit rund 80 Mio. Menschen. Wenn jeder von uns einen Kredit über 10.000 Euro aufnimmt, erhalten wir eine Summe von 800 Mrd. Euro. Jeder von uns hat jedoch bereits einen Kredit in Höhe von ca. 18.731 Euro durch die Staatsverschuldung. Insgesamt haben wir in Deutschland also eine Staatsverschuldung von 1,5 Billionen Euro (ich weiß nicht, wie man das abkürzt, „BIO." möchte ich nicht verunglimpfen). Das sind alles Schulden, die wir in den vergangenen Jahrzehnten angehäuft haben.

In den USA leben rund fünfmal so viele Menschen wie in Deutschland. Also könnte dort alles fünfmal so groß sein wie hier. Ende letzten Jahres hatten die USA tatsächlich 1,5x5=7,5 Billionen EUR Schulden.

Doch dabei wird es nicht bleiben. Obama hat in den vergangenen Tagen zusätzliche Ausgaben in Höhe von insgesamt 3,6 Billionen USD angekündigt. Und finanzieren möchte er diese zusätzlichen Ausgaben durch Steuererhöhungen bei den Reichen und bei den Unternehmen. Vorbei sind die goldenen Zeiten unter Bush, der genau diese Gruppen stets begünstigte.

OBAMA NIMMT'S DEN REICHEN

Dividendenansprüche von Vorzugsaktien werden einfach gestrichen. Wer über 250.000 USD pro Jahr verdient, der darf sich in den USA auf eine höhere Steuerlast einstellen. Das Gesundheitssystem will Obama verbessern, so wie es Clinton damals bereits angekündigt hatte. Doch anders als Clinton macht Obama seine Ankündigung wahr: Überall, wo in der Pharmaindustrie noch Geld verdient wird, bringt der den Staat ins Spiel.

Es überrascht auch nicht, dass er die dicken Gewinne der Ölindustrie abschöpfen möchte. Es ist noch nicht klar, in welcher Form er dies tun wird: Die CO2-Steuer ist eine der diskutierten Möglichkeiten.

Was ich aus den verschiedenen Veröffentlichungen der vergangenen Tage herausgelesen habe ist Folgendes: In vier Jahren wird der US-Staat wesentlich mehr Bereiche kontrollieren als heute. In einigen Bereichen mag das wünschenswert sein (Kontrolle im Finanzsektor!), in anderen halte ich es für gefährlich (Innovationskraft bei Pharma, Biotech).

Wenn er den Finanzmärkten weiterhin das Signal sendet, dass für ihn Aktionäre stets zu den Wohlhabenden gehören, die gemolken werden können, dann werden die Finanzmärkte weiter einbrechen und die Grundlagen der freien Marktwirtschaft in Frage gestellt.

Am deutlichsten hat es heute früh Donald Trump, der Immobilienmilliardär, gesagt: Er habe gerade ein großes Grundstück in Washington DC gekauft, denn das sei in den USA die einzige Gegend, in der Wachstum zu erwarten ist.

Wenn die Begeisterung Deutschlands für Obama dazu führt, seine Politik zu übernehmen, dann auf nach Berlin!

Hat die Marktwirtschaft, ob frei oder sozial, also ausgedient? Ich würde fast sagen, dass Obama davon überzeugt ist. Doch gleichzeitig kommen gegensätzliche Signale aus seinem eigenen Lager: Bernanke sprach sich kürzlich FÜR die Einführung der Uptick-Rule ein, etwas, das ich seit über einem Jahr fordere. Inzwischen wurde bekannt, dass sogar die US-Börsenaufsicht SEC sich mit dieser Frage beschäftigt. Und auch die harte Bilanzierungsregel „mark-to-market" wird immer häufiger von Mitarbeitern der Obama-Administration öffentlich als für diese Marktphase schädlich kritisiert.

Zu guter Letzt: Der Belastungstest für die US-Banken läuft, die Konditionen werden langsam bekannt. Wenngleich die möglichen Interventionsmaßnahmen höchst fraglich sind (siehe Citigroup), so scheint doch eine einfache Verstaatlichung vom Tisch zu sein. Und, die Extremszenarien gehen unter anderem von einem weiteren Immobilienpreisverfall von 25% aus, sowie von einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 10,3%. Das sind Werte, die selbst in der Weltwirtschaftskrise 1929-1932 nicht erreicht wurden. Wer diesen Test also besteht, der wird künftig vom Markt als überlebensfähig angesehen.

Während Obama also ohne Rücksicht auf Verluste seine Wahlversprechen einlöst, arbeitet seine Administration fieberhaft an Verbesserungen im Wirtschafts- und Finanzsystem. Während es heute also so aussieht, als würde die USA in den Kommunismus abrutschen, könnte nach einer Stabilisierung ein vollständig neues und hoffentlich besseres System aus dem Chaos entstehen. Nur, wo wird der Dow Jones stehen, wenn es soweit ist?

Hier die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich:

INDIZES (26.02.2009)

Dow Jones: 7.182 | -3,8%
DAX: 3.942 | -6,5%
Nikkei: 7.568 | 0,1%
Euro/US-Dollar: 1,280 | 1,6%
Euro/Yen: 123,59 | 4,3%
10-Jahre-US-Anleihe: 2,98% | 0,1
Umlaufrendite Dt: 2,80% | -0,1
Feinunze Gold USD: $941,30 | -4,0%
Fass Crude Öl USD: $45,22 | 12,5%
Baltic Dry Shipping I: 1.950 | -4,9%


Der Goldpreis ist stark zurück gekommen. Nachdem das Gold kurzzeitig schon über 1.000 USD/Oz notierte, folgte nun die lang ersehnte Konsolidierung. Nachdem der Goldpreis von 730 bis 1.000 USD/Oz in einer Linie anstieg ist die aktuelle Konsolidierung nicht überraschend. Wer noch Gold kaufen möchte, der sollte nun zugreifen. Doch auch Kurse um 900 USD/Oz kann ich mir in den nächsten Wochen nochmals vorstellen.

Der Baltic Dry Index stagniert nun seit zwei Wochen. Es ist also noch nicht entschieden, ob die Transportaktivitäten wieder kräftig zulegen, oder ob es sich nur um die Gegenreaktion nach dem Preiseinbruch Ende letzten Jahres handelte.

Ganz ähnlich sieht es beim Öl aus, hier erleben wir gerade die Gegenreaktion mit einem Wochenplus von 12,5%. Mal sehen, wohin die Reise geht. Aber es zeichnet sich immer mehr ab, dass Preise unter 30 USD/Oz Wunschträume von Untergangspropheten waren.

Nachdem Zahlungsprobleme in Osteuropa den Euro in den Vorwochen unter Druck gesetzt hatten, konnte sich unsere Währung nun wieder etwas erholen. Sowohl gegenüber dem US-Dollar, als auch gegenüber dem Japanischen Yen legte der Euro zu.

Na und die Aktienbörsen, das sehen Sie vermutlich selbst jeden Tag in den Nachrichten: Es geht weiter bergab. Die 4.000 Punkte wurden, wie meine schlimmste Befürchtung war, unterschritten. Es folgen nun wieder heftige Ausverkäufe, für Zwischenerholungen gibt es selten mehr als ein paar Stunden Zeit.

Entsprechend ist es kaum überraschend, dass die Stimmung unter Anlegern sowie Profis sich weiter eingetrübt hat:

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen

06.-13. Feb (151): 58% / 42%
13.-20. Feb (163): 55% / 45%
20.-26. Feb (145): 52% / 48%

ANALYSTEN KAUF
Fielmann, Morphosys, Generali

ANALYSTEN VERKAUF
Q-cells, Henkel, Solon

PRIVATANLEGER:
Aktuell 46% Bullen (-2,5% zur Vorwoche! 96 Stimmen)
Bisheriges Tief war Ende November bei 35% Bullen
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 3.956

PRIVATANLEGER KAUF
Stada Arzneimittel, Allianz, Swiss Re

PRIVATANLEGER VERKAUF
BASF, Conergy, General Motors


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Was also tun in solch turbulenten Börsenzeiten? Sollte man sich in sein Kämmerlein verziehen und warten, bis der Sturm vorüber geht? Oder gibt es Dinge, die man gerade in solchen Zeiten tun sollte?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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