Alt 01.08.20, 09:16
Standard So tickt die Börse: Kurze Zusammenfassung einer ereignisreichen Woche
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Diese Woche war viel los: Die US-Notenbank hat getagt, diese Woche ist die Woche mit den meisten Quartalsberichten, vier der fünf globalen Technik-Monopolisten-Monopolisten musste in Washington der Politik über wettbewerbsschädliche Praktiken Rede und Antwort stehen, sowohl das BIP in Deutschland als auch in den USA, ist um 10% eingebrochen, Coronazahlen steigen, Trump erwägt Wahlverschiebung, ...

Ich habe mir die Zeit genommen, die vielen Ereignisse für Sie zusammenzufassen, ohne in episch breite Monologe zu verfallen :-).

Die meisten Quartalszahlen, die ich mir angeschaut habe, waren gut bis super. Wussten Sie übrigens, dass Uno von Mattel vertrieben wird? Während des Lockdowns gingen mehr Uno-Kartenspiele über den Ladentisch denn je. Mattel freute sich über eine kleine Sonderkonjunktur. Sämtliche Prognosen der Unternehmenschefs waren überaus vorsichtig formuliert. Kein Wunder vor dem Hintergrund steigender Coronazahlen. Daher vermochten die Q-Zahlen nicht den erhofften Impuls für die Aktienmärkte geben, um in Richtung Allzeithochs zu stürmen. Vielmehr stieg der Anreiz, Gewinne mitzunehmen.

Die Zahl der mit Corona Infizierten steigt weltweit, auch in Deutschland.


Abbildung 1: Er sollte eigentlich dafür sorgen, dass andere die Corona-Regeln befolgen


Kein Wunder, würde ich sagen, denn die Kontaktbeschränkungen werden immer weniger beachtet. Einmal abgesehen davon, dass in Geschäften und öffentlichen Transportmitteln Maskenpflicht besteht, scheint sich im privaten Raum kaum noch jemand um den gebotenen Abstand zu scheren. Selbst in Geschäften wird der Umgang mit den Regeln laxer, wie obiges Photo zeigt.

Also steigen die Zahlen wieder und in den Medien wird die zweite Welle heraufbeschworen. Wir erinnern uns, dass bei der Spanischen Grippe vor einhundert Jahren die meisten Menschen erst im Rahmen der zweiten Welle starben. Ich halte die Ängste daher für berechtigt, aber übertrieben. In den vergangenen einhundert Jahren hat sich viel getan: Unser gutes Gesundheitssystem konnte sich in den vergangenen Monaten noch besser auf Corona-Erkrankungen einstellen. Außerdem haben wir inzwischen die in meinen Augen gebotene kleinteilige Reaktionsmöglichkeit der Länder und Gemeinden, wenn lokale Hotspots erkennt werden.

Dadurch ist - zumindest wirtschaftlich betrachtet - ein zweiter Lockdown mit entsprechend verheerenden wirtschaftlichen Folgen unwahrscheinlich. Mag also sein, dass die Zahl der Infizierten in den kommenden Wochen wieder kräftiger ansteigt. Einen exponentiellen Anstieg wie im März halte ich jedoch für unwahrscheinlich. Mag sein, dass wir erneut eine steigende Zahl von Todesopfern beklagen werden, doch ich gehe davon aus, dass verbesserte Behandlungsmethoden für einen unterproportionalen Anstieg sorgen werden.

Mag sein, dass es zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen in Folge von Kontaktsperren kommen wird. Doch zum einen gehe ich davon aus, dass diese weitgehend lokal verhängt werden und nicht mehr bundesweit. Zum anderen hat sich die Wirtschaft inzwischen darauf vorbereitet.

Es gibt natürlich Branchen, die können sich auf eine solche Situation gar nicht vorbereiten: Der Tourismus könnte erneut unter Druck geraten. Auch die Gastronomie. Yum Brands hat gestern Quartalszahlen berichtet: Der Umsatz brach ein, dennoch konnte mehr Gewinn ausgewiesen werden als erwartet. CEO David Gibbs machte eine Aussage, die Gastronomen weltweit ermitteln lassen sollte. Yum Brands ist der weltweit größte Betreiber von Restaurants. Pizza Hut ist die größte Restaurantkette im Konzern. Pizza Hut habe während des Lockdowns das Geschäftsmodell dahingehend überarbeitet, dass man gar keinen Restaurantbetrieb mehr benötige. Der Lieferservice sei wesentlich lukrativer.

Der weltweit größte Restaurantbetreiber braucht kein Restaurant mehr? Corona-Vorschriften machen das Geschäft unrentabel: Nur jeder zweite Tisch darf besetzt werden, Maskenpflicht und umfangreiche Hygienevorschriften hinsichtlich der Essenszubereitung machen den Restaurantbetrieb zu aufwendig.

Ich lese derzeit täglich von namhaften Restaurantbetreibern in Deutschland, die ihren Betrieb schließen. Für kleine Gastronomien lässt sich ein lukrativer Lieferservice nicht so einfach aufbauen. Je länger die Kontaktbeschränkungen bleiben, desto mehr Restaurants werden schließen - egal ob eine zweite Welle kommt oder nicht.

Es wird also Medienberichte über verheerende Coronafolgen geben. Vermutlich werden sie stets an eine Zahl angehängt, mit der man den Anstieg der Infizierten darstellt.

Ich möchte Corona hier nicht klein reden. Wir haben noch keinen Impfstoff und schwere Krankheitsverläufe enden bei Corona auch heute noch sehr häufig tödlich. Bitte befolgen Sie die Maskenpflicht und vermeiden Sie unnötige Versammlungen.

Aber dies ist ein Börsenbrief und daher bespreche ich hier überwiegend die wirtschaftliche Bedeutung von Ereignissen. Und da fällt es mir schwer, einen wirtschaftlichen Ausnahmezustand wie im März/ April als wahrscheinlich zu betrachten.

In den USA sieht das anders aus, genau wie auch in Südamerika. Dort hat man die Kontaktbeschränkungen lange Zeit - teilweise heute noch - als Eingriff in die persönliche Freiheit betrachtet und daher nicht eindämmen können. Donald Trump hat seinen Fehler inzwischen erkannt und ein Bauernopfer (Fauci) geköpft. Außerdem sieht er seine Fälle davonschwimmen: Wenn die Coronakrise bis zur Präsidentschaftswahl im November nicht im Griff ist, hat er keine Chance zur Wiederwahl.

Also twitterte er gestern früh, dass Briefwahlen verfälschte Wahlergebnisse liefern würden und erwog, die Wahl zu verschieben. Es ist auch für den US-Präsidenten kaum möglich, einen Wahltermin zu verschieben. Wenn aufgrund von Corona viele Wähler lieber von zu Hause aus wählen, ist das doch eine gute Alternative, würde in Deutschland jeder denken. Doch Trump ist davon überzeugt, dass Briefwahlen manipuliert werden und am Aktienmarkt ist diese Überlegung allein schon ausreichend, um große Verunsicherung zu erzeugen. Zwar bräuchte Trump die Zustimmung von beiden Häusern, was als ausgeschlossen betrachtet werden kann. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass Trump dennoch irgendwelche Mittel findet, um seine Interessen durchzusetzen.

Entsprechend brachen die Aktienmärkte gestern ein.

Inzwischen haben Historiker herausgefunden, dass es in der Geschichte der USA noch keinen einzigen verschobenen Wahltermin gab. Die Gemüter beruhigen sich also wieder, heute geht's wieder nach oben.

Aber der gestrige Einbruch ist nicht allein auf den Tweet von Trump zurückzuführen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Q2 ist in Deutschland um 10% eingebrochen. In den USA brach das BIP um 9% ein. Lassen Sie sich nicht von den den gigantischen Zahlen der USA verwirren: Dort wurde ein BIP-Rückgang von 33% veröffentlicht! Doch in den USA werden die Zahlen häufig "annualisiert": Wenn der Rückgang in drei Monaten 9% betrug, dann rechnet man das auf 12 Monate, also auf ein Jahr, hoch und kommt zu der gigantischen Zahl von -33%. Das würde aber bedeuten, dass Corona unvermindert über zwölf Monate wütet, und das ist selbst in den USA nicht zu befürchten.

Nachdem sich der DAX also im Wochenverlauf relativ stabil gehalten hat, sorgte die niedrige BIP-Zahl in Deutschland für einen Ausverkauf. Zeitgleich schockte die Meldung darüber, dass mehr US-Truppen abgezogen werden als zuvor bekannt war und Trump bekräftigte diese Zahl mit einer Tirade gegen Deutschland, das weder seinen Nato-Verpflichtungen nachkomme, noch geopolitische Interessen berücksichtige, wenn die Nordstream II Pipeline mit Russland zu Ende gebaut würde.

Spannungen mit den USA können wir nun wirklich nicht gebrauchen.

Eigentlich war davon auszugehen, dass der schwache DAX keine Auswirkungen auf die USA haben würde, doch dann kam der Tweet über die Wahlverschiebung und führte dazu, dass die Verunsicherung aus Deutschland auch an den US-Finanzmärkten Fuß fasste.

Bleibt ein Kommentar zur Anhörung von Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Facebook), Tim Cook (Apple) und Sundar Pichai (Alphabet) in Washington. Die Marktmacht dieser globalen Tech-Monopolisten habe wettbewerbsschädigende Auswirkungen, so der Vorwurf.

Die Anhörung verlief überaus zahm. Auch der Politik ist bewusst, dass gerade diese vier Unternehmen (zuzüglich Microsoft, die meiner Ansicht nach noch dazu gehört hätten) im internationalen Wettbewerb eine führende Rolle übernommen haben. Jedes Land der Erde wäre stolz, eines dieser Unternehmen zu beherbergen. Warum also sollten Politiker diese Vorzeigeunternehmen bestrafen?

Nur einen Tag später veröffentlichten genau diese vier Unternehmen jeweils ihre Quartalszahlen:

Apple: Zahlen besser als erwartet, zweistelliges Wachstum und ein Gewinn, der über der höchsten Analystenschätzung lag. Ein Aktiensplit 4:1 wurde angekündigt. Analysten heben nun reihenweise ihre Kursziele aufgrund des robusten Geschäftsmodells, dem selbst Corona nichts anhaben konnte. Aktie +7%.

Amazon: Der ultimative Corona-Gewinner! 40% Umsatzsteigerung sind der blanke Wahnsinn, da es sich nicht um ein Startup handelt, sondern um den bereits weltweit größten Einzelhändler. 100.000 Mitarbeiter! Nein, Amazon hat nicht 100.000 Mitarbeiter, sondern Amazon hat in den vergangenen drei Monaten 100.000 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt. Der Gewinn war mit 10,30 USD/Aktie um 8,80 USD/Aktie über den Erwartungen. Auch das ist kein Schreibfehler: Erwartet wurde ein Gewinn von 1,40 USD/Aktie, Vielfaches davon wurde erzielt. Aktie +6%

Facebook: Keine Spur von Werbezurückhaltung, die in den Medien seit Monaten diskutiert wird. Da Facebook nur sehr wenig gegen politische und moralisch fragwürdige Texte unternimmt, hatten sich einige Werbende von der Platform zurückgezogen, Analysten hatten daher gleich zwei Gründe, rückläufige Werbeeinnahmen zu befürchten: Zum einen aufgrund einer Verweigerungshaltung der Werbenden, zum anderen aufgrund der coronabedingten Wirtschaftsflaute. Nichts davon traf zu, Umsatz und Gewinn wachsen weiterhin zweistellig. Aktie +7%.

Alphabet: Der Gewinn lag um 20% über den Erwartungen, der Umsatz ging jedoch - erstmals in der Geschichte von Google - leicht zurück. Ich habe den Eindruck, dass Google zu viele Projekte verfolgt und das Kerngeschäft aus den Augen verliert. Entsprechend ist die Aktie heute "nur" mit 1% im Plus.

Abschließend noch zwei Kommentare:
Shopify wird mit dem 50-fachen Umsatz bewertet. Es ist der Gegenentwurf zu Amazon. Während Amazon die erfolgreichen Produkte seiner Händler gerne mal selber produziert und verkauft, hat sich Shopify vollständig dem Erfolg seiner Händler verschrieben. Interessen, die den Interessen der Händler entgehen stehen könnten, gibt es bei Shopify nicht. Daher der kometenhafte Aufstieg der Shopify-Plattform und daher die hohe Bewertung. Wenn jemand Amazon ein paar Federn ausrupfen kann, dann nicht die Politik, sondern Shopify.

Wirecard ist nun Anlass zu einer Klage gegen die BaFin. Der Vorwurf, den ich unterstütze, lautet, die BaFin habe trotz deutlicher Hinweise nicht nur nicht agiert, sondern im Gegenteil, habe Leerverkäufe verboten und damit ein Signal gesetzt, dass die Vorwürfe der Financial Times nicht nur unberechtigt, sondern von unlauteren Interessen geleitet seien. Das war der Tag, an dem ich meine kritische Berichterstattung zu Wirecard einstellte. Wer sich der Klage anschließen möchte, kann dies hier tun: https://www.wirecardclaim.com/.

Schauen wir nun einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich geschlagen haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (30.07.2020) Woche Δ Σ '20 Δ

Dow Jones 26.184 -1,3% -8,6%
DAX 12.313 -4,1% -7,1%
Nikkei 21.710 -4,6% -8,2%
Shanghai A 3.469 3,5% 8,9%
Euro/US-Dollar 1,18 1,7% 5,6%
Euro/Yen 124,99 1,6% 2,3%
10-Jahres-US-Anleihe 0,54% -0,04 -1,39
Umlaufrendite Dt -0,57% -0,08 -0,34
Feinunze Gold $1.975 3,9% 30,6%
Fass Brent Öl $43,19 0,5% -37,2%
Kupfer 6.433 -1,5% 3,6%
Baltic Dry Shipping 1.348 -2,9% 23,7%
Bitcoin 11.088 15,7% 52,1%
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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