Alt 14.07.14, 23:37
Standard Argentiniens Wirtschaft pfeift aus dem letzten Loch
Beitrag gelesen: 917 x 

Aus der Perspektive eines Börsianers stehen sich beim WM-Finale am Sonntag tatsächlich zwei der erfolgreichsten Nationen der Welt gegenüber: Sowohl der deutsche DAX Index als auch der argentinische MERVAL Index haben während der Weltmeisterschaft ein neues Allzeithoch erreicht.

Doch während in Deutschland durch solides Wirtschaften das Umfeld für einen solchen Rekord bereitetet wurde, hat Argentinien in den vergangenen Jahren wieder einmal auf Kosten der Zukunft gelebt. Egal wie sich die Mannschaft rund um Lionel Messi am kommenden Sonntag schlägt: die Partystimmung wird den Landsleuten des Teams vermutlich schon bald vergehen.

Alles nur ein Scheinboom?

Nach der Finanzkrise von 2008/09 zählte Argentinien vorübergehend zu den wachstumsstärksten Ländern der Welt. Die BIP- Wachstumsrate übertraf zwischenzeitig sogar die magische Grenze von über 10 %. Allerdings war dieser Boom nur ein Scheinboom, der durch eine extreme Geldmengenausweitung, ausufernde Inflation, zunehmende Handelsbeschränkungen und immer strengere Kapitalverkehrskontrollen künstlich angefacht wurde. Die argentinische Regierung schreckte im Verlauf der vergangenen Jahre nicht einmal davor zurück die Vermögen der privaten Rentenkassen zwangsweise zu verstaatlichen, um die Staatskassen für Konjunkturförderprogramme zu füllen.

Nicht nur Einheimische, die privat für ihr Alter vorsorgten, werden von der Regierung mit einem Maximum an Unsicherheit und Willkür konfrontiert. Auch für ausländische Anleger ist in Argentinien schon länger nichts mehr zu holen. Die überragende Performance des MERVAL Index der vergangenen 3 Jahre schrumpft in US-Dollar berechnet auf unter null zusammen. Und wer auf das Schwergewicht YPF gesetzt hat, kam sogar in den Strudel einer Zwangsverstaatlichung.

Der Schreck für Anleihen-Anleger

Auch am Anleihenmarkt tut die sozialistisch angehauchte Regierung um Cristina Fernández*de*Kirchner*alles dafür, um ausländischen Investoren das wertvolle Gefühl der Sicherheit zu nehmen. Zum Beispiel türkt sie - für alle Beteiligten klar ersichtlich - die Inflationsstatistiken, damit sie den Besitzern von inflationsgebundenen Staatsanleihen nur einen Bruchteil dessen auszahlen muss, was ihnen zusteht. Darüber hinaus gängelt sie die Anleger durch Kapitalverkehrskontrollen, und sie weigert sich seit Jahren vehement, mit den verbleibenden Besitzern von Staatsanleihen aus der Ära vor dem Staatsbankrott von 2001 eine Einigung zu finden.

Sie erinnern sich sicherlich: Nach dem damaligen Staatsbankrott wurden Staatsanleihen in Höhe von 95 Milliarden USD „restrukturiert“ (Die Besitzer verzichteten auf rund 70 % des Nennwertes). Allerdings hatten die Inhaber von 7 % der Anleihen den damaligen Umtauschangeboten nie zugestimmt und vor internationalen Gerichten (vor allem in den USA) einen jahrelangen Rechtsstreit mit der argentinischen Regierung geführt. Dieser Streit naht nun seinem Ende, denn ein New Yorker Gericht hat Argentinien zur Zahlung von 1,3 Mrd. USD an zwei US-Hedgefonds verpflichtet. Das entspricht 100 % des Nennwerts. Und in der Folge könnten andere Fonds ebenfalls die Erstattung ihrer Schulden in Höhe von insgesamt 15 Mrd. USD durchsetzen.

Währungsreserven auf 8-Jahres-Tief

Die argentinische Regierung weigert sich aber standhaft, die Hedgefonds auszubezahlen, denn die Fremdwährungsreserven sind infolge der verfehlten Wirtschaftspolitik ohnehin schon auf ein 8-Jahres-Tief von 29 Mrd. USD gefallen. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Rückgang um 30 %.

In den kommenden Monaten könnte sich der Rückgang der Währungsreserven auch ohne die Zahlungen an Hedgefonds weiter beschleunigen, denn die Regierung hat sich zu Zahlungen in Höhe von 1,5 Mrd. USD an den Pariser Club, die Weltbank und an Repsol SA verpflichtet (letztere werden für die Enteignung von YPF entschädigt). Zudem fällt im zweiten Halbjahr der Löwenanteil im Export von Soja und Mais weg, der stets in der ersten Jahreshälfte zum Tragen kommt. Deshalb dürfte sich die Handelsbilanz jetzt weiter eintrüben.

Staatsbankrott droht schon in drei Wochen!

Bis Ende Juli muss sich Argentiniens Regierung mit den beiden Hedgefonds einigen. Wird sie sich auch danach noch weigern, die Anleihen zu bedienen, so ist das nach den Regeln der Finanzmärkte mit einer Erklärung der „Zahlungsunfähigkeit“ gleichzusetzen. Aus meiner Sicht würde das an der Gesamtsituation wenig ändern, denn das Vertrauen internationaler Anleger in die argentinische Regierung ist ohnehin schon völlig am Boden.

Das Ereignis könnte aber den Zusammenbruch des Kirchner-Wirtschaftsregimes beschleunigen und so die in meinen Augen ohnehin nicht mehr abwendbare Wirtschaftskrise verschärfen. Das wiederum würde die Chancen auf einen Regierungswechsel bei der im Oktober 2015 anstehenden Präsidentschaftswahl wesentlich erhöhen. Sollte sich dann endlich der lang ersehnte Neuanfang abzeichnen, so bin ich sicher einer der ersten, der nach dem Motto „In der Krise liegt die Chance“ nach Anlagechancen im Land des voraussichtlichen „Vizeweltmeisters“ sucht. Denn strukturell hat Argentinien - wie schon seit 100 Jahren immer wieder zu lesen ist - einiges zu bieten: Ein hohes Bildungsniveau, enorm viele Rohstoffressourcen und eine diversifizierte Industrie!

Mein Fazit: Auch wenn das Chartbild des MERVAL Index und der Finaleinzug der argentinischen Fußballmannschaft etwas anderes vermuten lassen: Auf das Land kommen schwere Zeiten zu! Für mich ist der Markt erst dann wieder für Investitionen interessant, wenn Cristina Fernández*de*Kirchner entmachtet ist und das von ihr und ihrem verstorbenen Ehemann etablierte, auf Vortäuschung falscher Tatsachen basierende Wirtschaftsregime zusammengebrochen ist.

Viel Erfolg bei der Geldanlage wünscht Ihnen


Ihr

Florian Schulz

Chef-Redakteur Emerging-Markets-Trader

http://www.emerging-markets-trader.de



KAUFTIPPS für China, Asien, Osteuropa und Lateinamerika? Setzen Sie auf die BOOM-Märkte der Zukunft! Jetzt TESTEN!
__________________
Florian Schulz ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging Markets und Chefredakteur des Emerging-Markets-Trader Börsenbriefs. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Emerging-Markets-Trader die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 21:24 Uhr.
Top 



copyright: imagine Grafik - DTP - Webdesign - [AGB / Datenschutz]