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saida
21-08-2002, 20:40
Fluthilfen könnten Haushaltsziele in Gefahr bringen
Berlin (vwd) - Die Hilfen zum Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe im Osten Deutschlands könnten möglicherweise die Einhaltung des so genannten Defizitkriteriums des Stabilitätspakts in Gefahr bringen. Finanzminister Hans Eichel sagte dazu im ZDF-Morgenmagazin: "Diese technische Diskusssion will ich jetzt nicht führen. Unsere Finanzierungslinien stehen, daran besteht kein Zweifel." Dagegen sagte die Sprecherin Eichels der "Financial Times Deutschland" vom Montag: "Wir wissen nicht, wie groß die Hochwasserschäden ausfallen werden. Wir können deshalb nicht sagen, ob wir die Maastricht-Verschuldungsgrenze unter- oder überschreiten werden."



Die deutsche Neuverschuldung darf nach den Kriterien des europäischen Stabilitätspakts maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Eichel erwartet, dass auf Grund der Hochwasserhilfen Umschichtungen im Bundeshaushalt erforderlich werden. Es werde zu einer Verschiebung der Prioritäten kommen müssen. Zunächst müssten die Schäden identifiziert werden, ehe eine Entscheidung über die Finanzierung getroffen werden könne. Eichel sprach sich zudem ausdrücklich gegen die Einführung einer bundesweiten Zwangsabgabe aus. Damit würde die große Welle der Hilfsbereitschaft seiner Ansicht nach abgewürgt.



EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer sieht in den Vorgaben des europäischen Stabilitätspakts "kein Hindernis für nationale Hilfsprogramme" wegen der Flutkatastrophe. Zunächst müsse geprüft werden, wie viel Geld im Haushalt umgeschichtet werden könne. Erst danach lasse sich eine Aussage darüber treffen, ob überhaupt eine höhere Neuverschuldung nötig sei, sagte Schreyer dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe). "Es ist absolut unangebracht, jetzt über den Stabilitätspakt zu reden", fügte sie hinzu.



Die Europäische Union (EU) hat Deutschland und den anderen vom Hochwasser betroffenen Ländern am Wochenende umfangreiche Hilfen zugesagt. So sollen alle Mittel aus dem EU-Strukturfonds eingesetzt werden, die nicht bereits verbraucht oder für konkrete Projekte gebunden seien, sagte Kanzler Gerhard Schröder nach einem internationalen Hochwasser-Gipfel in Berlin. Konkrete Summen nannte er nicht. Es handele sich aber um "erhebliche Beträge", da bis 2006 ausstehende Mittel genutzt werden könnten. Für geschädigte Landwirte könnten Prämienzahlungen vorgezogen und Futtermittel zu deutlich verbilligten Preisen abgegeben werden.



Außerdem soll ein Katastrophenhilfe-Fonds gebildet werden, um künftig direkt reagieren zu können. Laut Schröder soll der Fonds, der vermutlich erst im kommenden Jahr aufgelegt werden könne, in einer ersten Stufe mit 500 Mio EUR ausgestattet werden. Der Fonds muss vom Europäischen Rat gebilligt werden. Zu den weiteren Maßnahmen zählten auch Hilfen für Gewerbetreibende. So sollten Beihilfen abweichend von den geltenden Regeln auch dann bewilligt werden, wenn sie bereits gewährt, "aber als Folge des Hochwassers weggeschwemmt" wurden. An Montag solle mit der Klärung der Einzelheiten für den Einsatz der EU-Gelder begonnen werden.



EU-Kommissionspräsident Romano Prodi sagte, die Europäische Investitionsbank (EIB) bereite ein besonderes Kreditvergabeprojekt für alle vier betroffenen Länder vor. Der Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, Wolfgang Roth, sicherte der Bundesregierung volle Unterstützung zu. Die EIB sei bereit, ein Sonderprogramm für die betroffenen Länder Deutschland, Österreich, Tschechien und die Slowakei aufzulegen, erklärte Roth am Sonntag in Luxemburg. Zinsgünstige Darlehen mit Laufzeiten bis zu 30 Jahren sollten zur Finanzierung des Wiederaufbaus beitragen. Die Bereitstellung der Kredite werde "kurzfristig und unbürokratisch" erfolgen.


vwd/AFP/12/19.8.2002/bp/cv