Endzeit der Ideologien
(Zeit sich loszusagen)
These 1
Logisch ist es, behauptete Existenz zu beweisen. Nichtexistenz kann und muss nicht bewiesen werden. Es gibt keinerlei verlässliche Hinweise auf die Existenz eines Gottes.
Nach der Logik gibt es keine Umkehrung der Beweislast. Der „Atheist" ist kein Gottesleugner, der Religiöse ist ein Getäuschter oder/und ein Täuscher.
Ideologisches Denken setzt Glauben vor Logik und Wissenschaftlichkeit. Nur wer sich aus den ideologischen Fesseln eines geschlossenen Gedankensystems befreien will, kann dies auch tun.
Für die Menschheit ist es im Zeitalter der Globalisierung höchste Zeit, die überholten und widersprüchlichen Gedanken- und Verhaltenskonstrukte früherer Gesellschaften und Zeiten schneller abzustreifen, als es sich derzeit noch abzeichnet. Die rasch zusammenwachsende moderne Welt mit ihren technisch hochgerüsteten Wirtschafts- und Militärapparaten kann sich tiefgehende Zerwürfnisse aus religiösen Motiven nicht mehr leisten.
Dazu ist eine offene inhaltliche Auseinandersetzung nötig, die besonders für die Existenzen in den religiösen Organisationen weitreichende Konsequenzen haben könnte und dort naturgemäß große Ängste und Widerstände auslöst.
Je sachgerechter und inhaltsbezogener die Auseinandersetzung geführt wird, um so weniger schmerzhaft wird für die Betroffenen der Ausgang dieses historisch notwendigen Prozesses sein.
These 2
Die Idee von einem Gott als Schöpfer ist ontogenetisch eine verständliche und notwendige Fehlleistung.
Als der Mensch bei seiner geistigen Loslösung aus dem Reich der Tiere begann, vom Baum der Erkenntnis sein Brot zu essen, begegnete ihm neben der Einsicht in immer mehr kausale Zusammenhänge und naturgesetzmäßige Abläufe viele unerklärliche Erscheinungen. Je mehr er sich erklären konnte, um so deutlicher nagten diese Defizite an seinem sich festsetzenden schwachem Bewusstsein. Es musste ursächliche Kräfte auch für Erscheinungen und Abläufe geben, für die noch keine plausible Erklärung zu erkennen war. So wurden in den meisten frühmenschlichen Stämmen und Frühkulturen Naturgötter „erfunden" als Schöpfer der unverstandener Gewalten und Lebenseinflüsse. Wohl dürfte auch damals schon die Frage rätselhaft geblieben sein, wer wohl jene Schöpfer erschaffen habe, die seit jeher da gewesen sein sollen, aber angesichts der Stärke und Unmittelbarkeit der Naturgewalten war der gedankliche Ausweg zu unsichtbaren höheren Wesen ein verzeihlicher Fehlschluss der menschlichen Gedankenwelt.
Die evolutionäre Entwicklung des Menschen im geistigen Bereich bis hin zur Vorstellung des „alleinzigen Gottes als Einzelwesen und Schöpfer" ist hinreichend geklärt und nachvollziehbar.
Die Ideologiekritik der Aufklärung und besonders durch Feuerbach hat deutlich gemacht, dass der Mensch seine besten und idealsten Vorstellungen in ein höheres Wesen projiziert hat und ihnen darin im besten Falle nacheifert. Im schlimmsten Falle wendet er all seine Energie gegen „ungläubige Feinde“.
These 3
Der persönliche Tod und die Illusion des Weiterlebens nach dem Tod sind die Bastionen der religiösen Ideologien.
Es wundert, dass seitdem die Loslösung von den Ideologien nur wenig Fortschritte gemacht hat, ja dass teilweise gegenüber dem 19. Jahrhundert sogar eine Renaissance von Ideologien stattgefunden hat. Ein wesentlicher Grund ist darin zu sehen, dass der Mensch mit seinem vorhersehbaren eigenen Tod nur schwer zurecht kommt. Es ist für jedes Einzelwesen eine völlig überwältigende Vorstellung und Aufgabe, sich bewusst mit der unumstößlichen Erkenntnis
auseinanderzusetzen, dass man selbst sterben wird und das eigene Leben ein Ende hat.
Für die Sinnfindung und Lebensgestaltung ist diese im Tierreich einmalige schmerzliche Einsicht eine ständige Lebensbegleitung, die auch bei aller Verdrängung, Ablenkung und sinnvoller Lebensgestaltung empfänglich macht für Botschaften und Hoffnungen, dass es hinterher doch noch weitergehen werde, dass es ein Jenseits nach dem Tode gäbe, vielleicht sogar einen herrlichen Himmel, in den man natürlich nur mit Unterstützung der einzig wahren Religionsgemeinschaft gelangen könne. Wer möchte sich das ewige Leben schon gerne verscherzen? In der Tat ist anzunehmen, dass der Glauben an das Weiterleben nach dem Tod den meisten Menschen das irdische Leben erheblich erleichtert. Aber kann ein wahrheitsliebender Mensch, der seine Erkenntnis nicht nach seinen Interessen richtet, daran wirklich glauben?
Dies mag jeder Mensch für sich selbst beantworten, jedenfalls verstehen die religiösen Ideologien es hervorragend, aus der Endlichkeit des Einzelnen Kapital zu schlagen. Es ist ihr Kernbereich, in den schlimmsten Momenten des Lebens beim Tod naher Angehöriger den Trost zu spenden, der begierig oder auch fatalistisch auch von jenen angenommen wird, die sonst wenig auf die geforderten Lebensweisen Rücksicht nehmen. Er/sie, der die Verstorbene, ist nicht wirklich tot, lebt weiter, in einer besseren Welt, in der man ihn einst wiedersehen wird, welch berauschender, in der Not höchst willkommener Gedanke!
Aber auch das Bedürfnis nach Führung und Leitung in einer Welt, die vielen trotz moderner Bildung und Ausbildung nie so ganz klar geworden ist, bedingt die ungebrochene Stärke von Ideologien. Es ist eine alte Erfahrung und Weisheit, dass die Menschen um so leichter ideologisch verfallen, je ungebildeter sie sind. Je weniger sie lernen, kritisch zu hinterfragen, um so leichter können sie von den herrschenden Institutionen und Mächte für ihre Zwecke eingesetzt werden. So lange Führung verantwortungsvoll sich am Interesse des Volkes ausrichtet, ist dies ethisch nicht zu verurteilen.
Aus leidvollen historischen Erfahrungen aber muss unser Ziel der selbstverantwortliche Mensch sein, der im Besitz möglichst umfassender Kenntnisse und Fähigkeiten ideologiefrei seine persönlichen Lebensziele in Rücksicht und Verantwortung für seine Mitmenschen in einer möglichst demokratisch organisierten Gesellschaft verfolgt.
These 4
Ideologien und besonders Religionen dienten und dienen immer der Machterhaltung und Steuerung der Untergebenen.
Alle angeblich göttlichen Gesetze und Regeln sind ausschließlich und nachweislich von Menschen mit ganz bestimmten Interessen geschaffen und öffentlich wirksam gemacht worden. Niemals hat jemals wirklich jemand von Gott Eingebungen erhalten, die dazu
bestimmt waren, Mitmenschen zum Heil zu führen. Dabei muss den Verbreitern von „Gottes Wort" nicht böser Wille unterstellt werden, oft war der Anspruch auf Transzendenz sicher auch
die einzige Möglichkeit, sich beim Volk durchzusetzen und zum Wohle der Gemeinschaft zu wirken. Ebenso oft wurden (und werden) aber auch unter dem Missbrauch der Gläubigkeit der
Menschen diese zum Verderben geführt, wenn z.B. Kriege als von Gott gewollt betrieben und gerechtfertigt wurden wie so häufig in der menschlichen Geschichte. Moderne neurologische
Forschungsergebnisse lassen den Schuss zu, dass es keine graduellen Unterschiede gibt bei den neurophysiologischen Vorgängen im menschlichen Gehirn zwischen pathologischen
Erscheinungen und spirituellen oder drogen-bedingten „Bewusstseinserfahrungen". So gesehen erscheint so manche göttliche Erfahrung in ganz anderem Licht, braucht man sich über manches Wunder nicht zu wundern!
Auch heute stützen sich sogar in den westlichen Demokratien die politischen Führer in schwierigen Situationen bei der öffentlichen Rechtfertigung ihrer Entscheidungen noch auf den angeblichen Willen Gottes und vertrauen auf die Hilfe einer nichtexistenten personellen Macht, wenn sie Befehl zum militärischen Angriff geben. Das Volk als Souverän ermächtigt Präsidenten und Regierungsführung nicht, damit sich diese dann im Gewissenskonflikt auf höhere Wesen hinausreden.
These 5
Extra ecciesium, nulla salus - kein Heil außerhalb der Kirche! Wenn unser Gott im Recht ist, muss Allah im Unrecht sein. Die unterschiedlichen Religionen können bei ihren verschiedenen Aussagen nicht alle richtig sein.
Bei allem Verständnis für die vielgepriesene praktizierte Toleranz, die ein zeitweise friedliches Nebeneinander ermöglicht, widerspricht es dennoch den Gesetzen der Erkenntnis und der
Logik fundamental, wenn Religionen und Ideologien mit dem ihnen immanenten absoluten Wahrheitsanspruch zu völlig gegensätzlichen Aussagen und Leitsätzen kommen. Nicht alle
können gleich wahr sein, wahr könnte nur eine der vielen sein. Doch sind alle gleich unwahr, da ihr Glaubensfundament, das höhere Wesen, personell nicht existiert. Naturgesetze und
Prinzipien, die in der realen und historischen Welt tatsächlich wirksam sind und waren, eignen sich per se nicht für Ideologien.
Wissenschaftlichkeit und Falsifizierbarkeit von Aussagen sind allgegenwärtige Elemente des modernen Lebens geworden, richten sich eigenartigerweise aber nicht gegen Heilslehren und
können diese auch nicht beseitigen oder schwächen. Feigheit, Bequemlichkeit und eine sich unbeteiligt wähnende Gleichgültigkeit erscheinen als Ursachen für diese Diskrepanz. Religion ist geschützte Privatsache, jeder darf jeden Unsinn glauben!
Was die Menschheit in der heutigen Welt braucht, ist eine menschlich fundierte Ethik.
Diese hat sich seit der Aufklärung in allen Gesellschaften immer deutlicher herausgeschält und ist in vielen Verfassungen und Gesetzbüchern sichtbar und spürbar.
Sie wird sich weiter entwickeln, sie wird von Menschen weiterentwickelt. Mit der zunehmenden Globalisierung sollte diese humanistische Ethik deutlich an Gestalt gewinnen, dabei aber nicht versuchen, Ideologie- oder Religionsersatz zu werden, sondern in aller Vernunft als Fundament des humanen Zusammenlebens verstanden werden und den Ideologien ihren
positiven historischen Anteil (z.B. Nächstenliebe) am eigenen Entstehen zubilligen.
These 6
Die Menschen entscheiden sich nicht frei für einen Glauben. Religiöse Ideologien werden vererbt und meist unkritisch übernommen.
Was einer glaubt und welcher Ideologie er anhängt, hängt im wesentlichen davon ab, in welchen Kulturkreis er hineingeboren wurde und wie er aufgewachsen ist. Ein Hindu, Christ
oder Moslem wird man nicht aus freier Entscheidung, sondern weil die jeweilige Ideologie das Leben des jeweiligen Kulturkreises in Indien, in Arabien oder in Westeuropa vielfältigst prägt und diese Prägung bewußt und unbewußt auf das Individuum übertragen wird. Aus Bequemlichkeit, Opportunismus, Dankbarkeit und mangels Alternativen und Mut werden
fertige angebotene und aufgezwungene Konzepte übernommen.
These 7
Das Wirken der Religionen ist im historischen Sinn weder positiv noch negativ zu bewerten. Wahr ist, was wirklich war.
Religionskriege, Hexenverbrennungen und Verfolgung Andersdenkender sind nicht aufzuwiegen mit den unermeßlich großen und vielfältigen Taten der Liebe und der
Nächstenliebe im Namen und im Auftrag z.B. der christlichen Religionsgemeinschaften.
Gerade durch den Anspruch der liebevollen und gerechten Tat am Mitmenschen, durch vorbildliches Leben in der Nachfolge von großen Idealisten und Religionsführern, hat das
menschliche Zusammenleben immer profitiert, haben Arme, Schwache und Kranke an der menschlichen Basis der Religionen dringend notwendige Hilfe und Unterstützung erfahren.
Den Religionsgemeinschaften ist es immer gelungen, gerade bei den Jugendlichen einen großen Teil der idealistisch gesinnten, Opfer- und einsatzbereiten jungen Menschen für den
Dienst am Nächsten und an der Kirche zu gewinnen. Deren oft lebenslanger selbstloser Einsatz mit teilweise völligem Verzicht auf Familien- und Privatleben bzw. völliger Unterordnung eigener Interessen, war für die Menschen, die Hilfe erfuhren, stets positiv,
stabilisierte aber auf der anderen Seite die ideologischen Machtansprüche der religiösen Institutionen. Stets gelang es den streng hierarchisch aufgebauten Institutionen, ihre Schäflein
in die gewünschte Richtung zu treiben. Oft allzu gerne und willig folgten diese, besonders wenn der Glaube an Gottes Willen mit dem Unfehlbarkeitsanspruch religiöser Führer verknüpft
war. Und schließlich war die harte Arbeit an der „Basis" stets so umfangreich und notwendig, dass die Gutwilligen nur selten ohne schlechtes Gewissen für Stunden ruhen und ihre Führer
hinterfragen konnten.
These 8
Die Grenzen zwischen Glauben und Aberglauben sind nicht nur fließend, sondern grundsätzlich nicht vorhanden.
Gerne unterstellen vorherrschende Ideologien den anderen Ideologien Halb- und Unwahrheiten. Prinzipiell sind aber von der kleinsten Sekte bis zur Weltreligion alle Ideologien
gleich unwahr, da es ein übersinnliches Wesen oder Prinzip nicht gibt, welches es gerade mit denen gut meint, die der jeweiligen Religion angehören und loyal den jeweiligen Führern und
ihren Leitsätzen Folge leisten. Der Aberglaube unterscheidet sich im Kern nicht von Glauben, äußert sich allerdings in wesentlich gröberen, indifferenten, skurrilen und oftmals stupiden
Ausprägungen.
These 9
Der Glauben an den allmächtigen und allwissenden Gott nimmt den Menschen inschweren Konfliktfällen die Verantwortung für Ihr Handeln.
Der Allmachtsanspruch der monotheistischen Religionen unserer Zeit schließt einen bemerkenswerten Denkfehler ein, der allerdings den jeweiligen Gläubigen scheinbar wenig
Probleme bereitet hat. Während es jeweils natürlich nur den einen Gott der Juden, der Christen, der Moslems usw. gibt und alle anderen Religionen irren, ist der eigene Gott
allmächtig und allwissend zugleich. Nun könnte natürlich der unglückliche Mensch Gott an seinem Leid die Schuld geben, wofür er aber Verdammnis fürchten muss. Gleichzeitig wusste
der allwissende Gott schon vorher, was passieren würde, bzw. was er geschehen lassen würde. Wo bleibt da die vielgepriesene Freiheit des Menschen, die Freiheit, die ja auch Voraussetzung für verantwortbares schuldiges und sündiges Handeln ist? Man kann am Ende doch nur so handeln, wie Gott es vorausgewusst hat! Nicht nur Moslems hängen diesem Schicksalsglauben nach, auch bei uns trösten sich viele damit, dass das „Schicksal" und das
eigene Los unverrückbar auferlegt sei.
Ein unauflösbarer Widerspruch, der über die Jahrtausende hinweg mühevoll kaschiert wurde, aber von kritischen Menschen immer als religiöses Kernproblem angeprangert wurde.
Gottergebenheit, Demut, Schicksalsglaube sind menschliche Haltungen, die eng mit ideologisch versponnenen Lehren zu tun haben und den Menschen lahmen, sich mit der Wirklichkeit wahrhaftig, mutig und selbstvertrauend auseinanderzusetzen. Zugegeben, manchmal ist die Lüge und Täuschung viel leichter zu ertragen, als die Wahrheit, auch ein Motiv für Gutgläubigkeit. Als „Opium fürs Volk" kann in der Quintessenz das Wirken der
Religiosität durchaus beschrieben werden.
These 10
Allzu gerne wird Gott in den verschiedenen Religionen dazu benützt, Fürsprecher und Mittler für eigene Interessen zu werden.
Die Bittstellermentalität ist auf der ganzen Erde stark ausgeprägt: Geht es den Menschen gut, vergessen sie oft Gott und das Gebet, geht es ihnen schlecht, beginnen sie eilig zu betteln und versprechen „ihrem Gott" das Blaue vom Himmel, was sie in Zukunft und immerdar besser machen werden. Auch tut es oft ein Gelöbnis, das dann bei gutem Ausgang der Sache
von dem gewissenhaften Teil der Bittsteller meist eingehalten wird. So kommt es zu mancher Wallfahrt, zu mancher Prozession und zum Reichtum mancher religiöser Institution. Diese
machen sich die oft existentiellen Bedürfnisse der leidenden Menschen zunutze, an Einfallsreichtum und Organisationsgeschick hat es dazu nie gemangelt. Sie sind Meister darin, Krankheitsgenesungen für sich und ihren Gott zu beanspruchen, verfallen bei negativem Ausgang der Geschichte aber gerne dazu, Gottes Schlüsse als für den begrenzten
Menschenverstand nicht erklärlich auszugeben.
Makaber wurde (und wird) es immer, wenn friedliche Völker von ihren Machthabern gegeneinander gehetzt wurden, und beide - neben einigen mehr oder weniger erklärten Gründen - zum Kampfe für Ihren Gott und Glauben auf Leben und Tod verpflichtet wurden.
Bei letzterem war es natürlich tröstlich zu wissen, dass beim Märtyrertod für den wahren Gott der Weg ins ewige Paradies weit schneller und prächtiger ausfallen würde. Bei sehr
„fundamental" eingestellten Ideologien funktioniert dieser Wahn auch heute noch, wie wir wissen.
These 11
Die Ideologen sichern sich das Interpretationsrecht für Gottes Handeln.
Beliebt ist bei vielen Religionen auch der Trick, das „gute Wirken" auf Gott zurückzuführen, das Böse und Schlechte aber einem feindlichen Gegenwesen. Entscheidend könne dabei
natürlich immer das individuelle Verhalten den einzelnen Menschen sein. Wenn einem also Schlimmes widerfährt, sollte man schnell sich zu erinnern versuchen, was man denn Böses
oder Schlechtes gedacht oder getan habe, vielleicht sogar etwas gegen die göttlichen Institutionen auf der Erde. Da aber hin und wieder auch den fast Unfehlbaren Unbill widerfährt,
muss es wohl noch jemand geben, der trotz Gottes Allmacht gerne dazwischenfunkt. Dies lässt Gott in aller Freiheit mit Absicht zu, denn schließlich muss er gerade seine Besten prüfen und
auf die Probe stellen.(!)
Die menschlichen Ideologen maßen sich also an, Gottes Absichten und Wirken zu bewerten und zu entscheiden, wann Gott trotz seiner Allmacht Ungerechtigkeiten und Katastrophen
zuläßt. In der Tat müssen sie ja nicht fürchten, dass Gott ihre Bewertungen Lügen straft oder sie korrigiert. Sie haben sich stets das alleinige Interpretationsrecht herausgenommen,
zumindest solange sie in der religiösen Machtposition blieben. Wer die Macht hat, Gottes Willen zu äußern und zu interpretieren, erhält dazu noch scheinbar unangreifbare göttliche Autorität. Dies wird weidlich ausgenützt.
Die Erwartung von Belohnung und Strafe durch die Götter war seit menschlichen Urzeiten weit verbreitet, die Bereitschaft zur Buße, zum Opfertum und zur Willfährigkeit entstammte den
Erfahrungen des Zusammenlebens in allen Gemeinschaften, wobei die jeweils Mächtigen mit den gleichen Mitteln ihre Untergebenen behandelten und häufig mit von ihnen festgelegten
„Gottesurteilen" die weitere Entwicklung bestimmten. Reste dieser Denkweisen sind noch weit verbreitet und keimen immer wieder bei passender Gelegenheit auf.
These 12
Die religiösen Institutionen werden sich nicht von selbst auflösen.
Natürlich schwächt alle Religionen die Unhaltbarkeit ihrer fundamentalen Positionen fortlaufend, aber dem gegenüber steht naturgemäß ein zäher Selbsterhaltungsdrang und
Ausweitungszwang aller Organisationen, besonders wenn sie mit professionellen Mitteln betrieben werden. Da die religiösen Organisationen auch von der Mitgliederzahl und von den
finanziellen Möglichkeiten her zu den mächtigsten geschlossenen Gemeinschaften zählen, ist ihr „Überlebenskampf' äußerst aufwendig und vielgestaltig. Grundlegende Defizite im
Wahrheitsanspruch werden kompensiert mit vorbildlichen Anstrengungen auf sozialem Gebiet.
„Weil wir für das Gute in der Welt sind, könnt ihr auch für uns sein!"
Die Menschen wollen dort abgeholt werden, wo sie stehen. Wer für das Gute ist, braucht dafür keine Transzendenz, kein Heilsversprechen für alle Ewigkeit. Wer für das Gute ist, kann es
heute und jetzt und morgen und übermorgen tun.
Die Menschheit strebt eine neue und bewußte Ethik an. Nichts wäre falscher, als das Wirken aller religös geprägter Einrichtungen ersatzlos zu streichen, die Menschheit benötigt
besonders für die Erziehung und beständige Reorganisation klare Werte und eine Humanethik, die ihre Wurzeln durchaus in den Erfahrungen und im Wirken bisheriger Menschheitsförderer findet. Sie unterschiedet sich im wesentlichen dadurch, dass sie ihr
Wirken nicht mehr mit der Verpflichtung zum Willen eines höheren Wesens rechtfertigt, sondern auf das Wohl der Menschheit gerichtet ist mit dem Gebot der Mittel der bis heute
entwickelten Menschlichkeit.
Schlusswort
Wir wissen es, fast alle wissen es! Wer glaubt schon noch an die Wunder, wer an den leibhaftigen Teufel, wer an die jungfräuliche Geburt, obwohl sie medizinisch gesehen in der
heutigen Zeit möglich geworden ist? Wer glaubt an die Himmelfahrt, wer an das Fegefeuer?
Zu gern glauben wir an ein Weiterleben nach dem Tod, aber aus gutem Grund, aber wetten würden wir darauf nicht! Und wer verschenkt heute noch auf Erden seinen Reichtum, um
damit einen Platz im Himmel zu bekommen?
Es ist die Chance (und oft auch Bürde!) des selbständig denkenden Menschen, sich von allen Ideologien zu befreien. Der Ideologe ist unfrei, der Agnostiker der Gegenwart sagt sich los und der ethisch sich und den anderen verantwortliche Mensch ist in Zukunft das Postulat persönlicher Entwicklung und Erzeihung.
Auch heute, da zumindest in den demokratischen Gesellschaften keine Ketzer mehr verfolgt (?)werden, ist es immer noch eine Frage des Mutes, zu seinen Einsichten zu stehen, aber auch
ein Gebot der ehrlichen Selbst- und Welterkenntnis. Der Mensch heute leistet Widerstand, die Macht der ideologisch geprägten Institutionen ist aber seit der Säkularisation auf vielen
Gebieten wieder angewachsen. Das mit Adolf Hitler von der katholischen Kirche geschlossene Konkordat sichert nicht nur der Römisch-katholischen Kirche Roms, sondern im Gefolge auch
der Evangelisch-lutherischen Kirche und allen anderen anerkannten Religionsgemeinschaften komfortabelste Unterstützungsdienste durch den Staat, die zumindest partiell dem pluralistischen Geist des Grundgesetzes widersprechen, (u.a. staatlich organisierter Religionsunterricht in allen Schulen, Sammeln der Mitgliedsbeiträge der arbeitenden Bevölkerung als „Kirchensteuer").
Das Fundament des kindlichen Gottesglauben ist bröselig geworden, aber an den Gebäuden wird munter weiter gemauert, zementiert und ausgebessert. Doch gleich einer Sandburg wird er künftigen Fluten nicht mehr widerstehen. Heben wir das Ganze heraus und machen es zu einem interessanten Museum der Menschheitsgeschichte, das ist der würdige Platz aller Religionen.
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