MrAnderson
02.12.2001, 00:58
Widerstand gegen "2. Phase" des Afghanistankriegs wächst
(Le Monde, Deutschlandfunk, International Herald Tribune)
Nachdem Anfang der Woche die anglo-amerikanische Propaganda für den sofortigen Beginn der "zweiten Phase" des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus - die Kriegsausweitung auf "andere Länder" wie Somalia, Sudan und Iran, vor allem aber den Irak - zu einem wahren Trommelfeuer ausgeartet war (Wall Street Journal: "Vierter Weltkrieg"; New York Post: "Auf nach Bagdad"), formiert sich jetzt eine wachsende internationale Opposition gegen diese geopolitische Eskalation, die tatsächlich die Gefahr eines allgemeinen Nahost-Kriegs und damit letztendlich einen neuen Weltkrieg heraufbeschwört.
Daß hohe Vertreter arabischer Staaten, wie u.a. der Chef der Arabischen Liga Amr Moussa und Ägyptens Außenminister Maher El-Fayed sowie Rußlands Vizeaußenminister Saltanow in den letzten Tagen scharf gegen ein evtl. militärisches Vorgehen der USA und Großbritanniens protestierten, ist nicht weiter verwunderlich; eher erstaunt schon der Protest von Japans Verteidigungsminister General Nakatani. Daß sich aber jetzt mit dem französischen Verteidigungsminister Richard, Deutschlands Außenminister Fischer, und sogar mit Bundeskanzler Schröder die Spitzenpolitiker von "engsten NATO-Verbündeten" gegen derartige Absichten wenden, deutet darauf hin, daß die politische Klasse in Kontinentaleuropa die strategische Gefahr erkannt hat und dagegen vorgehen will.
Unmißverständlich erklärte Frankreichs Verteidigungsminister Alain Richard während eines Bulgarienbesuchs in Sofia am 28. November: "In keinem anderen Staat [außer Afghanistan] haben die führenden Politiker den internationalen Terrorismus unterstützt. Deshalb ist es unnötig, gegen andere Stellen militärisch vorzugehen." Auch Bundeskanzler Schröder war ähnlich deutlich, als er zu Beginn seiner Rede während der Haushaltsdebatte am 28.11. ausdrücklich vor einer Ausweitung des Anti-Terror-Kriegs auf andere Länder warnte. Unter direktem Bezug auf die aktuelle Diskussion um einen Einsatz gegen den Irak sagte der Kanzler, der noch am Vorabend ein längeres Telefonat mit Rußlands Präsident Putin geführt hatte, insbesondere sei Vorsicht "bei neuen Zielen im Nahen Osten" geboten. Schröder wörtlich: "Da könnte uns mehr um die Ohren fliegen, als wir in der Lage wären zu tragen." Außenminister Fischer erklärte in dieser Debatte, daß "alle europäischen Staaten einer Ausweitung unter Einschluß des Irak höchst skeptisch" gegenüberstünden. Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler warnte am 28.11. vor einer "Ausweitung der US-Militäraktionen auf den Irak".
Daß jetzt auch anglo-amerikanische Kreise vor einem Militärschlag gegen den Irak warnen (so Arnaud de Borchgrave, Herausgeber der notorisch anti-arabischen Washington Times und die texanische Zeitung Austin American Statesman am 27.11. sowie - wenn auch eher undeutlich - selbst Großbritanniens Premier Tony Blair tags darauf in London), ist nach Einschätzung von EIRNA nicht nur darauf zurückzuführen, daß dann sofort die internationale "Anti-Terror-Koalition" zerbrechen würde, sondern vor allem darauf, daß der dann in die Höhe schießende Ölpreis der (ohnehin schwer angeschlagenen) US-Wirtschaft bzw. dem gesamten anglo-amerikanisch dominierten Finanzsystem den Todesstoß versetzen könnte.
Enron: "Anfang vom Ende" des Systems?
Der 28. November war für den US-Energieriesen Enron, dem einstigen Vorzeigeunternehmen des Freihandels und großzügigen Wahlkampfspenders von George Bush, kein guter Tag. Obwohl die Verhandlungen mit dem Konzern Dynegy am Vortag gut gelaufen waren und man sich auf eine Halbierung des ursprünglichen Kaufpreises von Enron geeinigt hatte, konnten weder Enron noch die Gläubigerbanken des Konzerns genügend Kapital auftreiben, um die Märkte zufriedenzustellen. Als deshalb am Morgen des 28.11. die Ratingagentur Standard & Poors Enron um sechs Punkte weit auf Ramschanleihen-Niveau herunterstufte, traten die Konkurs-Klauseln in zahlreichen Anleihe- und Kreditverträgen in Kraft, was zur sofortigen Fälligkeit von etwa 3,3 bis 3,9 Mrd. $ führte. Daraufhin erklärte Dynegy am Nachmittag, es werde die geplante Fusion abblasen. Damit kamen auch die letzten Handelsaktivitäten zum Erliegen, so daß Enron auch ihre elektronische Handelssparte EnronOnline schließen mußte, die zuletzt 90% der angegebenen Gewinne des Unternehmens erwirtschaftete. Damit wurde das Unternehmen praktisch vernichtet.
Wenn nicht noch in letzter Sekunde ein sehr reicher Käufer aufkreuzt, ist Enron am Ende. Selbst ein Gläubigerschutz nach amerikanischem Konkursrecht kann nicht mehr helfen, da die Firma bereits fast das gesamte Vermögensinventar als Sicherheit für Kredite eingesetzt hat und die hochgepriesene Handelsabteilung aufgelöst wurde. Der Konzern, der in der Forbes-Liste der 500 einnahmenstärksten Unternehmen des Jahres 2000 auf Platz 7 stand und oft als die am besten geführte Firma der USA gelobt wurde, wurde zu einem verblüffenden Beispiel des Scheiterns. Der Wert der Enron-Aktie schloß am 28.11. bei 0,61 $ womit man auf eine Marktkapitalisierung von nur 454 Mio. $ kommt, ein Sturz um 99,3% von seinem Höhepunkt mit 90 $ pro Anteil und 66,5 Mrd. $ Marktkapitalisierung am 23. August 2000. Am 15. Oktober d.J., einen Tag bevor die derzeitige Krise begann, stand Enron immerhin noch bei 33,70 $ pro Aktie und 24,9 Mrd. $ Marktkapitalisierung.
Enron ist tatsächlich ein "beispielhaftes Unternehmen", nur in einem völlig anderen Sinn, als es Forbes und die Finanzwelt noch im Vorjahr dargestellt haben, als man die Firma wegen ihrer Rekordgewinne und brillanten Strategie als "Erfolgsgeschichte" feierte. Enrons Erfolg basierte auf der konsequenten Umsetzung der Freihandelslehre, dem Recht des Stärkeren: Alles ist erlaubt, solange man nicht erwischt wird. Vor allem basierte der Erfolg auf buchhalterischen Tricks: Gewinne werden übertrieben, Verluste verschleiert, Schulden aus der Bilanz herausgerechnet, wobei die Buchhalter, Wirtschaftsprüfer und Anwälte - auch die der Wallstreet - beide Augen zudrücken. In der angloamerikanischen und zunehmend auch in der kontinentaleuropäischen Geschäftswelt sind diese "Tricks" inzwischen längst üblich. Enron hat nur das gemacht, was im globalen Finanzsystem tagtäglich geschieht, um das Finanzsystem am Laufen zu halten.
Enron ist daher keine Ausnahme, sondern gewährt einen Blick auf die Zukunft - des ganzen Systems. "Ganz sicher werden heute bei der [US-Zentralbank] Federal Reserve alle Alarmglocken schrillen", erklärte ein Insider der City of London am 29.11. gegenüber EIRNA, denn dieser Bankrott sei "nicht nur eine Krise von Enron, sondern der Beginn künftiger Krisen".
(Le Monde, Deutschlandfunk, International Herald Tribune)
Nachdem Anfang der Woche die anglo-amerikanische Propaganda für den sofortigen Beginn der "zweiten Phase" des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus - die Kriegsausweitung auf "andere Länder" wie Somalia, Sudan und Iran, vor allem aber den Irak - zu einem wahren Trommelfeuer ausgeartet war (Wall Street Journal: "Vierter Weltkrieg"; New York Post: "Auf nach Bagdad"), formiert sich jetzt eine wachsende internationale Opposition gegen diese geopolitische Eskalation, die tatsächlich die Gefahr eines allgemeinen Nahost-Kriegs und damit letztendlich einen neuen Weltkrieg heraufbeschwört.
Daß hohe Vertreter arabischer Staaten, wie u.a. der Chef der Arabischen Liga Amr Moussa und Ägyptens Außenminister Maher El-Fayed sowie Rußlands Vizeaußenminister Saltanow in den letzten Tagen scharf gegen ein evtl. militärisches Vorgehen der USA und Großbritanniens protestierten, ist nicht weiter verwunderlich; eher erstaunt schon der Protest von Japans Verteidigungsminister General Nakatani. Daß sich aber jetzt mit dem französischen Verteidigungsminister Richard, Deutschlands Außenminister Fischer, und sogar mit Bundeskanzler Schröder die Spitzenpolitiker von "engsten NATO-Verbündeten" gegen derartige Absichten wenden, deutet darauf hin, daß die politische Klasse in Kontinentaleuropa die strategische Gefahr erkannt hat und dagegen vorgehen will.
Unmißverständlich erklärte Frankreichs Verteidigungsminister Alain Richard während eines Bulgarienbesuchs in Sofia am 28. November: "In keinem anderen Staat [außer Afghanistan] haben die führenden Politiker den internationalen Terrorismus unterstützt. Deshalb ist es unnötig, gegen andere Stellen militärisch vorzugehen." Auch Bundeskanzler Schröder war ähnlich deutlich, als er zu Beginn seiner Rede während der Haushaltsdebatte am 28.11. ausdrücklich vor einer Ausweitung des Anti-Terror-Kriegs auf andere Länder warnte. Unter direktem Bezug auf die aktuelle Diskussion um einen Einsatz gegen den Irak sagte der Kanzler, der noch am Vorabend ein längeres Telefonat mit Rußlands Präsident Putin geführt hatte, insbesondere sei Vorsicht "bei neuen Zielen im Nahen Osten" geboten. Schröder wörtlich: "Da könnte uns mehr um die Ohren fliegen, als wir in der Lage wären zu tragen." Außenminister Fischer erklärte in dieser Debatte, daß "alle europäischen Staaten einer Ausweitung unter Einschluß des Irak höchst skeptisch" gegenüberstünden. Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler warnte am 28.11. vor einer "Ausweitung der US-Militäraktionen auf den Irak".
Daß jetzt auch anglo-amerikanische Kreise vor einem Militärschlag gegen den Irak warnen (so Arnaud de Borchgrave, Herausgeber der notorisch anti-arabischen Washington Times und die texanische Zeitung Austin American Statesman am 27.11. sowie - wenn auch eher undeutlich - selbst Großbritanniens Premier Tony Blair tags darauf in London), ist nach Einschätzung von EIRNA nicht nur darauf zurückzuführen, daß dann sofort die internationale "Anti-Terror-Koalition" zerbrechen würde, sondern vor allem darauf, daß der dann in die Höhe schießende Ölpreis der (ohnehin schwer angeschlagenen) US-Wirtschaft bzw. dem gesamten anglo-amerikanisch dominierten Finanzsystem den Todesstoß versetzen könnte.
Enron: "Anfang vom Ende" des Systems?
Der 28. November war für den US-Energieriesen Enron, dem einstigen Vorzeigeunternehmen des Freihandels und großzügigen Wahlkampfspenders von George Bush, kein guter Tag. Obwohl die Verhandlungen mit dem Konzern Dynegy am Vortag gut gelaufen waren und man sich auf eine Halbierung des ursprünglichen Kaufpreises von Enron geeinigt hatte, konnten weder Enron noch die Gläubigerbanken des Konzerns genügend Kapital auftreiben, um die Märkte zufriedenzustellen. Als deshalb am Morgen des 28.11. die Ratingagentur Standard & Poors Enron um sechs Punkte weit auf Ramschanleihen-Niveau herunterstufte, traten die Konkurs-Klauseln in zahlreichen Anleihe- und Kreditverträgen in Kraft, was zur sofortigen Fälligkeit von etwa 3,3 bis 3,9 Mrd. $ führte. Daraufhin erklärte Dynegy am Nachmittag, es werde die geplante Fusion abblasen. Damit kamen auch die letzten Handelsaktivitäten zum Erliegen, so daß Enron auch ihre elektronische Handelssparte EnronOnline schließen mußte, die zuletzt 90% der angegebenen Gewinne des Unternehmens erwirtschaftete. Damit wurde das Unternehmen praktisch vernichtet.
Wenn nicht noch in letzter Sekunde ein sehr reicher Käufer aufkreuzt, ist Enron am Ende. Selbst ein Gläubigerschutz nach amerikanischem Konkursrecht kann nicht mehr helfen, da die Firma bereits fast das gesamte Vermögensinventar als Sicherheit für Kredite eingesetzt hat und die hochgepriesene Handelsabteilung aufgelöst wurde. Der Konzern, der in der Forbes-Liste der 500 einnahmenstärksten Unternehmen des Jahres 2000 auf Platz 7 stand und oft als die am besten geführte Firma der USA gelobt wurde, wurde zu einem verblüffenden Beispiel des Scheiterns. Der Wert der Enron-Aktie schloß am 28.11. bei 0,61 $ womit man auf eine Marktkapitalisierung von nur 454 Mio. $ kommt, ein Sturz um 99,3% von seinem Höhepunkt mit 90 $ pro Anteil und 66,5 Mrd. $ Marktkapitalisierung am 23. August 2000. Am 15. Oktober d.J., einen Tag bevor die derzeitige Krise begann, stand Enron immerhin noch bei 33,70 $ pro Aktie und 24,9 Mrd. $ Marktkapitalisierung.
Enron ist tatsächlich ein "beispielhaftes Unternehmen", nur in einem völlig anderen Sinn, als es Forbes und die Finanzwelt noch im Vorjahr dargestellt haben, als man die Firma wegen ihrer Rekordgewinne und brillanten Strategie als "Erfolgsgeschichte" feierte. Enrons Erfolg basierte auf der konsequenten Umsetzung der Freihandelslehre, dem Recht des Stärkeren: Alles ist erlaubt, solange man nicht erwischt wird. Vor allem basierte der Erfolg auf buchhalterischen Tricks: Gewinne werden übertrieben, Verluste verschleiert, Schulden aus der Bilanz herausgerechnet, wobei die Buchhalter, Wirtschaftsprüfer und Anwälte - auch die der Wallstreet - beide Augen zudrücken. In der angloamerikanischen und zunehmend auch in der kontinentaleuropäischen Geschäftswelt sind diese "Tricks" inzwischen längst üblich. Enron hat nur das gemacht, was im globalen Finanzsystem tagtäglich geschieht, um das Finanzsystem am Laufen zu halten.
Enron ist daher keine Ausnahme, sondern gewährt einen Blick auf die Zukunft - des ganzen Systems. "Ganz sicher werden heute bei der [US-Zentralbank] Federal Reserve alle Alarmglocken schrillen", erklärte ein Insider der City of London am 29.11. gegenüber EIRNA, denn dieser Bankrott sei "nicht nur eine Krise von Enron, sondern der Beginn künftiger Krisen".