Sadim
23.10.2001, 15:08
von Doc Baumann (Bikers News)
Der Wunschtraum aller Diebe ist es sicherlich, das Eigentum ihrer Opfer entwenden zu können, ohne daß diese in großes Geschrei ausbrechen. Hilfreich ist, wenn die Bestohlenen es nicht merken – geradezu ideal, wenn sie es mitkriegen und auch noch damit einverstanden sind.
Man kann uns nicht nur Brieftaschen oder Zündschloßschlüssel klauen, sondern auch Rechte. Niemand gibt bereitwillig Rechte her, besonders dann nicht, wenn er weiß, wie lange es gedauert hat, sie mühsam gegen die Obrigkeit zu erkämpfen. Und daß es ziemlich unwahrscheinlich ist, sie unbeschadet wiederzukriegen, wenn sie erst mal weg sind. Wenn die Bürger allerdings davon überzeugt werden können, daß es im Interesse von Größerem und letztlich in ihrem eigenen nur gut für sie ist, auf überflüssige Rechte zu verzichten, dann sehen sie das gern ein. Man will ja nicht bockig erscheinen.
Die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington haben nun die passende Gelegenheit geschaffen, verbliebene Bürgerrechte gleich bündelweise abzuschaffen, und kaum jemand erhebt seine Stimme dagegen. Da keiner von uns Opfer eines weiteren Terrorangriffs werden möchte, müssen diejenigen, die ihn ausführen könnten, ermittelt und festgenommen werden. Wir wollen weder in Flugzeugen, die als Bomben mißbraucht werden, in Hochhäuser oder Atomkraftwerke stürzen noch von heimtückisch verstreuten Viren zu Tode gebracht werden.
Nach den Anschlägen und den Tausenden von unschuldigen Toten, die ihnen zum Opfer gefallen sind, verkündeten unsere Politiker mit großen Worten, daß es nun die Zivilisation zu verteidigen gelte. Sie haben es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber Zivilisationen verteidigt man immer gegen Barbaren. Von denen unterscheiden wir zivilisierten Menschen uns dadurch, daß wir die höheren und richtigeren Werte haben. Das wußten schon die Kreuzfahrer im Mittelalter, als sie zahllose Orientalen – Muslime, Juden und Christen – im Zeichen des Kreuzes abgeschlachtet haben.
Nun wird kaum jemand den Taliban in Afghanistan eine Träne nachweinen, einschließlich der dortigen unterdrückten und dem Hungertode nahen Bevölkerung. Und so schwierig angebliche Überlegenheit zu begründen ist, wenn man eigene und fremde Werte miteinander vergleicht, nehme ich der Einfachheit halber an, daß unsere „besser“ sind, daß also deutlich mehr Menschen ihr Leben auf ihrer Grundlage führen möchten. (Wobei man sich schon fragen sollte, wenn man weiter als bis zum Begriff „Fanatismus“ denkt, warum zahlreiche Menschen in islamischen Ländern für bin Laden auf die Straßen gehen?)
Die angenommene Überlegenheit unserer Zivilisation und unserer Werte ist allerdings keine Glaubensfrage, sondern muß sich dadurch beweisen, daß die Rechte der Menschen hier besser als dort gewahrt werden. Die unschuldigen Menschen, die bei den westlichen Bomben- und Raketenangriffen sterben, gefallene, brutal zum afghanischen Militärdienst gezwungene Soldaten – sie sind genauso tot wie die Sekretärinnen und Büroboten im World Trade Center oder im Pentagon. Daß sie eigentlich gar nicht gemeint waren, sondern daß ihr Tod als sogenannter „Kollateralschaden“ in Kauf genommen wird, ist ihnen erstens egal, zweitens zynisch und drittens kein sonderlich überzeugender Beweis für die Überlegenheit westlicher Werte.
In den Ländern des Westens selbst – und für uns von vorrangigem Interesse: in Deutschland – zeigt sich jene zivilisatorische Überlegenheit in der Ausprägung der Bürgerrechte. Aber wenn die binnen Wochenfrist so wohlüberlegt demontiert werden wie nach jenem entsetzlichen 11. September, gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, wie die neuen Beschränkungen in Behördenschubladen dem Tag entgegenfieberten, an dem sich die Gelegenheit zum Ausschlüpfen bot.
Sind Rasterfahndung, erneute Kronzeugenregelung, Kontenüberwachungen und dergleichen erst einmal gesetzlich verankert, glaubt wohl niemand daran, daß ihre Anwendung auf fanatische Terroristen beschränkt bleibt. Nach dem nächsten Anschlag stimmen wohl selbst die Zweifler dem CDU-Vorschlag zu, die Bundeswehr künftig auch im Inland einzusetzen. Später vielleicht in Luckau?
Es ist keine Frage, daß außergewöhnliche Umstände außergewöhnliche Lösungen erfordern. Man darf jenen, die Menschenrechte und Freiheit ausnutzen, um Leben zu zerstören, nicht abwartend zuschauen. „Die“ Amerikaner – in ein paar Wochen vielleicht auch „die“ Europäer – als legitime Mordopfer zum Abschuß freizugeben ist ebenso verwerflich wie das, was wir an hiesigen Rassisten hassen. Politiker lassen sich in solchen Situationen ungern zur Besonnenheit mahnen, wo sich Ängste so wirkungsvoll ausnutzen lassen und sich deutliche Mehrheiten danach drängen, ihre Bürgerrechte an der Garderobe abgeben zu dürfen. Der Wahlausgang in Hamburg ist da nur ein Beleg. Miesmacherei wie diese hier ist da nicht gern gesehen.
Natürlich ist es viel schwieriger, in einer solchen Lage das Recht auf staatlichen Schutz einerseits und Freiheitsrechte andererseits abzuwägen, als die verkündeten Lösungen zu kritisieren. Aber ich bin nun mal Journalist und kein gewählter Politiker, und jeder hat seine Aufgaben. Zugegeben, es ist nachvollziehbar, daß Schutz vor Terror nicht ohne Einschränkung von Rechten zu haben ist. Aber diese Einschränkungen müssen begrenzt werden, in ihrer Geltung wie in ihrer Dauer.
Sonst ist leicht absehbar, wie sich die neuen Instrumente irgendwann gegen jeden richten werden, der unbequem scheint.
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Der Wunschtraum aller Diebe ist es sicherlich, das Eigentum ihrer Opfer entwenden zu können, ohne daß diese in großes Geschrei ausbrechen. Hilfreich ist, wenn die Bestohlenen es nicht merken – geradezu ideal, wenn sie es mitkriegen und auch noch damit einverstanden sind.
Man kann uns nicht nur Brieftaschen oder Zündschloßschlüssel klauen, sondern auch Rechte. Niemand gibt bereitwillig Rechte her, besonders dann nicht, wenn er weiß, wie lange es gedauert hat, sie mühsam gegen die Obrigkeit zu erkämpfen. Und daß es ziemlich unwahrscheinlich ist, sie unbeschadet wiederzukriegen, wenn sie erst mal weg sind. Wenn die Bürger allerdings davon überzeugt werden können, daß es im Interesse von Größerem und letztlich in ihrem eigenen nur gut für sie ist, auf überflüssige Rechte zu verzichten, dann sehen sie das gern ein. Man will ja nicht bockig erscheinen.
Die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington haben nun die passende Gelegenheit geschaffen, verbliebene Bürgerrechte gleich bündelweise abzuschaffen, und kaum jemand erhebt seine Stimme dagegen. Da keiner von uns Opfer eines weiteren Terrorangriffs werden möchte, müssen diejenigen, die ihn ausführen könnten, ermittelt und festgenommen werden. Wir wollen weder in Flugzeugen, die als Bomben mißbraucht werden, in Hochhäuser oder Atomkraftwerke stürzen noch von heimtückisch verstreuten Viren zu Tode gebracht werden.
Nach den Anschlägen und den Tausenden von unschuldigen Toten, die ihnen zum Opfer gefallen sind, verkündeten unsere Politiker mit großen Worten, daß es nun die Zivilisation zu verteidigen gelte. Sie haben es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber Zivilisationen verteidigt man immer gegen Barbaren. Von denen unterscheiden wir zivilisierten Menschen uns dadurch, daß wir die höheren und richtigeren Werte haben. Das wußten schon die Kreuzfahrer im Mittelalter, als sie zahllose Orientalen – Muslime, Juden und Christen – im Zeichen des Kreuzes abgeschlachtet haben.
Nun wird kaum jemand den Taliban in Afghanistan eine Träne nachweinen, einschließlich der dortigen unterdrückten und dem Hungertode nahen Bevölkerung. Und so schwierig angebliche Überlegenheit zu begründen ist, wenn man eigene und fremde Werte miteinander vergleicht, nehme ich der Einfachheit halber an, daß unsere „besser“ sind, daß also deutlich mehr Menschen ihr Leben auf ihrer Grundlage führen möchten. (Wobei man sich schon fragen sollte, wenn man weiter als bis zum Begriff „Fanatismus“ denkt, warum zahlreiche Menschen in islamischen Ländern für bin Laden auf die Straßen gehen?)
Die angenommene Überlegenheit unserer Zivilisation und unserer Werte ist allerdings keine Glaubensfrage, sondern muß sich dadurch beweisen, daß die Rechte der Menschen hier besser als dort gewahrt werden. Die unschuldigen Menschen, die bei den westlichen Bomben- und Raketenangriffen sterben, gefallene, brutal zum afghanischen Militärdienst gezwungene Soldaten – sie sind genauso tot wie die Sekretärinnen und Büroboten im World Trade Center oder im Pentagon. Daß sie eigentlich gar nicht gemeint waren, sondern daß ihr Tod als sogenannter „Kollateralschaden“ in Kauf genommen wird, ist ihnen erstens egal, zweitens zynisch und drittens kein sonderlich überzeugender Beweis für die Überlegenheit westlicher Werte.
In den Ländern des Westens selbst – und für uns von vorrangigem Interesse: in Deutschland – zeigt sich jene zivilisatorische Überlegenheit in der Ausprägung der Bürgerrechte. Aber wenn die binnen Wochenfrist so wohlüberlegt demontiert werden wie nach jenem entsetzlichen 11. September, gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, wie die neuen Beschränkungen in Behördenschubladen dem Tag entgegenfieberten, an dem sich die Gelegenheit zum Ausschlüpfen bot.
Sind Rasterfahndung, erneute Kronzeugenregelung, Kontenüberwachungen und dergleichen erst einmal gesetzlich verankert, glaubt wohl niemand daran, daß ihre Anwendung auf fanatische Terroristen beschränkt bleibt. Nach dem nächsten Anschlag stimmen wohl selbst die Zweifler dem CDU-Vorschlag zu, die Bundeswehr künftig auch im Inland einzusetzen. Später vielleicht in Luckau?
Es ist keine Frage, daß außergewöhnliche Umstände außergewöhnliche Lösungen erfordern. Man darf jenen, die Menschenrechte und Freiheit ausnutzen, um Leben zu zerstören, nicht abwartend zuschauen. „Die“ Amerikaner – in ein paar Wochen vielleicht auch „die“ Europäer – als legitime Mordopfer zum Abschuß freizugeben ist ebenso verwerflich wie das, was wir an hiesigen Rassisten hassen. Politiker lassen sich in solchen Situationen ungern zur Besonnenheit mahnen, wo sich Ängste so wirkungsvoll ausnutzen lassen und sich deutliche Mehrheiten danach drängen, ihre Bürgerrechte an der Garderobe abgeben zu dürfen. Der Wahlausgang in Hamburg ist da nur ein Beleg. Miesmacherei wie diese hier ist da nicht gern gesehen.
Natürlich ist es viel schwieriger, in einer solchen Lage das Recht auf staatlichen Schutz einerseits und Freiheitsrechte andererseits abzuwägen, als die verkündeten Lösungen zu kritisieren. Aber ich bin nun mal Journalist und kein gewählter Politiker, und jeder hat seine Aufgaben. Zugegeben, es ist nachvollziehbar, daß Schutz vor Terror nicht ohne Einschränkung von Rechten zu haben ist. Aber diese Einschränkungen müssen begrenzt werden, in ihrer Geltung wie in ihrer Dauer.
Sonst ist leicht absehbar, wie sich die neuen Instrumente irgendwann gegen jeden richten werden, der unbequem scheint.
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