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Vollständige Version anzeigen : Linux im Bundestag


Walpurgis
10.10.2001, 12:30
Glaubenskriege gibt es nicht nur in der wirklichen Welt, sondern auch in der virtuellen. Seit Jahren streiten Computer-Fans heftig über das «richtige» Betriebssystem - auf der einen Seite die Anhänger von Microsoft Windows, auf der anderen die Kämpfer für Freie Software und Linux. Nun könnte der Streit auch Deutschlands höchstes Verfassungsorgan erreichen - den Deutschen Bundestag.

Derzeit wird ernsthaft geprüft, die mehr als 5000 PCs der Abgeordneten und Verwaltungsangestellten von Windows auf Linux umzustellen. Ein kühner Plan. Denn wenn so etwas erst Schule macht, steht letztlich das Microsoft-Monopol in allen deutschen Behörden zur Disposition. Mit Linux, so schätzen Experten, könnte allein der Bund rund 250 Millionen Mark sparen, landesweit wären es etwa fünf Milliarden. Linux ist nämlich kostenlos.

Beim Riesen aus Redmond indessen scheint das Thema trotz alledem noch nicht allzu große Besorgnis auszulösen. Zwar hat Microsoft soeben einen millionenschweren Vertrag mit der Frankfurter Hunzinger PR GmbH verlängert, doch da gebe es «konkret keinen Zusammenhang» mit den Planungen in der Bundestagsverwaltung, sagt Moritz Hunzinger. Allerdings habe sich das Unternehmen um manche Dinge wohl «nicht ausreichend gekümmert», räumt der PR-Mann vorsichtig ein, zu dessen Kunden liebestolle Verteidigungsminister ebenso gehören wie arabische und osteuropäische Staatoberhäupter.

Und so arrangieren Hunzingers Mitarbeiter seit drei Jahren Treffen mit den Mächtigen des Microsoft-Imperiums. Auch Abgeordnete aus Bund und Ländern würden regelmäßig Besuch von Bill Gates, Steve Ballmer & Co. bekommen. Bei einer Microsoft-Veranstaltung jüngst in Bayern sei sogar «das halbe Europa-Parlament» dabei gewesen, schwärmt Hunzinger.

Ob PR allein wohl reicht? Auch bei den Entscheidungsträgern im Deutschen Bundestag wurde ein Microsoft-Manager vor Monaten vorstellig. Den Eindruck, den er bei den Parlamentariern hinterließ, war allerdings zwiespältig. «Der weiß offenbar nicht, wie man mit Abgeordneten reden muss», erinnert sich ein Teilnehmer im Zorn. Was er von Politikern solcher Art hält, hat etwa Kurt Sibold, Chef von Microsoft Deutschland, jüngst dem Handelsblatt verraten: «Es geht zu weit, dass sich die Regierung offen für Linux einsetzt.»

Kurioserweise ist Microsoft nicht ganz unschuldig daran, dass ein Umstieg auf Linux jetzt ernsthaft erwogen wird. Gegenwärtig laufen die Rechner im Bundestag nämlich noch auf Windows-NT, das die Gates-Company in einem Jahr ausmustern will.


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CU Walpurgis
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Maverick
10.10.2001, 20:46
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Walpurgis
16.11.2001, 13:17
Debatte um Linux im Bundestag verschärft sich


Der prestigeträchtige Streit um das neue Betriebssystem für die rund 5000 Rechner im Bundestag geht in die nächste Runde. Der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber hat sich in einer Stellungnahme gegen die Stigmatisierung einzelner Hersteller ausgesprochen: "Microsoft wird von manchen Teilnehmern der Debatte über die zukünftige IT-Ausstattung des Deutschen Bundestages in unverantwortlicher Weise wie ein terroristisches Netzwerk behandelt", ärgert sich der Diplom-Informatiker. Entscheidend dürften aber nicht "Emotionen" und "Ideologien" sein, sondern "ausschließlich funktionelle Anforderungen und Sicherheits-Aspekte."

Sein Kollege Jörg Tauss hatte zuvor laut überlegt, den Bundestag zur "Microsoft-freien Zone" zu erklären. Den Vorstoß Kelbers könne er im Prinzip unterstreichen, hieß es in seinem Büro. Bedacht werden müssten zusätzlich aber auch Kostengesichtspunkte. Über diese Schiene hat sich Linux in der Bundesverwaltung bereits viele Freunde geschaffen: die Koordinierungs- und Beratungsstelle (KBSt) der Bundesregierung für Informationstechnik geht von immensen Entlastungen der Haushaltskasse in Höhe von über 250 Millionen Mark bei der Umrüstung auf das offene Betriebssystem aus.

Microsoft hat gleichzeitig das Lobbying mit Hilfe der PR-Agentur Hunzinger Information verstärkt. So will der Monopolist am Montag im Rahmen des Workshops "Innovation durch Integration" seinen "Beitrag zum technischen Fortschritt" sowie neue Sicherheitsfunktionen seiner aktuellen Softwaregeneration XP gezielt der "Arbeitsebene" im Bundestag im gediegenen Ambiente der DG Bank am Brandenburger Tor vorstellen. Bereits im Laufe der Woche hatte die für Regulierungsfragen Microsofts in Berlin zuständige Mitarbeiterin, Andrea Huber, im Medien- und IT-Bereich aktive Abgeordnete zu persönlichen Gesprächen getroffen.

Seit kurzem können sich die Bundestags-Mitarbeiter in einem ihrer Bürogebäude Unter den Linden zudem eine Test-Installation von Microsoft auf Basis von Windows 2000 ansehen. Die SPD-Fraktion hat dagegen bereits vor anderthalb Monaten ein Pilotprojekt mit Rechnern gestartet, auf denen nur Open-Source-Produkte laufen. Bei dem neuen Office-Paket müsse man sich zwar etwas umgewöhnen, so ein erstes Resümee der Pioniere, doch funktionell gebe es keine großen Unterschiede.

Rot-Grün hat Mitte der Woche einen Antrag zur Zukunft der Wirtschaft in Deutschland verabschiedet, in dem sich die beiden Fraktionen für den Einsatz von Open-Source-Software stark machen. Ob sich alle Abgeordneten und ihre Büros von 2003 an mit Linux-Desktops anfreunden sollen, entscheidet aber der Ältestenrat des Bundestags. Im Februar wird mit der abschließenden Abstimmung über die Kür des neuen, Windows NT 4 ablösenden Systems gerechnet

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