Daniel
26.11.2002, 21:51
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USA/Kanada/Deutschland 2002
Regie: Michael Moore
Darsteller: Michael Moore, George W. Bush, Charlton Heston, Marilyn Manson, Matt Stone
Länge: 123 Minuten
Verleih: Prokin/Fox
Start: 21.11.2002
Ein polemisch frecher, in Cannes gekrönter Dokumentarfilm über Waffenwahn und Angst-Hysterie in Amerika. Das aktuelle Thema dürfte nicht nur wegen dem Schulmassaker von Erfurt auf enorme Medien- und Publikumsresonanz stoßen. Einer der wichtigsten Dokus des Jahres.
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Mit seiner frechen Arbeitslosen-Dokumentation “Roger and Me” hat er einst Furore gemacht. Danach freilich musste sich der provokative Politfilmer diverse Manipulationen und gefälschte Interviews in seiner Dokumentation vorwerfen lassen. Seine anschließende Satire über Kanada geriet zum Flop. Doch dann gelang Michael Moore ein verblüffendes Kunststück: mit seinem überaus linken Satirebuch „Stupid White Men“ stürmte er die Hitparaden und avancierte zum millionenschweren Bestsellerautor. Im Mai diesen Jahres machte er mit seiner Kino-Polemik zum Thema Gewalt und Waffenwahn Furore in Cannes: nicht nur, dass damit seit 40 Jahren erstmals wieder ein Dokumentarfilm im Wettbewerb startete, die Jury schuf für Moore gar eigens einen neuen Preis.
Im Zentrum steht das Schulmassaker an der Columbine High School in Littleton von 1999 – die minderjährigen Täter spielten gerne Bowling, daher der seltsame Titel. Wie in einem Kaleidoskop nähert sich Moore dem Thema Gewalt, einmal mehr mit dem Mittel des Interviews. Wie gewohnt hat der Macher dabei weder Berührungsängste vor seinen Gesprächspartnern – noch vor eigenen Eitelkeiten oder Selbstdarstellung: mit Schlabberlook und Baseball-Mütze ist er stets mit im Bild und inszeniert sich als frecher Fragensteller. Gleich zu Beginn eröffnet er ein Bankkonto – und erhält als Dankeschön-Prämie eine Waffe als Zugabe. In einen Supermarkt, der Munition an jedermann verkauft, schickt er zwei Opfer des Schulmassakers, die noch immer die Kugeln in den Knochen haben und konfrontiert die beiden mit dem Geschäftsführer.
In seinem Panoptikum der Gewalt lässt er Angehörige des Oklahoma-Bombers ebenso zu Wort kommen wie den Shock-Rocker Marilyn Manson, einen stumpfsinnigen Sheriff oder die Macher von „South Park“. Als Clou übertölpelt Moore Amerikas obersten Waffen-Propagandisten Charlton Heston und ertrotzt sich frech ein Interview mit dem rechten Oscarpreisträger. Zwischen diesen Gesprächen immer wieder Montagen zur „großen“ Politik: zu den Klängen von „What a wonderful world“ unterlegt er Videoclip-Bilder über die aggressive Außenpolitik der USA, schildert in einem hübschen Comic die kurze Gewalt-Geschichte der US-Nation oder erzählt vom friedvoll angstfreien Nachbarn Kanada, wo selbst die Haustüren traditionell unverschlossen bleiben. All das hat reichlich Unterhaltungswert, ist schön und gut und lustig und kann von allen brav beklatscht werden. Dennoch hätte etwas mehr Konzept und Analyse, ein roter, statt ein bunter Faden, diesen polemischen Meditationen über die Gewalt wohl kaum geschadet. Diverse Waffennarren allein als grenzwertig debile Trottel vorzuführen und so der Lächerlichkeit preiszugeben bleibt ohne dazugehörende Psychogramme ein bisschen plump und oberflächlich. Und wenn Moore mit den hinlänglich bekannten Originalaufnahmen der Überwachungskameras das Schulmassaker zeigt und mit dem Heulen der Opfer unterlegt, setzt er sich methodisch ins gleiche reißerische Boot jener sensationsgierigen Medien, die er danach so gerne und berechtigt attackiert.
Trotz solcher Schwächen samt einem bisweilen selbstgefällig sarkastischen Stil à la „SPIEGEL TV“ gehört „Bowling“ dank seiner respektlos provokativen Art allemal zu den wichtigsten Dokumentarfilmen des Jahres. Als Diskussionsgrundlage sollte er durchaus zum Pflichtprogramm an deutschen Schulen werden. Zumal Moore aus aktuellem Anlass nachträglich zum Deutschlandstart noch den Amoklauf von Erfurt in seinen Film einarbeiten will.
Dieter Oßwald
Quelle: programmkino.de
USA/Kanada/Deutschland 2002
Regie: Michael Moore
Darsteller: Michael Moore, George W. Bush, Charlton Heston, Marilyn Manson, Matt Stone
Länge: 123 Minuten
Verleih: Prokin/Fox
Start: 21.11.2002
Ein polemisch frecher, in Cannes gekrönter Dokumentarfilm über Waffenwahn und Angst-Hysterie in Amerika. Das aktuelle Thema dürfte nicht nur wegen dem Schulmassaker von Erfurt auf enorme Medien- und Publikumsresonanz stoßen. Einer der wichtigsten Dokus des Jahres.
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Mit seiner frechen Arbeitslosen-Dokumentation “Roger and Me” hat er einst Furore gemacht. Danach freilich musste sich der provokative Politfilmer diverse Manipulationen und gefälschte Interviews in seiner Dokumentation vorwerfen lassen. Seine anschließende Satire über Kanada geriet zum Flop. Doch dann gelang Michael Moore ein verblüffendes Kunststück: mit seinem überaus linken Satirebuch „Stupid White Men“ stürmte er die Hitparaden und avancierte zum millionenschweren Bestsellerautor. Im Mai diesen Jahres machte er mit seiner Kino-Polemik zum Thema Gewalt und Waffenwahn Furore in Cannes: nicht nur, dass damit seit 40 Jahren erstmals wieder ein Dokumentarfilm im Wettbewerb startete, die Jury schuf für Moore gar eigens einen neuen Preis.
Im Zentrum steht das Schulmassaker an der Columbine High School in Littleton von 1999 – die minderjährigen Täter spielten gerne Bowling, daher der seltsame Titel. Wie in einem Kaleidoskop nähert sich Moore dem Thema Gewalt, einmal mehr mit dem Mittel des Interviews. Wie gewohnt hat der Macher dabei weder Berührungsängste vor seinen Gesprächspartnern – noch vor eigenen Eitelkeiten oder Selbstdarstellung: mit Schlabberlook und Baseball-Mütze ist er stets mit im Bild und inszeniert sich als frecher Fragensteller. Gleich zu Beginn eröffnet er ein Bankkonto – und erhält als Dankeschön-Prämie eine Waffe als Zugabe. In einen Supermarkt, der Munition an jedermann verkauft, schickt er zwei Opfer des Schulmassakers, die noch immer die Kugeln in den Knochen haben und konfrontiert die beiden mit dem Geschäftsführer.
In seinem Panoptikum der Gewalt lässt er Angehörige des Oklahoma-Bombers ebenso zu Wort kommen wie den Shock-Rocker Marilyn Manson, einen stumpfsinnigen Sheriff oder die Macher von „South Park“. Als Clou übertölpelt Moore Amerikas obersten Waffen-Propagandisten Charlton Heston und ertrotzt sich frech ein Interview mit dem rechten Oscarpreisträger. Zwischen diesen Gesprächen immer wieder Montagen zur „großen“ Politik: zu den Klängen von „What a wonderful world“ unterlegt er Videoclip-Bilder über die aggressive Außenpolitik der USA, schildert in einem hübschen Comic die kurze Gewalt-Geschichte der US-Nation oder erzählt vom friedvoll angstfreien Nachbarn Kanada, wo selbst die Haustüren traditionell unverschlossen bleiben. All das hat reichlich Unterhaltungswert, ist schön und gut und lustig und kann von allen brav beklatscht werden. Dennoch hätte etwas mehr Konzept und Analyse, ein roter, statt ein bunter Faden, diesen polemischen Meditationen über die Gewalt wohl kaum geschadet. Diverse Waffennarren allein als grenzwertig debile Trottel vorzuführen und so der Lächerlichkeit preiszugeben bleibt ohne dazugehörende Psychogramme ein bisschen plump und oberflächlich. Und wenn Moore mit den hinlänglich bekannten Originalaufnahmen der Überwachungskameras das Schulmassaker zeigt und mit dem Heulen der Opfer unterlegt, setzt er sich methodisch ins gleiche reißerische Boot jener sensationsgierigen Medien, die er danach so gerne und berechtigt attackiert.
Trotz solcher Schwächen samt einem bisweilen selbstgefällig sarkastischen Stil à la „SPIEGEL TV“ gehört „Bowling“ dank seiner respektlos provokativen Art allemal zu den wichtigsten Dokumentarfilmen des Jahres. Als Diskussionsgrundlage sollte er durchaus zum Pflichtprogramm an deutschen Schulen werden. Zumal Moore aus aktuellem Anlass nachträglich zum Deutschlandstart noch den Amoklauf von Erfurt in seinen Film einarbeiten will.
Dieter Oßwald
Quelle: programmkino.de