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Vollständige Version anzeigen : Was ist Einsamkeit für Euch?


happyfelix
10.09.2002, 13:18
Einsamkeit

Die Augen sind blind.
Sie können die Schönheit nicht sehen,
die sich sonst tief in meine Seele versenkt.

Meine Ohren sind taub.
Sie können das Lied nicht hören,
das mir immer so viel bedeutet.

Die Muskeln sind schwach.
Sie tragen den Körper nicht,
den ich bewohne.

Die Haut ist plötzlich empfindungslos.
Sie spürt die Nadeln nicht mehr,
die sich tief ins Fleisch verbohren.

Mein Körper ist eingegossen
in eine Schicht aus wächserner Trauer,
die nur durch menschliche Wärme schmelzen will.

Die Wände starren mich feindselig an.
Sie rücken mir bedrohlich näher
und widerstehen boshaft meiner wachsenden Angst.

Das Telefon hat das Sprechen verlernt.
Es ruft mich nicht zu sich,
und doch beherrscht es die Sprache geliebter Menschen.

Die Lampe verstrahlt schwarzes Licht,
das sich erstickend über mich breitet
und mich vor der Welt versteckt.
Das Schweigen um mich herum
schreit mich erbarmungslos an.
Es wird nur übertönt durch den Schmerz.

Ich liege gelähmt auf meinem Lager
und höre die Sekunden ins Zimmer tropfen.
Sie hinterlassen eine Lache, die nicht verdunsten will.

Die Menschen der weit unter mir liegenden Welt
atmen und lieben ohne Bedacht.
Nur ich bin alleine im All.

Mein Gefährte von gestern ...
wo ist er geblieben
in der Stunde meines Versiegens?
Ich sehne mich nach ihm,
nach seiner Nähe und seiner Seele.
Wo ist sein Lachen in mir?



Habt Ihr sie auch erlebt?

Ramto
10.09.2002, 20:07
Oh, diese Form der Einsamkeit kenne ich wohl.
Am schlimmsten ist sie zu spüren, wenn man umgeben ist von anderen Menschen, die nur wie durch eine Wand getrennt auf einen einwirken können...

Möchte noch ganz bescheiden fragen, warum wir den Beitrag nicht als "eigene Textvorstellung" im Lit.-Forum vorfinden, sondern hier? :confused:
Ist aber großartig gelungen, subjektive Empfindung herüberzubringen! :top:

Ron
10.09.2002, 20:38
ich bin B E G E I S T E R T HAPPYFELIX;

besser hätte man einsamkeit nicht interpretieren können :top:
erlebt, nein happyfelix, erlebt selber noch nicht, gott sei dank

happyfelix
11.09.2002, 08:44
Oooh, danke für die Blumen!
Der Text entstand in einer Zeit tiefster Depression, als ich von der gesamten Welt mich vergessen glaubte.

Überhaupt haben mich meine persönlichen Tiefpunkte immer schreiben lassen. Irgend jemand hat mal gesagt: "Es schreibt mich!" Genau so war und ist es.

Einsamkeit ist das Schlimmste, was ich mir denken kann, unabhängig von der Ursache. Zwischenzeitlich bin ich auf zwei Foren gestoßen, die es hoffentlich nie mehr dazu kommen lassen. Dazu gehört auch Ihr, obwohl ich noch nicht lange hier bin. Ich habe das Gefühl, dass mir Verständnis entgegen kommt, dass ich eine Anlaufstelle hätte, wenn es mich mal wieder beutelt.

Sonst kennt niemand dieses Gefühl, noch das einzige lebende Wesen zu sein? Das alles um Euch herum versteinert ist?

Glücklich könnt Ihr Euch schätzen. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass Ihr das auch nie erleben werdet.:yinyang:

Ramto, dass Du das verstehst und kennst, hat mich nicht verwundert; wir scheinen tatsächlich einige Parallelen zu haben, nicht nur die Felixe. :ball:

Danke jedenfalls für die Worte. Äääähm, Literaturforum? Soll ich?

Pacifica
11.09.2002, 11:32
Hallo happyfelix ... Ich habe dich noch gar nicht richtig begrüsst, denn ich war ein paar Tage in Uebersee. Herzlich willkommen auch von mir. Schön, dass du den Weg hierher gefunden hast. :)

Deine Gedicht: einsame Spitze :super:

Gottseidank kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich selber je in einer solchen Lage gewesen sein sollte. Und trotzdem kann ich dieses schwarze Loch nachempfinden.

Literatur-Forum? Der Form nach würde dein Gedicht dorthin passen.
Aber wenn wir zum Theme eine Diskussion enfachen möchte, passt es hier ebenso gut. Oder auch ins Heart Café .... unsere Uebergänge zwischen den Foren sind schleichend. Ich finde, dass jeder Beitrag dort am richtigen Ort ist, wo ihn der Schreiber gerade hinschreiben wollte.

Ramto
11.09.2002, 11:48
*schwanzeinziehend davonschleich* :D

tina
11.09.2002, 12:47
hi happyfelix,

ich bin sicher, alle hier haben solche momente schon gehabt.
aber sind weltmeister im verdrängen.
und solche begegnungen mit dem tod (darum geht es ja wohl hauptsächlich) gehen nunmal an die substanz. ein thema, das unangenehm ist, man wegschieben will. und das man gern vergisst, geht es wieder aufwärts.

solche gefühle hatte ich nur wenige male in meinem leben.
es sind ja schon einige menschen in meinem umfeld gestorben,
und viele menschen erlebte ich von berufs wegen sterbend.
an meine "substanz" ging aber nur der tod meines cousins
und der tod meines 1. hundes. werden sicher wenige verstehen.
beim tode meiner mutter, bei dem ich dabei war, habe ich es letztlich als erlösung empfunden, ihr wurde viel leid erspart.
und irgendwie empfinde ich es so, sie ist gar nicht richtig weg.

klar kann man auch einsam sein, von todeserlebnissen unabhängig. aber diese art von einsamkeit ist dann nicht so tiefgehend, bei mir jedenfalls.

schön, dass du gern hier bist, mir gehts ja genauso;)

Pacifica
11.09.2002, 18:25
*happyfelix, wie konnte ich nur ... "Literaturforum", dort unter "Reime" na klar na klar, hier gehört doch das Gedicht nicht hin ... FALSCHES FORUM ... Literaturforum, du weisst? Weisst du wo? Völlig falsch hier ... Literatur ..... ;)

Ramto
11.09.2002, 19:13
@ happyfelix: Die auf Engelsflügeln Zurückgekehrte will mich auf ihre mädchenhaften Ärmchen nehmen, weiter nichts!... ;)

happyfelix
12.09.2002, 08:48
HiHi!
Hoffentlich steht da jemand mit einer Kamera dabei und wir bekommen die Szene im Bilderforum zu sehen!

Eikthyrnir
13.09.2002, 18:26
Die Einsamkeit ist, so finde ich, auch in diesem alten Lied über die "Streets of London" gut beschrieben, bei dem in einer Strophe ein alter Mann vor einer Seemannsmission seine Orden betrachtet. Ihr kennt es bestimmt, den Text weiß ich jetzt nicht mehr in allen Einzelheiten.

Ramto
13.09.2002, 18:51
Das ist es wohl?! :)

Streets of London
Ralph McTell

Have you seen the old man in the closed down market
Kicking up the paper with his worn out shoes
In his eyes you see no pride
And held loosely by his side,
yesterday's paper telling yesterday's news

How can you tell me you're lonely
And say, for you, that the sun don't shine
Let me take you by the hand
And lead you through the streets of London
I'll show you something to make you change your mind

Have you seen the old gal who walks the streets of London
Dirt in her hair and her clothes in rags
She's no time for talkin, she just keeps right on walkin
Carryin her home in two carrier bags

In the all night cafe at a quarter past eleven
Same old man sitting there on his own
Looking at the world over the rim of his teacup
Each tea lasts an hour and he goes home alone

Have you seen the old man outside the seaman's mission
Memory fading like the ribbons that he wears
In our winter city, the rain cries a little pity
For one more forgotten hero in a world that doesn't care

© Westminister Music Co.