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Mr.Gent
18.03.2002, 22:12
HOLLYWOOD

Schlammschlacht um den Oscar-Thron

Wenn es um den Titel "Bester Film des Jahres" geht, kämpfen Hollywood-Studios mit allen Mitteln. Um die Oscar-Chancen des Dramas "A Beautiful Mind" zu schmälern, wurde sogar eine Diffamierungs-Kampagne gegen den Nobelpreisträger John Nash lanciert.

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AP
Russell Crowe als John Nash in "A Beautiful Mind": Beste Chancen auf den Königs-Oscar


Los Angeles - "A Beautiful Mind" gehört mit insgesamt acht Oscar-Nominierungen auch zu den fünf Anwärtern auf die begehrte Trophäe in der Königs-Kategorie "Bester Film des Jahres". Eine Woche vor der Verleihung der Filmpreise zeigt sich erneut, wie unfein die Methoden im Konkurrenzkampf hinter den Kulissen Hollywoods werden können.
Alles begann in der vergangenen Woche mit Flüstereien im Internet, offenbar ausgelöst durch gezielte Hinweise. Nach dem berühmt-berüchtigten Internetdienst "Drudge Report" stieg auch bald die Klatschpresse auf die Schmähkampagne ein: Der unter Anfällen von Schizophrenie leidende Nobelpreisträger John Nash, in "A Beautiful Mind" von Russell Crowe dargestellt, sei im wirklichen Leben eine miese Figur, hieß es. Auf Toiletten habe er junge Männer angemacht, seine Kinder habe er vernachlässigt, 1967 habe er sich gar in einem Brief als "fanatischer Antisemit" geoutet. All das sei von den Filmemachern verschwiegen worden.

Empörung allerorten: Man sei ja manches gewöhnt, aber die offensichtlich inszenierte Kampagne gegen den Oscar-Favoriten hätten selbst Hollywood-Insider "als besonders brutal empfunden", schrieb die "New York Times". Der Filmhistoriker Pete Hammond fand schlimm, wie im Kampf um die Stimmen der mehr als 5000 Mitglieder der US-Filmakademie bewusst die Antisemitismus-Karte gespielt worden sei: "Man weiß doch, dass sehr viele derjenigen, die über die Oscars abstimmen, Juden sind", so Hammond.

"Das war jenseits jedes Verantwortungsgefühls", schimpfte auch Filmstar Crowe, der für seine Nash-Darstellung auf seinen zweiten Oscar hoffen kann. Wie er wies Sylvia Nasar, die Autorin der von Ron Howard verfilmten Nash-Biografie, darauf hin, dass der Nobelpreisträger jene anti-jüdischen Äußerungen in einer Phase der Umnachtung gemacht habe. "Damals hielt er sich abwechselnd für Hiob, für einen Sklaven in Ketten, den Herrscher der Antarktis oder einen Messias." Für den Film sei der erwähnte Brief deshalb nicht relevant gewesen.

Der inzwischen 73-jährige Nash meldete sich am Wochenende sogar selbst zu Wort: Er sei absolut kein Antisemit, beteuerte er in einem Interview mit dem TV-Sender CBS, "ich hatte nur zu gewissen Zeiten verrückte Ideen", sagte der Nobelpreisträger, der seine Frau Alicia und einen seiner Söhne zu dem am Sonntag ausgestrahlten Interview mitgebracht hatte. Alicia Nash, die im Film von der ebenfalls Oscar-nominierten Jennifer Connelly gespielt wurde, sah sich zu der Erklärung gedrängt, ihr Mann sei nicht schwul. "Ich kenne ihn, seit ich 20 war. Ich würde es wissen." Der Sohn, der ebenfalls unter Schizophrenie-Anfällen leidet, erklärte, er und sein Stiefbruder seien vom Vater großzügig mit Anteilen aus dem Nobelpreis-Vermögen bedacht worden.

Dass Studios im Oscar-Kampf von Jahr zu Jahr immer größere Summen für aggressive Werbestrategien ausgeben und manchmal sogar in die Trickkiste der psychologischen Kriegsführung greifen, ist nicht neu. Wer den Hauptpreis gewinnt, kann im "Nach-Oscar-Geschäft" noch mal viele Millionen mit einem Film verdienen, der eigentlich schon längst aus den Kinos verschwunden ist. Entsprechend hart geht es zur Sache. Eine Ahnung davon bekam man 1998 durch die Propagandaschlacht zwischen Miramax ("Shakespeare in Love") und DreamWorks ("Der Soldat James Ryan"), die schließlich Miramax für sich entschied.

Diesmal ist Miramax mit "In the Bedroom" im Rennen. Der Film gilt in einem Konkurrentenfeld, zu dem auch der Fantasy-Hit "Der Herr der Ringe", das Musical "Moulin Rouge!" und Robert Altmans satirischer Krimi "Gosford Park" gehören, zwar nicht als der große Favorit. Doch er ist neben Universals "A Beautiful Mind" das einzige Drama in der Hauptkategorie, und der Wettlauf gilt in diesem Jahr als so offen wie schon lange nicht mehr.

So glaubte kaum jemand an einen Zufall, als die "Los Angeles Times" enthüllte, auch einer ihrer Reporter sei von einem Miramax-Repräsentanten gezielt auf Schattenseiten im Leben Nashs angesprochen worden.