PDA

Vollständige Version anzeigen : Texte zum Argumentationen zum Rechtsextremismus


HansA
02.01.2002, 06:11
Die extreme Rechte in der Gegenwart - ein Strukturüberblick"


Schon vor ihrer endgültigen militärischen Niederlage im zweiten Weltkrieg haben Nationalsozialisten und andere deutsche Faschisten Überlegungen getroffen, wie es danach weitergehen sollte. Auch das Verbot der NSDAP (Nationalsozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands) und aller ihrer Untergliederungen durch die Alliierten hinderten Männer , die dem faschistischen Herrschaftsapparat in untergeordneter Position gedient hatten, nicht daran, nach 1945 wieder im Sinne des Nationalsozialismus tätig zu werden. So blieben z.B. Otto Ernst Remer (Generalmajor, von Hitler wegen seines Einsatzes gegen die Attentäter vom . Juli 1944 persönlich belobigt) und Arthur Ehrhardt (SS-Hauptsturmführer) Faschisten.
Remer war im Oktober 1949 Mitbegrün der der Sozialistischen Reichspartei (SRP), die 1951 bei den Landtagswahlen in Niedersachsen elf Prozent der Stimmen erhielt und Ehrhardt, nach 1945 Teilnehmer an internationalen Treffen europäischer Treffen, rief die Zeitschrift "Nationales Europa" (1951) ins Leben.

Nach dem Verbot der SRP durch das Bundesverfassungsgericht (1952) haben außer Ehrhardt und Remer zahlreiche Hoheitsträger des NS-Regimes immer wieder versucht, eine parlamentarische Sammlungspartei zu gründen. Das gelang schließlich ansatzweise mit der Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im November 1964. So vereinte sie schon 1967 unter ihren 28.000 Mitgliedern etwa 2.400 ehemalige Nationalsozialisten (Kühnl, "Die NPD"). Zuerst als Sammlungsbecken organisiert, initiierten die Mitglieder ein nationalistisches Netzwerk aus Zeitschriften, Gruppierungen und Parteien: "Die extreme Rechte". Die heutige extreme Rechte ist vor allem durch junge Mitglieder und Aktivisten gekennzeichnet, wobei weiterhin Inhalte von alten NSDAP-Mitgliedern aufgegriffen werden. Die Rechte besteht veranschaulicht aus vier Bestandteilen: Nationalsozialisten, Nationaldemokraten, Nationalrevolutionäre und Nationalbolschewisten, wobei eine klare Abgrenzung zwischen den Gruppen nicht möglich ist, da sie ineinander übergehen.
Zu den Nationalsozialisten gehörten Gruppierungen wie die Wikingjugend (WJ), die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), die Nationale Liste, die Nationale Offensive etc., die die Wiederherstellung des Reiches als Endpunkt ihrer Bemühungen ansehen. Zu den Nationalsozialisten gehören auch die militanten Organisationen, die hauptsächlich aus der rechtsextrem orientierten Skinheadszene kommen. Die meisten Anhänger sind nicht in feste Strukturen eingebunden, sondern werden anlaßbezogen aktiv (z.B. Rudolf-Heß-Veranstaltungen, Geburtstag Adolf Hitlers, Kranzniederlegungen,...). Seit etwa 1994 ist jedoch die verstärkte Gründung sogenannter Kameradschaften zu beobachten, die ein Gefühl von Gruppenzugehörigkeit vermitteln. Diese Gruppen arbeiten autonom und sind bewußt klein gehalten (10 - 15 Mitglieder), damit die Gruppenprozesse nicht gestört werden. Insofern schaffen sie deutschlandweit ein unüberblickbares dezentrales Netz, das nicht kontrolliert werden kann. Relevante Gruppen und Gruppierungen bestehen vor allem im Raum Neubrandenburg sowie in der Kameradschaft "Teutonia" aus Neustrelitz.

Die Nationaldemokraten bestehen aus der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, dem Bund freier Bürger, der Deutschen Volksunion, der deutschen Liga für Volk und Heimat sowie Teilen der Republikanern. Ihnen geht es darum, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu verändern, was aber auf der Grundlage der demokratischen Strukturen der BRD geschehen soll.
Innerhalb dieser Gruppe kommt es immer wieder zu Wahlbündnissen (z.B. "Aktion Widerstand" oder das Bündnis zur Europawahl,...) es handelt sich aber bei den einzelnen Parteien um eigenständige und programmatisch abgegrenzte Gruppierungen. Dabei haben sich vor allem die NPD und die Republikaner lokale Strukturen geschaffen, von denen aus sie den Wahlkampf führen aber auch ihre Ideologie verbreiten. Die DVU hingegen kaum über lokale Strukturen, sie implementiert immense Mittel in den Wahlkampf (1998 in Sachsen-Anhalt etwa vier Millionen Mark) und erreicht über diese Schiene die Aufmerksamkeit der Bürger. Diese Parteien haben sich besonders den neuen Medien zugerichtet, die von ihnen als Informationsquelle aber auch als Organisationsmedium genutzt wird (z.B. das Thule-Net). In Mecklenburg - Vorpommern hat die NPD etwa 100 Mitglieder, die DVU etwa 70 und die Republikaner an die 100 Mitglieder. Die "Deutsche Liga für Volk und Heimat" existiert mittlerweile nur noch als Verein mit etwa zehn Mitgliedern. Der NPD ist es als einziger rechtsextremer Partei gelungen, ansatzweise funktionierende Strukturen in Mecklenburg - Vorpommern aufzubauen. Sie erreicht mit ihrer Zeitschrift "Der Kamerad" besonders Jugendliche und versucht in Stralsund und in der Umgebung von Neubrandenburg neue Kreisverbände zu gründen. Der DVU ist auch im letzten Jahr die beabsichtigte Gründung neuer Kreisverbände nicht gelungen. Die Strukturen beschränken sich auf wenige Ortsverbände im Bereich Rostock und Wismar, von denen jedoch keine erkennbaren Aktivitäten ausgehen. Der DVU werden aber durch das enorme finanzielle Engagement ihres Bundesvorsitzenden Gerhard Frey besonders gute Chancen im Hinblick auf die Landtagswahlen im Herbst 1998 zugerechnet. Die "Republikaner" haben in Mecklenburg - Vorpommern keine nennenswerten Aktivitäten entwickelt, abgesehen von sporadischen Landesvorstandssitzungen und einigen wenige aktiven Ortsverbänden. Trotz Zeitungsinseraten und Flugblattverteilungen stießen sie auf wenig Resonanz in der Bevölkerung.

Die Nationalbolschewisten kommen nicht als eigenständige Organisationsform vor, sondern immer nur als einzelne Eliten und Intellektuelle innerhalb der Szene. Sie sind in ihrer Bedeutung aber nicht zu unterschätzen, da viele Ideen und Konzepte aus ihrer Feder stammen, die durch andere rechte Gruppierungen umgesetzt wurden. Sie stellen sozusagen "das geistige Rückgrat" der rechtsextremen Szene dar.
Als letzte Gruppe wären noch die Nationalrevolutionäre zu nennen. Sie bestehen im wesentlichen aus der ehemaligen Nationalistischen Front und ihrer Nachfolgeorganisationen (z.B. der Sozialrevolutionären Arbeiterpartei). Zu den Nationalrevolutionären gehören aber auch Teile der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD. Diese versuchen durch Kaderschulungen, neue, gut ausgebildete Mitglieder zu werben. Sie erweist sich bundesweit als mobilisierungsfähig, da sie alte Elemente der Wikingjugend, aber auch der Hitlerjugend beinhaltet (Hierarchie, Erziehung zum Umgang mit Waffen,...). Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten haben bei der NPD und der DVU schon großen Einfluß gewonnen und damit gelten die JN als wichtiger Bestandteil der Kaderschulungen und Nachwuchsbeschaffungen. Obwohl von der ideologischen Ausrichtung her in Mecklenburg - Vorpommern ein für die JN mobilisierbares Spektrum erkennbar ist, spielt die Jugendorganisation der NPD bisher im Lande keine nennenswerte Rolle. Erkannt wurden lediglich Einzelmitgliedschaften oder Einzelkontakte. Es bleibt aber zu befürchten, das die JN mehr Einfluß bei einem weiteren Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen gewinnt.
Sie sind ebenfalls bestrebt, Kameradschaften zu gründen und haben dabei das Konzept der "befreiten Zonen" entwickelt. Das Grundkonzept ist da bei die Schaffung einer nationalen Hegemonie (nach A. Gramsi). Dabei wollen sie an den Alltag und die Lebensweise der deutschen Bürger anknüpfen und diese mit Ideologie füllen. So versuchen Mitglieder der extremen Rechten, das Vertrauen von Mitbürgern zu erwerben (Babysitting, Einkaufen für ältere Bürger, lokale Politik,...), um als Sympathieträger zu gelten. Sie gehen in diesen Zonen gegen politische Gegner vor und übernehmen im fortgeschrittenen Stadien die Funktion von Polizei und Gericht...
Diese Art von Beeinflussung der Menschen wird in Mecklenburg - Vorpommern besonders in Jugendclubs, aber auch schon in Stadtteilen, erfolgreich betrieben. Zu erkennen ist der Einfluß der Rechten von außen meist nicht, da die Akzeptanz der Bevölkerung vollständig gewonnen ist. Die Organisation der heutigen Rechten erfolgt zunehmend über die neuen Medien (InterNet, eMail, Funktelefone etc.) und versucht einzelne spontane Gewalttaten, wie z.B. in Rostock-Lichtenhagen zu instrumentalisieren und zu organisieren. Nicht zu verschweigen ist auch die rechte Musik als wichtiger Faktor, der die Gruppen eng zusammenhält und oftmals als Einstiegsdroge in die Szene fungiert (schon in der sechsten oder siebten Klasse). In ihr werden Werte wie Stolz, Treue, Stärke,... mit alten Begriffen aus der Nazi- und Kriegszeit wie Blut, Boden, Stimme der Ahnen etc. vermischt, so daß die Verbindung zum Nationalsozialismus wieder auflebt. Das Leben wird auf den politischen Kampf reduziert, wobei auch der Tod nicht als grausames Element, sondern als Heldentod stilisiert wird. Dabei kommt das starke Sendungsbewußtsein zur Geltung, daß fast zu einer neuen Gläubigkeit ausartet. Wichtige Bestandteile der Kultur der Rechten (also auch ihrer Musik) sind die nordische Religion und ihre Götterwelt mit Odin, Thor,... und besonders Valhalla als Konzentrationspunkt. Bei der Musik wird bewußt Wert auf Unprofessionalität gelegt, damit die Zuhörer sich auf gleicher Ebene wie die Musiker befinden. Neben Technomusik und Rocktiteln (Punk-Rock:confused:, Oi-Musik und Heavy Metal) sind besonders Liedermacher beliebt, wobei Frank Rennicke (Berlin) aber auch Daniel Eggers (Grevesmühlen) die bekanntesten sind.

In Mecklenburg - Vorpommern gehören Fackelumzüge zu Ehren der nordischen Götter oder zum Andenken an Rudolf Heß aber auch Rennicke - Musikabende sowie Konzerte zu den alljährlichen "Feiertagen" der Szene. Abschließend wäre zu sagen, daß die rechte Szene sehr gut organisiert ist und über erhebliche finanzielle Mittel (besonders was die DVU angeht), einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft sowie eine große Mobilität verfügt, weshalb sie sehr erfolgreich wirkt. Desweiteren ist die Szene sehr repressionskonsistent, d.h. Strafmaßnahmen oder Polizeieinsätze vermitteln unter den Rechten eher ein Gefühl von Solidarität als von Abschreckung. Die rechte Szene in Mecklenburg - Vorpommern ist bisher noch leidlich unorganisiert, tritt aber zunehmend auch mit Gewalt auf die Bilßläche (1996 waren es 45 Gewalttaten rechtsextremer Gruppierungen, 1997 hatte sich die Zahl nahezu verdoppelt).
Es bleibt auch anzunehmen, daß im "Armenhaus Deutschlands" demnächst Gruppierungen, wie die NPD oder auch die DVU sich stärker organisieren werden und vermehrt Einfluß gewinnen. Dieser Gefahr muß besonders in der Jugend- und Bildungsarbeit entschieden begegnet werden.

Literatur:
Verfassungsschutzbericht von 1997, Innenministerium M-V
"Wer und was sind die neuen Rechten", Raimund Hethey