Alt 26.10.18, 18:01
Standard So tickt die Börse: Globale Machtansprüche der Supermächte
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Hui, was für eine Woche: Nach dem heftigen Ausverkauf am Dienstag war ich von einer erfolgreichen Bodenbildung ausgegangen und sprach im Rahmen eines Updates an meine Kunden bereits vom Ende der Korrektur. Doch die US-Börsen ließen das nicht zu, es folgte am Mittwoch ein weiterer Ausverkauf, was meine Theorie zunichte machte. Nun ist eine frühzeitige Beendigung dieser Korrektur unwahrscheinlich geworden.

Hier in Europa schlagen wir uns derzeit aus Sicht der Finanzwelt mit zwei Problemen herum, die eine gemeinsame Ursache haben: Der Brexit ist das sichtbare Ergebnis der unterschiedlichen Vorstellungen der Europäer über ein geeintes Europa. Und das italienische Haushaltsbudget ist ein Schuss vor den Bug Brüssels, dass diese unterschiedlichen Vorstellungen nicht im Sinne Deutschlands ausgelegt werden dürfen, sondern auch mediterrane Ansichten berücksichtig werden sollten.

Die gemeinsame Ursache dieser Probleme ist meines Erachtens darin zu sehen, dass Kommunen, Länder, Staaten bis hin zur Staatengemeinschaft EU nach ihrer Rolle in sich verändernden Machtverhältnissen unserer Welt suchen.

In den USA wurde ein Präsident gewählt, der eine eigene Vorstellung von der Rolle seines Landes hat: Freihandel um jeden Preis. Um dieses Ziel zu erreichen, bestraft er jeden Staat, der unfaire Wettbewerbsmethoden anwendet. Allen voran ist China da ein Dorn im Auge Trumps.

Vizepräsident Mike Pence hat vor drei Wochen eine Rede gehalten, die eine erschreckende Sicht auf China eröffnet. China wird nicht nur unfairer Handel mit Hilfe von Zöllen und Handels- und Investitionsbeschränkungen vorgeworfen, sondern Pence geht auch auf den erzwungenen Knowhow-Diebstahl (seine Worte) ein bis hin zur systematischen Einflussnahme chinesischer Zensoren auf die öffentliche Meinung IN DEN USA! Er bezichtigt China der Lüge hinsichtlich ihrer militärischen Absichten, wirft dem Staatsapparat Einflussnahme bei der Bestellung von Bischöfen vor und prangert die weltweite Machtausweitung über günstige chinesische Staatsfinanzierungen an.

Wer diese Rede gehört hat, der weiß, dass China nicht durch ein Entgegenkommen bei den Handelsbeschränkungen das Wohlwollen des US-Präsidenten gewinnen kann. Hier geht es um mehr: Trump möchte China in seine Schranken verweisen, so wie es in den 80ern Präsident Ronald Reagan mit der Sowjetunion gelungen ist. Der einzige Unterschied ist, dass die Sowjetunion damals deutliche Zerfallserscheinungen zeigte, während China heute eine, wenn nicht DIE, aufstrebende Wirtschaftsmacht der Erde ist. Ich nehme an, das ist auch dem chinesischen Präsidenten Xi Jingping bewußt und daher ist China bislang auch noch nicht nennenswert auf die USA zugegangen.

Die Rede von Mike Pence können Sie hier nachlesen:
https://www.whitehouse.gov/briefing...y-toward-china/

So agiert US-Präsident Trump im Bewusstsein, dass der Kapitalismus schon beim Kalten Krieg den Kommunismus besiegt hat und nun ist eben China dran. Sowohl der russische Präsident Putin als auch Chinas Xi hingegen sehen die historisch friedlichen Zeiten der Nachkriegszeit als Resultat des gesunden Gleichgewichts verschiedener Weltmächte, wobei die absolute Dominanz der USA nach dem Zerfall der Sowjetunion eher als Ausrutscher mit unzähligen, kleinen Kriegsschauplätzen betrachtet wird.

Während die USA also für sich beanspruchen, als einzige Weltmacht den Weltfrieden sicherzustellen, arbeiten Russland und China daran, ein Gleichgewicht herzustellen, das ihrer Ansicht nach besser geeignet ist.

Wir befinden uns mitten in der Berichtssaison. Täglich prasseln Unternehmensprognosen für 2019 auf uns ein, die von der Belastung der Strafzölle sprechen, und von der Ungewissheit über das künftige Wachstum bei steigenden Zinsen. Hier die Spirale, die auf den Finanzmärkten lastet:

1. Strafzölle haben die Preise für Stahl & Aluminium so stark erhöht, dass die Nachfrage zurückgeht: Starwood Hotels berichtet von so stark angestiegenen Stahlpreisen, dass bereits einzelne Bauprojekte gestrichen werden. Auch Caterpillar hat kund getan, dass die gestiegenen Stahlkosten nicht an die Kunden weitergegeben werden können, ohne die Nachfrage zu beeinträchtigen.

2. Auch Unternehmen, für die der Effekt "vernachlässigenswert" sein sollte, spüren das inzwischen: Harley Davidson leidet nicht nur unter höheren Kosten, sondern dann auch unter Importzöllen aus der EU. So kommt es nun weltweit zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Der IWF hat kürzlich seine Wachstumsprognose reduziert, soeben ist die Wachstumserwartung einer durch die EZB-durchgeführten Umfrage veröffentlicht worden, auch hier erfolgte eine Prognosereduzierung. Entsprechend prasseln derzeit Revisionen von Analysteneinschätzungen auf den Markt. Analysten reduzieren reihenweise ihre Gewinnerwartungen für die von ihnen beobachteten Unternehmen und reduzierte Gewinnerwartungen sind an der Aktienbörse gleichbedeutend mit fallenden Aktienkursen.

Heute früh hat BASF Q-Zahlen vorgelegt, in denen die Bremsspuren dieser Entwicklung deutlich zu sehen sind. CEO Dr. Brudermüller schreibt: "Darüber hinaus zeigen sich die Auswirkungen des Handelskonflikts zwischen den USA und China. Sie führen zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, vor allem in Asien und dort insbesondere in China."

3. Fed-Chef Jay Powell sieht jedoch nur die steigenden Preise bei Stahl, Aluminium bis hin zur Harley Davidson und betrachtet dies als Inflation. Inflation ist das Schreckensgespenst der Notenbanken weltweit, denn sie könnte ausufern und das Wirtschaftsgefüge aus den Angeln heben. Um die Inflation unter Kontrolle zu halten, kündigt er also mehr Zinserhöhungen an, als Analysten, die ohnehin ihre Gewinnerwartungen zurückschrauben, recht ist.

Trump wettert bei jeder Gelegenheit über Powell und nimmt ihm damit die Möglichkeit, seinen Kurs der Zinsanhebungen zu korrigieren. Falls jemand von Ihnen einen direkten Draht zu Trump hat: Bitte sagen Sie ihm, dass er doch Bitteschön weitere Zinserhöhungen einfordern soll, weil "seine Wirtschaft" so gut laufe. Wenn er sich so in die Öffentlichkeit stellt, hat Powell die Möglichkeit, seine angekündigten vier Zinserhöhungen zurückzunehmen... ;-).

...doch ich bezweifle, dass Powell sich dieser Situation bewußt ist. Historisch gesehen hat die US-Notenbank eine verheerende Bilanz, wenn es um das Vermeiden einer Überhitzung der Konjunktur geht: Es ist stets in eine Rezession gemündet.

Ist die Fed wirklich so dumm, das nicht zu erkennen? Nun, die Antwort, die Ihnen die Fed geben wird, lautet: "Dieses mal ist alles anders".

Schauen wir uns das Debakel mal im Wochenvergleich an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (25.10.18) Woche Δ Σ '18 Δ

Dow Jones 24.985 -1,5% 0,6%
DAX 11.307 -2,4% -12,5%
Nikkei 21.247 -6,2% -6,7%
Shanghai A 2.727 4,7% -21,3%
Euro/US-Dollar 1,14 -1,1% -5,2%
Euro/Yen 127,52 -1,0% -5,5%
10-Jahres-US-Anleihe 3,14% -0,04 0,71
Umlaufrendite Dt 0,24% -0,07 -0,04
Feinunze Gold $1.232 0,3% -5,4%
Fass Brent Öl $76,89 -3,3% 15,5%
Kupfer 6.214 -0,5% -13,2%
Baltic Dry Shipping 1.516 -3,1% 11,0%
Bitcoin 6.435 -0,2% -53,7%



Dax und Dow Jones haben unter heftigen Schwankungen ein kleines Wochenminus erzielt. In Japan ist der Nikkei stärker eingebrochen, weil Trump auf seine Erfolge im Verhandeln mit Mexiko und Kanada verwies und ankündigte, nun mit Japan verhandeln zu wollen. Die Gegenbewegung in China war deutlich größer als auf den anderen Aktienmärkten, weil China zuvor auch deutlich mehr verloren hat.

Wenn internationale Anleger nach verlässlichen Anlagewährungen Ausschau halten, dann wirkt die entschlossene und durch die Militärmacht unterstützte Haltung der USA attraktiver als ein zerstrittenes Europa oder ängstliches Japan. Entsprechend hat der US-Dollar, auch unterstützt durch die deutlich höhere Rendite in den USA, wieder zulegen können.

Vor dem Hintergrund des Ausverkaufs an den Aktienmärkten hat die Flucht in den Sicheren Hafen der Anleihen zu einem Renditerückgang sowohl in den USA als auch in Deutschland geführt. Sie wissen ja: Eine erhöhte Nachfrage nach Zinspapieren führt zu steigenden Kursen dieser Anleihen und somit zu sinkenden Renditen.

Auch das Gold hat von der Flucht in Sichere Häfen profitiert und konnte weiter leicht zulegen (+0,3%). Über den schwächeren Euro führt diese Entwicklung zu einem Preisanstieg von 4% für das Gold gemessen in Euro.

Ich bleibe bei meiner Theorie, dass Saudi Arabien derzeit den weltweiten Ölmarkt flutet, um den Ölpreis zu senken und damit US-Präsident Trump gnädig zu stimmen. Es ist ein Signal Saudi Arabiens, dass eine Eskalation des Falls Khashoggi seitens Trump auch negative wirtschaftliche Auswirkungen für die USA haben würde.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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