Alt 13.04.12, 14:00
Standard Bond-Pricing - Sind die Mittelstandsanleihen richtig bepreist?
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In der Theorie wird davon ausgegangen, dass sich in einem vollkommenen Kapitalmarkt ein Gleichgewicht zwischen dem erwarteten Risiko und der erwarteten Rendite eines risikobehafteten Vermögensgegenstands bildet. Dabei werden effiziente Marktverhältnisse unterstellt, die ein falsches „Pricing“ durch fehlende Informationseffizienz oder mangelnde Liquidität ausschließen.

Bei der Mittelstandsanleihe handelt es sich typischerweise um einen risikobehafteten Vermögensgegenstand. So sollten diese Kriterien auch hier gelten. Die wesentlichen Risiken, die sich für diese Anlagenklasse ergeben, sind zum einen die typischen, unternehmensspezifischen Risiken, die in der Kapitalmarktheorie als unsystematisches Risiko bezeichnet und durch endogene Einflüsse wie falsche Managemententscheidungen verursacht werden. Zum anderen gibt es ein systematisches Risiko, das aus exogenen Rahmenbedingungen (Zinsänderungen, Konjunkturschwankungen oder sonstigen externen Schocks) resultiert und den Anleihenpreis entsprechend beeinflusst. Nur das unsystematische Risiko lässt sich durch Diversifizierung reduzieren.

Die Stuttgarter Börse berechnet rückwirkend zum 1. Januar 2011 den Bondm-Index für die im Bondm gelisteten Anleihen. Bis dato sind es 18 Wertpapiere aus verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen. Um eine Aussage über die Richtigkeit der Bepreisung der Anleihen zu erhalten, haben wir untersucht, wie stark die Korrelation des Bondm-Index zum Index iTRAXX Europe Crossover (Laufzeit 5 Jahre) ausfällt. Der iTraxx Europe Crossover zeigt den Zinsspread für ein Portfolio hochliquider, europäischer Anleihen unterhalb des Investmentgrades auf und kann sehr gut als Benchmark für das systematische Risiko eines Portfolios von Unternehmensanleihen herangezogen werden. In unserer Untersuchung haben wir daher beide Indizes für den Zeitraum von Juli 2011 bis heute in ihrem Kursverlauf gegenübergestellt. Wie die Grafik zeigt, besteht eine hohe Korrelation zwischen beiden Indizes (Korrelationskoeffizient von 68,4%). Vor allem ist der Beginn der Finanzkrise als externer Schock sehr gut in den Kursverläufen erkennbar. Sowohl der iTraxx als auch der Bondm-Index verzeichnen ab dem Monat August 2011 deutliche Kurseinbrüche, die ihre Maximalwerte im Dezember 2011 erreichten und sich seitdem wieder auf Erholungskurs befinden. Für Bondm kann somit tendenziell gesagt werden, dass sich das systematische Risiko in den Kursen widerspiegelt.

Ebenso ist die individuelle Informationseffizienz entscheidend für den richtigen Kurs. Je transparenter sich ein Emittent darstellt, desto geringer dürften sich extreme Kursschwankungen bei sich lang abzeichnenden Entwicklungen in der Solvenz des Unternehmens auswirken. Eine intransparente Informationspolitik, wie sie beispielsweise bei SIAG im Hinblick auf den extremen Kurssturz in den Medien angemahnt wurde, ist dafür ein gutes Beispiel. Wenn dann noch handwerkliche Fehler (kein gültiger Ratingbericht, schwer zugängliche Interimszahlen) dazukommen, ist dies noch umso gravierender. Die konsequente Einhaltung der in den Regelwerken vorgesehenen Folgepflichten ist ein wesentlicher Baustein für eine risikoadäquate Kursentwicklung. Es ist daher im Interesse aller Marktteilnehmer, dass die Börsen und ihre Partner eine anlegerfreundliche Informationspolitik durchsetzen. Wenn ein Unternehmen acht Monate nach der Platzierung begleitet von einer renommierten Bank und einem Listing Partner/Emissionsberater bereits insolvent ist, entspricht dies bei einem zum Zeitpunkt der Emission veröffentlichten Anleihenrating von CCC+ mit einer Ausfallrate über fünf Jahre von fast 50% zuvor den eingangs erwähnten kapitalmarkttheoretischen Erwartungen. Ob dies dem jungen Mittelstandsmarkt hilft, steht auf einem anderen Blatt.

Von Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 4/2012.
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