Alt 30.08.13, 18:43
Standard So tickt die Börse: Trügerische Sicherheit von Nestlé, Unilever, Beiersdorf und Procter & Gamble
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Können die BRIC Schwellenländer schon auf eigenen Füßen stehen? Wenn Sie diese Frage eindeutig mit "Ja" beantworten, können Sie die in der Überschrift genannten Aktien behalten. Andernfalls sollten Sie Ihre Position in diesen Aktien überdenken und zumindest verkleinern.

Ich weiß, es handelt sich um überaus populäre Aktien, die in den vergangenen Jahren jedem Depot eine besondere Sicherheit verliehen haben: Hohe Dividenden und Umsatzzuwachs trotz schwacher heimischer Konjunktur waren Garanten für einen stabilen Aktienkurs. Doch schauen wir uns einmal an, was deren Kursanstieg befeuert hat, und dann überlegen wir uns, ob das in Zukunft so weitergehen wird.

Ich würde die Situation nach der Finanzkrise 2008 als "Anlagenotstand" bezeichnen. Die Zinsen waren nahe Null, Staatsanleihen waren nicht mehr attraktiv. Bei Unternehmensanleihen musste man schon genau hinschauen, um bei hochverzinsten Anleihen nicht am Ende auf einem Pleitekandidaten zu sitzen. Die Anleihen guter Unternehmen boten nicht viel höhere Zinsen als Staatsanleihen und waren somit ebenfalls unattraktiv.

So blieb den traditionellen Anleiheanlegern nichts anderes übrig, als auf Aktien mit verlässlich hoher Dividendenrendite umzuschwenken. Und da sind die Vertreter der Packaged Goods (verpackte Produkte), wie es im Englischen heißt, willkommen. Sie erwirtschaften einen konstanten Umsatz, da die Produkte des alltäglichen Lebens auch in Zeiten der Konjunkturschwäche unvermindert gekauft werden. Wer verzichtet schon auf das morgendliche Rasieren oder auf's Haarewaschen? Und kaum jemand spart an diesen Produkten die 40 Cent Preisunterschied zum billigen Wettbewerber. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Der Gewinn konnte durch Sparprogramme und Restrukturierungsmaßnahmen kontinuierlich erhöht werden. Technologischer Fortschritt, Nutzung von Billiglohnländern und ähnliche kleine Änderungen sorgten immer wieder für positive Überraschungen bei den Quartalszahlen.

Und dann war da noch die Phantasie der Schwellenländer. Wenn wir unsere täglichen Gewohnheiten auf die Schwellenlänger übertragen, dann ist eine Umsatzverzehnfachung allein aus Sicht der Bevölkerungszahlen nicht nur möglich, sondern fast schon logisch ... oder?

Nein, das ist nicht logisch. Die Schwellenländer sind noch weit davon entfernt, eine so breite Mittelschicht aufzubauen wie wir sie haben. Die bisherigen Erfolge sind in meinen Augen dadurch bestimmt, dass die dortige Oberschicht prozentual um ein Vielfaches größer ist als bei uns. Und diese Schicht hat flugs die Gewohnheiten der westlichen Welt übernommen. Vielleicht haben einige Produkte auch schon die Mittelschicht erobert, doch die ist viel kleiner als wir uns das vorstellen.

Im nächsten Schritt wird meiner Ansicht nach leider nicht die Mittelschicht stark ansteigen. Vielmehr erwarte ich gerade für die Mittelschicht, die für unsere Unternehmen so wichtig ist, schwere Zeiten. Schauen wir uns die jüngsten Entwicklungen einmal näher an:

In Indien gerät die Inflationsrate aus dem Ruder. In Brasilien haben die jüngsten Unruhen gezeigt, dass die Unterschicht noch einen weiten Weg vor sich hat, bevor sie sich Mittelschicht nennen kann. In China werden die Immobilienkredite gekürzt und stattdessen staatliche Konjunkturprogramme für Brücken und Infrastruktur aufgelegt, was erst später dem Volk zugute kommt. Und die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen vereisen sich gerade wieder aufgrund der Auseinandersetzung in Syrien.

Die Entwicklung in den Schwellenländern ist zwar nicht schädlich für Nestlé, Unilever, Procter & Gamble und Beiersdorf, aber sicher auch nicht hilfreich.

Zudem erwartet man in den USA nun steigende Zinsen. Zu Zeiten der Null Prozent Zinsen hat sich das amerikanische Investitionskapital auf den Weltmärkten nach besseren Anlagemöglichkeiten umgeschaut. Nicht nur die Nestlés der Welt waren da gefragt, auch Direktinvestitionen in den BRICs hatten Hochkonjunktur. Diese Direktinvestitionen haben die Konjunktur der Schwellenländer positiv beeinflusst. Mit steigenden Zinsen dürften diese Direktinvestitionen künftig nachlassen. Es wird weitere Konjunkturprogramme geben müssen, um die angestrebten Wachstumsraten auch zu erzielen. Insbesondere Indien ist bereits zu hoch verschuldet, um hier noch Spielraum zu haben.

Klar, die USA ist nicht die ganze Welt. Wenn in den USA die Zinsen steigen, dann heißt das noch lange nicht, dass sie hier in Europa auch steigen. Doch für die Anleger dieser Welt ist das egal. Nach Jahren der fallenden und sodann niedrigen Zinsen ist nunmehr die Phase der steigenden Zinsen eigeläutet. Ob wir in Europa in ein oder drei Jahren nachziehen, spielt da nur eine untergeordnete Rolle. Klar ist, dass sich die Direktinvestitionen in den Schwellenländern nicht mehr ausweiten werden. Klar ist auch, dass die Nestlés dieser Welt vor dem Hintergrund gesundender Wirtschaften hüben und drüben heute schon nicht mehr so gefragt sein werden wie zuvor. Warum sollte ein Anleger auf die letzten paar Prozent Kursgewinn setzen, wenn der Löwenanteil des Kursanstiegs bereits erfolgte?

Wenn Sie Ihre Aktien mit einem Zeithorizont von 10 Jahren halten, dann können Sie in diesen krisensicheren Unternehmen gerne investiert bleiben. Doch jammern Sie dann nicht, wenn zwischenzeitlich einmal ein nennenswerter Teil Ihres Einsatzes wegschrumpft. Eine hohe Dividendenrendite ist in Zeiten des Wirtschaftswachstums nicht viel wert, da setzen Anleger auf Kursgewinne. Entsprechende Kursverluste bei den vermeintlich sicheren Titeln können den Dividendenvorteil da nicht mehr kompensieren.

Also: Klare Warnung vor Nestlé, Unilever, Beiersdorf und Procter & Gamble. Die Unternehmen sind gesund, deren Bilanz hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verbessert. Doch die Kurse spiegeln das schon wider, und es fehlen weitere Katalysatoren für die Zukunft. Im Gegenteil, die Unternehmen werden die gute Bilanz brauchen, um einige schwere Jahre durchzustehen. Ich möchte da als Aktionär nicht dabei sein.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes in der abgelaufenen Woche entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (29.08.2013) | Woche Δ

Dow Jones: 14.841 | -0,8%
DAX: 8.195 | -2,4%
Nikkei: 13.389 | -2,0%
Euro/US-Dollar: 1,32 | -0,8%
Euro/Yen: 129,79 | -1,7%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,75% | -0,15
Umlaufrendite Dt: 1,52% | -0,02
Feinunze Gold: $1.396 | 1,5%
Fass Brent Öl: $115,13 | 4,6%
Kupfer: 7.136 | -2,9%
Baltic Dry Shipping: 1.136 | -1,9%



Ewig konnte sich der DAX dem Kurseinbruch der USA nicht entziehen, und so holte er diese Woche nach, was Dow Jones und S&P 500 bereits in den Vorwochen erlebten. Insbesondere die überaus erfreulichen Konjunkturdaten in Europa sorgen dafür, dass man eher früher denn später fürchtet, die EZB werde ebenfalls die lockere Geldpolitik zurückfahren.

Der Konflikt in Syrien hat nun mit etwas Verzögerung doch noch zu einem heftigen Preisanstieg auf den Ölmärkten geführt. Auch das Gold ist als sicherer Hafen wieder gefragt. Steigt der Ölpreis, so schwächt das die Weltwirtschaft. Entsprechend sind die Weltbörsen diese Woche ins Minus gedreht, der Kupferpreis als Thermometer der Industrie ist gefallen. Und, oh Wunder, Anleger suchen wieder die Sicherheit von Anleihen, die Rendite ist ebenfalls gefallen (Zur Erinnerung: Steigende Anleihepreise führen zu fallenden Renditen).

Der Einsatz chemischer Waffen in Syrien erfordert eine Antwort der Weltgemeinschaft. Da ist man sich einig. Doch wie soll die Antwort aussehen? In Großbritannien konnte Premier Cameron nicht genügend Unterstützung für eine militärische Antwort finden. Die meisten Länder pochen darauf, das Thema der UN zu überlassen, wo Russland jedoch jede militärische Aktion mit einem Veto vereiteln wird.

Gleichzeitig kommen in den USA nun wieder Ängste über die Budgetobergrenze auf: Der US-Haushalt hat wieder einmal die Obergrenze erreicht, und Obama braucht eine erneute Einigung mit der Opposition, um einen Kollaps der US-Finanzen zu verhindern. Beide Seiten zeigen sich natürlich im Vorfeld der Verhandlungen hart, was die Börsen belastet.

Jemand, der diese Ungewißheit ausgleichen könnte, heißt Ben Bernanke. Doch der ist amtsmüde und wird im Januar 2014 abtreten.

Ich würde sagen: "Da braut sich was zusammen."
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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