Alt 03.06.16, 20:59
Standard So tickt die Börse: USA: Keine Jobs mehr
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Soeben wurden US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Nur 38.000 neue Jobs wurden im Mai geschaffen, so wenig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Gleichzeitig wurden die Zahlen des Vormonats nach unten korrigiert. Börsianer befinden sich in Schockstarre: Gerade der Arbeitsmarkt hatte doch die vergangenen Monate immer wieder positive Signale ausgesandt und selbst die US-Notenbank hat immer wieder auf den robusten Arbeitsmarkt verwiesen, wenn sie die anstehenden Zinsanhebungen diskutierte.

Alles nichts als Schall und Rauch? Wo kommen all die Arbeitslosen her? Seit Monaten schon werden in der Ölindustrie tausende Mitarbeiter nach Hause geschickt. Doch der Arbeitsmarkt entwickelte sich robust, es schien, als könnten alle freigesetzten Arbeitskräfte locker aufgenommen werden. Und entsprechend war die Arbeitslosenquote rückläufig.

Sie müssen wissen, dass die US-Arbeitslosenquote nicht mit der deutschen Arbeitslosenquote zu vergleichen ist. Dort meldet man sich nur arbeitslos, wenn man aktiv versucht, in den Arbeitsmarkt zurückzukommen. Arbeitslosengeld gibt es dort nicht so umfangreich wie bei uns und entsprechend melden sich viele Menschen ohne Arbeit nicht arbeitslos. Die mit Deutschland vergleichbare Arbeitslosigkeit in den USA ist also eher höher anzusiedeln.

Komisch: Die Arbeitslosenquote wurde heute mit 4,7% angegeben (zuvor 5,0%). Trotz der nur wenig geschaffenen neuen Stellen ist die Arbeitslosenquote weiter rückläufig. Das heißt, es gibt weniger Stellen aber dennoch ist die Arbeitslosenquote rückläufig, weil sich offensichtlich viele von denen, die derzeit keine Arbeit haben, nicht arbeitslos melden.

Die Zahlen sind gerade einmal eine Stunde raus und wir werden in den kommenden Tagen eine ganze Reihe an Analysen darüber erhalten. Aktuell haben die Arbeitsmarktdaten eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Zudem stehen die schwachen Arbeitsmarktdaten der Zinsanhebungsabsicht der US-Notenbank im Weg. Die überraschend schwachen Arbeitsmarktdaten haben ad hoc die Wahrscheinlichkeit einer Zinsanhebung nach dem nächsten Fed-Treffen am 14./15. Juni deutlich sinken lassen.

Keine steigenden US-Zinsen heißt für internationale Anleger, vorerst kein weiteres Kapital in das Niedrigzinsland USA zu transferieren. Entsprechend sinkt der Wechselkurs des US-Dollars. Im Umkehrschluss steigt der Euro, was natürlich schlecht ist für die Exportnation Deutschland. Der DAX ist entsprechend gleich doppelt eingebrochen. Zum einen vor Schreck über die schwache Verfassung des US-Arbeitsmarktes, was ein Vorbote für eine schwache Konjunktur des wichtigsten Handelspartners Deutschlands sein könnte. Zum anderen aufgrund des nunmehr steigenden Euros, der die Exporte Deutschlands teuer macht, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen leidet.

Da wollte ich heute eigentlich schreiben, dass der DAX die 10.200 Punkte erfolgreich und nachhaltig inklusive Test überwunden hat, und schon machen mir die schwachen US-Arbeitsmarktdaten einen Strich durch die Rechnung.

EZB WIRD OPTIMISTISCH

Schon gestern gab es einen ersten Schuss vor den Bug: Die EZB hat in ihrer Zinsentscheidung keine Veränderung in ihrer Geldpolitik verkündet. Es wurden jedoch Details zum Aufkauf von Unternehmensanleihen veröffentlicht, schon am 8. Juni fängt die EZB an, Unternehmensanleihen zu kaufen.

In ihrem volkswirtschaftlichen Ausblick jedoch hat die EZB ihre Erwartungen ein wenig nach oben korrigiert. Nachdem in den vergangenen Sitzungen eher Korrekturen nach unten erfolgten, was den Euro zu einer so schwachen Währung machte, endete dies nun. Es fand keine weitere Reduktion mehr statt. Die Wachstumserwartung wurde jedoch für das laufende Jahr um 0,1% auf 1,6% angehoben. Zudem äußerte sich die EZB überaus positiv über die konjunkturelle Entwicklung in Europa.

Das heißt mit anderen Worten: Weitere Liquiditätsspritzen sind nun nicht mehr zu erwarten. Im Gegenteil, wenn sich die positive Erwartung bewahrheitet, wird irgendwann auch in Europa die Diskussion über die Rückführung der expansiven Geldpolitik starten. Sprich: Wie lange noch wird die EZB jegliche Anleihen aufkaufen, die frei handelbar sind? Eine erste Prognose habe ich schon gelesen: Im März 2017 könne der Ankauf von Unternehmensanleihen ggfls. beendet werden, schreibt die IKB Bank.

Ein Ende der lockeren Geldpolitik in Europa wäre eine gute Nachricht für den Euro, der Euro würde steigen. Die Angst vor diesem Szenario sorgte gestern nach der entsprechenden Ankündigung durch die EZB bereits für einen Ausverkauf im DAX. Am späten Nachmittag öffneten gestern dann die US-Börsen ebenfalls im Minus, dort konnte man die negative Stimmung jedoch nicht nachvollziehen, und so kletterten die US-Börsen im weiteren Verlauf kräftig ins Plus, auch der DAX wurde am Ende des Tages noch mitgezogen.

Heute sind jedoch die USA durch die schwachen Arbeitsmarktdaten getroffen, und der daraus resultierende feste Euro schlägt erneut zu. Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (02.06.2016) | Woche Δ

Dow Jones: 17.810 | -0,1%
DAX: 10.208 | -0,6%
Nikkei: 16.562 | -1,3%
Shanghai A: 3.061 | 3,6%
Euro/US-Dollar: 1,12 | -0,3%
Euro/Yen: 121,38 | -1,1%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,81% | -0,03
Umlaufrendite Dt: 0,05% | -0,02
Feinunze Gold: $1.211 | -0,9%
Fass Brent Öl: $49,96 | 0,2%
Kupfer: 4.936 | 0,0%
Baltic Dry Shipping: 606 | 0,8%



CHINA SETZT ZUR WEICHEN LANDUNG AN

China stabilisiert sich: Sowohl der Shanghai A-Aktien Index konnte zulegen (+3,6%), als auch der Baltic Dry Verschiffungsindex, der die Transportpreise für Schüttgut aufzeichnet und aufgrund der dort dominierenden Tätigkeit der Chinesen einen Einblick in die chinesische Konjunktur liefert, ist angestiegen (0,8%). Doch die westlichen Börsen haben sich endlich von China emanzipiert, leider folgen sie somit auch nicht den Kursanstiegen Chinas.

JAPAN MUSS ERHÖHUNG DER MEHRWERTSTEUER ERNEUT VERSCHIEBEN

Der DAX fiel um 0,6%, der japanische Nikkei sogar um 1,3%, in den USA konnte der Dow Jones nahezu unverändert schließen (-0,1%). Japan erlebte einen Rückschlag in den Konsolidierungsbestrebungen Premier Abes. Er wollte die dortige Märchensteuer ursprünglich bereits 2014 von 8% auf 10% anheben. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme wurde die Erhöhung auf Juni 2016 verschoben. Abe bekräftigte seither unzählige Male, dass nun die Zeit für die Erhöhung gekommen sei, doch am Tag vor der Erhöhung musste er nun doch der nach wie vor schwachen Konjunktur Tribut zollen und verschob die Erhöhung erneut, diesmal auf April 2017.

Der japanische Yen ist in Folge dieser Entscheidung angesprungen (der Euro verlor gegenüber dem Yen um 1,1%). Die Verschiebung der Märchensteuererhöhung kurbelt natürlich die japanische Wirtschaft an, denn die Produkte werden wider Erwarten nicht um 2% teurer. Dieser positive Effekt für die Wirtschaft führt zu einem stärkeren Yen, was wiederum die Exportwirtschaft belasten wird. So steigt der Yen und der Nikkei fällt.

OPEC - WER WAR DAS NOCH MAL?

Die OPEC hat mal wieder getagt und das Ergebnis ist ... kein Ergebnis. Zum wiederholten Male können sich die OPEC-Mitglieder nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise gegen die zu hohe Ölfördermenge einigen. Die OPEC hat nur ein einziges Ziel: Durch eine Koordinierung der Ölfördermengen einen vernünftigen, stabilen Ölpreis zu erzielen. Man möchte keinen ruinösen Wettbewerb, einen zu hohen Ölpreis, der die Suche nach Alternativen anfeuert.

Seit einigen Jahren schon kann sich die OPEC nun nicht mehr auf Ölfördermengen einigen, jeder macht was er will. Ich frage mich daher, warum sich die OPEC-Länder überhaupt noch treffen.

Für uns ist das gut: Jeder fördert was das Zeug hält, der Ölpreis bleibt somit auf absehbare Zeit niedrig. Die 50 USD/Fass WTI konnten noch nicht übersprungen werden. Die ausbleibende Einigung der OPEC hat jedoch auch nicht zu einem Ausverkauf geführt ... noch nicht. Der Ölpreis ist auf Wochensicht stabil bei 49,96 USD/Fass Nordseeöl, +0,2%.

Schon komisch, dass Gold (-0,9%) in diesem Chaos nicht gefragt ist.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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