Alt 14.07.14, 21:43
Standard So tickt die Börse: Portugal ruft Probleme in Erinnerung
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Portugal ist kein Grund, Aktien zu verkaufen! Wenn's um Fußball geht, kennt das deutsche Team keine Gnade: 4:0 gegen die Portugiesen war Schlag ins Gesicht für das Team um Ronaldo. Auch bei den portugiesisch sprechenden Gastgebern aus Brasilien ist der sportliche Eifer unserer Elf nicht zu bremsen (ich spare mir hier Superlative, denn da kann ich mit der Boulevard-Presse nicht mithalten).

Aber wenn's um Europa geht, kann Portugal auf uns zählen. Auch wenn Deutschland bei den Griechenland-Hilfen immer wieder in Rechtfertigungsnöte gegenüber der eigenen Bevölkerung kam, Portugal war ein Musterschüler seit es unter den Rettungsschirm ging und entsprechend wird man Portugal auf keinen Fall fallen lassen.

Ungeachtet dessen ist Portugal meinen Informationen zufolge selbst in der Lage, die Banco Espirito Santo zu retten. Die Muttergesellschaft der Bank geriet Mittwoch Abend in Zahlungsverzug. Die Banco Espirito Santo hat bei ihrer Mutter lediglich 1,2 Mrd. Euro hinterlegt, verfügt aber über einen Kapitalpuffer von 2,1 Mrd. Euro. Das Bankhaus hat also ausreichend Rücklagen für solche Fälle gebildet. Zudem hat auch Portugal noch ein paar Milliarden aus dem europäischen Rettungsfonds zur Verfügung (man schätzt ca. 6 Mrd. Euro). Und erst wenn das alles verpufft sein sollte wird die EU einspringen.

Die Probleme in Portugal sind eine überfällige Erinnerung daran, dass Europa seine strukturellen Probleme noch lange nicht gelöst hat. Wir befinden uns auf dem Weg, haben uns durch die lockere Geldpolitik von Supermario viel Zeit gekauft und müssen nun unser System überarbeiten. Der Reformdruck hat nachgelassen, die EZB übernimmt mehr und mehr die Verantwortung für unsere Wirtschaft. Diese Krise ist eine Erinnerung daran, dass die EZB nur Zeit kaufen kann, nicht aber Probleme löst. Die Politik ist gefragt!

In dieser Woche haben mich gleich drei Kündigungen von Kunden erreicht, die sich vollständig aus der Börse zurückziehen wollen. Ein Crash stehe unmittelbar bevor, so die Begründung dieser drei Kunden. Gleichzeitig wird der Tonfall einiger anderer Leserfragen schärfer: Meine letzten Kaufempfehlungen seien allesamt völlig daneben, etc.

Nach nunmehr sechzehn Jahren als Börsenbriefautor kenne ich diese Kundenreaktionen nur zu gut. Es gab nur einen Zeitpunkt in den vergangenen sechzehn Jahren, zu dem diese Reaktionen gerechtfertigt waren: 2007 kurz vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. In allen anderen Fällen hat es sich bezahlt, diese Augenblicke des Chaos an den Märkten zum Nachkaufen zu nutzen.

Es erreichen mich auch wieder vermehrt sogenannte "Beweise", dass unser Finanzsystem, unsere Marktwirtschaft kurz vor seinem Ende steht. Die Arbeitslosenquote in Frankreich und Italien ist zweistellig, die Jugendarbeitslosigkeit mehr als doppelt so hoch. In Spanien gar steht die Arbeitslosenquote über 20% und die Jugendarbeitslosigkeit über 40%. Die Staatsverschuldung ist fern von den im Vertrag von Maastricht vorgeschriebenen 60% des BSP: 93,5% in Frankreich, über 132,6% in Italien und 93,9% in Spanien. Das ganze bei überaus schwachen Wachstumsraten und einer alternden Bevölkerung lässt sich, nach Aussage der Bären, in den kommenden Generationen auf keinen Fall zurückzahlen.

Auch die Kamikaze-Politik in Japan wird als möglicher Auslöser des Untergangs der internationalen Finanzmärkte angeführt: Premierminister Abe beantwortet jede wirtschaftliche Schwäche mit einer weiteren Ausweitung der Liquidationsflutung. Auch dort werden die Probleme mit Papier zugedeckt, ohne strukturelle Änderungen vorzunehmen.

Die chinesischen Zahlen werden angezweifelt: Das Land sei ein kommunistisches Pilotprojekt, bei dem sich die Regierenden nach dem nunmehr eingeschlagenen Strategiewechsel nicht durch schlechte Konjunkturdaten ablenken lassen wollen. Sprich: Die veröffentlichten Zahlen seien allesamt geschönt, damit die Strategie nicht geändert werden muss. Vor dem Hintergrund der zentralen Steuerung aller wesentlichen Bereiche in dem dortigen System, ist dieser Vorwurf durchaus nachvollziehbar.

Bleiben die USA: Mit -0,9% hat der Dow Jones diese Korrektur bislang noch am besten weggesteckt. Warum auch nicht: Alcoa hat wieder einmal herausragende Zahlen vorgelegt. Nicht weil sich der Aluminium-Markt erholt, wie vielfach in der Presse zu lesen. Sondern vielmehr weil CEO Kleinfeld den Konzern vom Billigproduzenten zu einem hochspezialisierten Technologiezentrum umgebaut hat: Gemeinsam mit den Kunden wird auf Vorstandsebene nach neuen Lösungen für die Kundenprobleme gesucht, unter Nutzung der besonderen Eigenschaften des Aluminiums. Ein ganz anderer Ansatz als das möglichst billige Produzieren von Massen-Aluminium. Und erneut hat Klaus Kleinfeld den mehrjährigen Bullenmarkt bei den Flugzeugbauern in den Vordergrund gestellt.

In den USA fragt man sich nunmehr laut, wie die Rendite für portugiesische Staatsanleihen niedriger sein kann, als die Rendite vergleichbarer US-Staatspapiere. Meine Antwort: Es ist der Draghi-Put, der Investoren das Vertrauen gibt, dass sämtliche Staatsanleihen in der EU durch die EZB letztlich gesichert sind. Da wird insbesondere von internationalen Anlegern, die einen Anteil in Europa anlegen müssen, bevorzugt auf solche Anleihen zugegriffen, als dass man Aktien von Banken kauft, die vor einem erneuten Stresstest mit ungewissem Ausgang stehen.

Schauen wir uns einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (10.07.2014) | Woche Δ

Dow Jones 16.915 | -0,9%
DAX 9.659 | -3,7%
Nikkei 15.164 | -1,8%
Euro/US-Dollar 1,36 | 0,1%
Euro/Yen 137,94 | -0,6%
10-Jahres-US-Anleihe 2,53% | -0,12
Umlaufrendite Dt 1,02% | -0,01
Feinunze Gold $1.336 | 1,0%
Fass Brent Öl $108,51 | -2,3%
Kupfer 7.159 | 2,6%
Baltic Dry Shipping 836 | -6,1%



Mit -3,7% ist der DAX am stärksten ausverkauft worden. Kein Wunder, da es sich diese Woche doch um europäische Turbulenzen handelt. Entsprechend konnte der Sichere Hafen des Goldes um ein gutes Prozent zulegen und die Umlaufrendite war kurzzeitig sogar bereits wieder unter 1% gerutscht.

Die Stärke des Euros halte ich vor diesem Hintergrund für unnatürlich und nicht nachhaltig.

Der Ölpreis ist kräftig zurück gegangen. Nachdem in den Vorwochen Versorgungssorgen sowie optimistische Konjunkturprognosen für einen kräftigen Anstieg sorgten, haben sich diese beiden Faktoren nun ins Gegenteil gekehrt: Im Irak hat sich die Situation um die ISIS-Gruppe beruhigt und das Wirtschaftswachstum wird (leider) doch nicht durch die Decke gehen - im Gegenteil.

Der Kupferpreis, ein Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung, steigt weiter kräftig an. Der Baltic Dry Verschiffungsindex hingegen dümpelt weiterhin auf niedrigem Niveau herum. Bei beiden Preisen spielt auch insbesondere die Verfügbarkeit bzw. die Produktionskapazität eine Rolle. Entsprechend sind diese widersprüchlichen Signale nicht so einfach zu deuten. Grundsätzlich ist der Baltic Dry Index stärker von kurzfristigen Besonderheiten abhängig, sodass ich dem Kupferpreis eine wichtigere Rolle zugestehe. Und das spricht für eine langsame Erholung seitens der chinesischen Nachfrage.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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