Alt 12.02.16, 20:54
Standard So tickt die Börse: Konjunkturoptimismus passt nicht zu realen Entwicklungen
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Mit einem weiteren Ausverkauf um 6,8% hat der DAX inzwischen sein Minus seit Jahresbeginn auf 18,5% hinaufgeschraubt. Der Nikkei liegt bei -17,4%, der Shanghai A-Index bei -22,7%. Ich höre Experten gebetsmühlenartig wiederholen, dass aus konjunktureller Sicht kein Grund zur Sorge bestehe, es handele sich um eine Aktienmarktkorrektur.

Auch Fed-Chefin Janet Yellen vertritt diese Meinung. In der halbjährlichen Befragung vor dem US-Kongress gab sie zu Protokoll, dass sie "nicht erwartet, dass die Fed in naher Zukunft Zinssenkungen erwägen wird". Dennoch drehte sich ein Großteil der Fragen um die Möglichkeit negativer Zinsen in den USA und darum, ob das überhaupt möglich sei. Yellen's Antwort: Das habe man 2010 mal besprochen, aber nicht abschließend geklärt, ob die Fed eine rechtliche Grundlage für negative Zinsen habe. Man habe das Quantitative Easing, QE, also den Kauf von Anleihen, für das bessere Instrument gehalten.

Die Arbeitslosenquote ist in den USA auf 4,9% gesunken. Das entspricht schon fast dem Ziel der Vollbeschäftigung. Dennoch drehten sich auch diesbezüglich die meisten Fragen der Abgeordneten darum, dass die Arbeitslosigkeit in vielen Bevölkerungsschichten noch immer viel zu hoch sei, sowie dass die Löhne nicht steigen würden. Tenor: Durch den starken US-Dollar, verursacht natürlich durch die Fed-Geldpolitik, würden zu viele Jobs in der Produktion ins Ausland exportiert. Zu viele Amerikaner streiten sich um die wenigen Jobs mit minderen Qualifikationsanforderungen, sodass dort ein Preiswettbewerb entsteht, der zu deutlich niedrigeren Löhnen führen würde, wenn es den Mindestlohn nicht gebe.

Yellen war für die Argumente offen, betonte aber immer wieder die niedrige Arbeitslosenquote und das gute Wirtschaftswachstum der USA. Eine Aussage, im laufenden Jahr werde es keine Zinserhöhungen geben, war ihr nicht zu entlocken.

Derweil brechen die Aktienbörsen weiter ein. Nachdem das Wachstum in China hinter den Erwartungen zurückbleibt und die weltweiten Rohstoffmärkte in eine Krise stürzte, stützt sich die Hoffnung der westlichen Industriestaaten auf die USA, deren noch intakte Konjunktur Japan, Deutschland und viele andere eng verflochtene Länder über Wasser halten soll. Doch was, wenn die Fed die Konjunktur in den USA bremst? Droht dann eine weltweite Rezession? Das ist zumindest das Szenario, das in den vergangenen Tagen durchgespielt wurde und zu den fallenden Kursen führte.

Während man in den USA also nicht einmal weiß, ob negative Zinsen überhaupt rechtlich möglich sind, hat man dies in Japan vor 10 Tagen sowie diese Woche auch in Schweden einfach getan. Das Resultat in Japan war ein heftiger Aktienmarkteinbruch, angeführt von japanischen Banken. In Schweden sehen wir nun das gleiche, auch die schwedischen Banken kollabieren.

Wie viel Munition hat die Fed noch, wurde auch gefragt. Genug, die Antwort. Die Frage wird unterschwellig auch hier in Europa bereits diskutiert. Schon heute kauft die EZB so ziemlich alles an den Anleihemärkten auf, dessen sie habhaft werden kann. Das Resultat: Extrem hohe Anleihekurse und entsprechend niedrige Renditen. Die Umlaufrendite ist diese Woche auf 0,06% gefallen, negative Renditen sind auch bei uns in Sicht.

Was also kann die EZB noch tun, wenn sie den Zins nicht ins Minus drehen möchte, die Beispiele Japans und Schwedens sind Abschreckung genug, und auch nicht mehr Anleihen kaufen kann, da nichts mehr verfügbar ist? Nähern wir uns dem Helikopter-Szenario?

Für Bankeinlagen hat die EZB ja bereits den Zins auf -0,3% festgelegt. Banken, die ihre Einlagen bei der EZB hinterlegen müssen, zahlen auch noch 0,3% Zinsen darauf. Wenn der Leitzins aber dann auch irgendwann mal negativ werden sollte, dann müsste aber bitte auch die Bevölkerung daran beteiligt werden, oder? Die armen Banken, die können das ganze doch nicht alleine schultern, oder?

Na, in vorauseilendem Gehorsam hat die Deutsche Bundesregierung nun schon mal die Diskussion um eine Bargeld-Obergrenze bei 5.000 € angestoßen. Wegen der organisierten Kriminalität, so die Begründung. Als ob der IS mit Bargeldkoffern durch Deutschland rennt.

Solche Gedankenspiele wirken sich ziemlich negativ auf meine Laune aus. Für solche Situationen haben wir ja unsere Goldposition im Portfolio. Die ist aufgrund des Goldpreisanstiegs auf 10% des Portfolios angewachsen. Wer noch kein Gold hat, der sollte sich nun etwas davon zulegen.

Immerhin hat CEO John Cryan nicht sein "Ehrenwort" gegeben, dass die Deutsche Bank ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen könne, das wäre sonst das letzte gewesen, was wir von ihm gehört hätten. Aber immerhin hat er einen dramatischen Aufruf veröffentlicht, in dem er die Solvenz seiner Bank beteuerte. Das tut man nicht, wenn man keine Probleme hat. Gestern hat er sodann angekündigt, nach dem Ausverkauf Unternehmensschuldverschreibungen der Deutschen Bank zurückzukaufen, weil sie eben so günstig seien. Und heute wurde dieses Versprechen in die Tat umgesetzt, 4,5 Mrd. Euro wurden für den Rückkauf freigegeben.

Wer jetzt also die Deutsche Bank kaufen möchte, nur zu. Denn, wenn die Deutsche Bank pleite geht, dann haben Sie hier in Deutschland ganz andere Probleme als Geld. Dennoch wäre ich vorsichtig, insbesondere vor dem oben aufgezeigten Szenario der negativen Zinsen im Euroland. Ich halte mich hier jedoch lieber zurück.

Doch zurück zur EZB: Wenn also die Banken dermaßen unter negativen Zinsen leiden, dann ist zu erwarten, dass die Bankenlobby derzeit aktiv gegen negative Zinsen arbeitet. Wenn es der Bankenlobby gelingt, stattdessen das Anleihekaufprogramm nochmals ein wenig aufzustocken, von derzeit 60 auf bspw. 70 Mrd. Euro pro Monat, dann hätte die Deutsche Bank zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Angst vor negativen Zinsen würde schwinden und dementsprechend nicht nur der Aktienkurs der Deutschen Bank steigen, sondern auch der Anleihepreis, was zu günstigeren Finanzierungskosten führt. Na, dann könnte die Deutsche Bank die soeben zurückgekauften Anleihen erneut ausgeben, jedoch zu wesentlich günstigeren Konditionen.

In dem ganzen Tumult finden in den USA die Präsidentschaftsvorwahlen statt. Im November werden die USA einen neuen Präsidenten wählen. Janet Yellen spielt derzeit den extremen Kandidaten in die Hände. Eine Notenbank, die die Not der unteren Einkommensschichten in den USA nicht sieht, und die auch die weltweite Konjunkturentwicklung mit ihrer Zinspolitik bremst, ruft extreme Positionen hervor, sei es Donald Trump bei den Republikanern, sei es Bernie Sanders bei den Demokraten.

Ein Ausweg aus dieser verzwickten Situation sieht man derzeit weder in Deutschland, noch in den USA.

Schauen wir uns einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (11.02.2016) | Woche Δ

Dow Jones: 15.577 | -5,1%
DAX: 8.753 | -6,8%
Nikkei: 15.713 | -7,8%
Shanghai A: 2.891 | -0,7%
Euro/US-Dollar: 1,14 | 1,5%
Euro/Yen: 127,05 | -2,9%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,60% | -0,28
Umlaufrendite Dt: 0,06% | -0,13
Feinunze Gold: $1.253 | 8,5%
Fass Brent Öl: $30,43 | -12,5%
Kupfer: 4.456 | -5,2%
Baltic Dry Shipping: 290 | -2,7%



In US-Dollar gemessen hat der Goldpreis um 8,5% zugelegt. Da der Euro gegenüber dem US-Dollar um 1,5% zulegen konnte, bleiben dem Gold gemessen in Euro ein Wochengewinn von 7%. Noch stärker als der Euro war in der abgelaufenen Woche jedoch der japanische Yen, der gegenüber dem Euro um 2,9% zulegte. Sollte nach dem ersten Schock für das Bankensystem tatsächlich eine positive Entwicklung für die Wirtschaft erwartet werden? Dann wäre ein negativer Zins weder für Europa, noch für die USA vom Tisch.

Der Ölpreis ist diese Woche allein um 12,5% eingebrochen. Sorgte noch vor einer Woche das Gerücht über eine mögliche Einigung über Fördermengenkürzungen der OPEC für einen Auftrieb, so ist dies nun wieder vom Tisch. Gestern hat der Ölpreis sodann sein 12-Jahrestief unter 27 USD/Fass erreicht, und prompt kommen diese Gerüchte wieder hoch. Erst hat Russland die Bereitschaft Saudi Arabiens zu Förderkürzungen publiziert, eine Ente. Dann wurde das Gerücht über ein OPEC-Meeting mit gleichem Inhalt veröffentlicht, die zweite Ente. Und nun wird dieses Gerücht zum dritten Mal gestreut ... und erneut mit Erfolg, der Ölpreis hat sich in den vergangenen Stunden deutlich erholt.

Mal sehen, wie oft das Gerücht noch verwendet wird. Ich denke, erst wenn keiner mehr dran glaubt könnte was dran sein. Ohne eine entsprechende Entscheidung bei gleichzeitig harter Haltung der Fed-Chefin Janet Yellen gibt es nur eine Richtung für den Ölpreis: Süden.

Der Baltic Dry Verschiffungsindex notiert nun ebenfalls auf einem Tiefstwert, solange die Daten zurückreichen (bis 1999). Das signalisiert einen Stillstand der Import- und Exportwirtschaft. Unterstützt wird diese schwarzmalerische Prognose vom HARPEX-Index, der im Unterschied zum Baltic Dry nicht Schüttgut (Vorprodukt) sondern Containerpreise (Endprodukt) indexiert: http://www.harperpetersen.com/harpex/harpexVP.do. Auch hier ist der Markt für Containerschiffe zum Erliegen gekommen.

Experten sind sich einig: Die Konjunktur in Deutschland ist gesund, das Wachstum zieht an. Doch die Weltkonjunktur zeichnet ein anderes Bild.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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