Alt 01.03.13, 16:47
Standard So tickt die Börse: Europäischer Zirkus hat endlich auch Clowns
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Was haben wir Deutsche schon unter den Verhohnepipelungen der Italiener, nicht zuletzt Berlusconis, gelitten! Nein, das könne man ihnen nicht verübeln, das gehöre zum normalen Vokabular eines Italieners, hieß es stets, um die Gemüter zu beruhigen.

Wenn nun die nüchternen Deutschen auf den angeschlagenen EU-Partner zurückschlagen, dann schlägt das natürlich hohe Wellen. Der Ausweg, das sei doch nicht so gemeint, wurde von Steinbrück persönlich zerstört: Nein, das war genauso gemeint! Die Italiener haben sich zwei Clowns an die Macht gewählt. Nun, zum Glück scheinen die beiden einen grundverschiedenen Humor zu pflegen, sodass sie zu einer Regierungsbildung nicht in der Lage sind. Ups, auf eine Einladung des italienischen Präsidenten Napolitano darf nun auch Ihr Autor nicht mehr hoffen :-(

Die Rettung kommt nun jedoch aus Österreich: Bernhard Paul, Chef des Zirkus Roncalli, beklagt sich öffentlich über den Vergleich mit dem ehrenwerten Beruf eines Clowns. Ein Clown bringe die Menschen zum Lachen, ohne sie zu Opfern zu machen - das habe nichts mit Bunga Bunga zu tun. Nun, Rettung? Ich glaube eher, Steinbrück, Paul und ich sollten uns mal zu einem ausgelassenen Essen treffen :-)

Das Signal der Wahlen ist deutlich: Anders als Griechenland, Portugal und Irland, deren Nationalstolz hinter der EU-Einigung zurückstehen musste, konnten die Spanier bislang den Hilfsantrag vermeiden und die Italiener haben nun ganz klar gezeigt, dass sie mit dem deutschen Spardiktat nicht weitermachen wollen. Auch bei Neuwahlen in Italien ist ein Überraschungssieg einer pro-europäischen Koalition derzeit eher unwahrscheinlich.

Anleger haben die Meldungen aus Italien mit Bestürzung aufgenommen ... und gingen am nächsten Tag zur Tagesordnung über. Hmmm, so ganz schmeckt mir das nicht. Natürlich sind die wichtigsten Reformschritte mit diesem Wahlergebnis nicht so einfach zurückzudrehen. Doch auch der Stillstand vor dem Hintergrund der aktuellen Patt-Situation dürfte, je länger er anhält, den Euro belasten.

Maßgeblich für den schnellen Übergang zur Tagesordnung war die Auktion italienischer Staatsanleihen kurz nach der Verkündung des Wahlergebnisses. Der Zins war zwar von 4,17% auf 4,83% angesprungen, doch das reichte bereits aus, um Anleger von diesem Schnäppchen zu überzeugen; die Auktion war mit dem 1,6-fachen überzeichnet. Von Flucht oder Käuferstreik nach dem gewählten Chaos in Italien keine Spur.

EZB-Chef Draghi wird's schon richten, denken sich wohl die Anleger. Immerhin haben die Italiener die Notenbank fest im Griff, italienische Verhältnisse werden vielleicht zu einer Abwertung des Euros führen, nicht aber zu einem Schuldenschnitt, so die einhellige Meinung, die ich aus gestiegenem Zins und hoher Nachfrage herauslese.

Sie wissen: Japan, die USA und England werten ihre Währungen ab was das Zeug hält. Nur die EZB verfolgt noch das Ziel der stabilen Währung. Mit Ex-Staatschef Monti hat Kanzlerin Merkel einen wichtigen Verbündeten der Stabilitätskultur verloren. Nun bleibt nur noch der spanische Premier Rajoy als konservativer Gesinnungsfreund. In Frankreich pocht Hollande schon lange auf weitere geldpolitische Lockerungen.

Schauen wir uns einmal an, wie die wichtigsten Indizes auf diese Entwicklung reagiert haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (28.02.2013) | Woche Δ

Dow Jones: 14.054 | 1,3%
DAX: 7.742 | 2,1%
Nikkei: 11.606 | 1,9%
Euro/US-Dollar: 1,31 | -0,9%
Euro/Yen: 121,38 | -1,5%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,89% | -0,09
Umlaufrendite Dt: 1,17% | -0,17
Feinunze Gold: $1.579 | -0,1%
Fass Brent Öl: $111,01 | -2,8%
Kupfer: 7.727 | -1,8%
Baltic Dry Shipping: 757 | 2,7%



Entsprechend ist der Euro nach dem Wahlergebnis kräftig abgerutscht, das Wochenminus beträgt 0,9%. Die Aktienbörsen haben aufgrund des guten Auktionsergebnisses die Italien-Sorge schnell abgeschüttelt. Zudem hat US-Notenbankchef Bernanke diese Woche seine Strategie der lockeren Geldpolitik bekräftigt. Sorgen, die nach der Veröffentlichung des jüngsten Notenbankprotokolls aufgekommen waren (Mitglieder hatten eine Diskussion der lockeren Strategie auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt), sind damit zerstreut worden.

Aber eines ist wieder da: Europäer kaufen wieder die Staatsanleihen des "Sicheren Hafens" Deutschland. Die Rendite der Bundesanleihen ging gleich um 0,2 Prozentpunkte zurück.

Auch im DAX wurden wieder die großen deutschen Titel gesucht: Mit Bayer - Chemie, HeidelbergCement - Bau, Fresenius - Pharma, K+S - Rohstoff, Beiersdorf - Konsumartikel und der Münchener Rück - Versicherung führen Unternehmen jeglicher Branchen den DAX in dieser Woche an. Es gibt also nicht eine Rotation von einer in die andere Branche, sondern einen breiten Anstieg der Aktien mit Ausnahme von Einzelschicksalen.

Heute notiert beispielsweise die Deutsche Bank mit 6% im Minus. Grund dafür ist eine Studie von Goldman Sachs, die sich mit den neuen Auflagen der US-Notenbank Fed für ausländische Banken beschäftigt. Die überzogenen Renditeziele der Deutschen Bank seien damit nicht mehr erreichbar. Insbesondere die niedrige Kapitalisierung der europäischen Banken sei besorgniserregend.

Es handelt sich in meinen Augen eher um ein Statement zum europäischen Bankensektor im Allgemeinen, wobei natürlich die große Deutsche Bank explizit genannt wird. Ich halte das heutige Minus aber für übertrieben.

Im MDAX stehen ProSiebenSat.1 Media und EADS an der Spitze der Wochenperformance. Beide Unternehmen haben Quartalszahlen vorgelegt, die positiv überrascht haben. ProSiebenSat.1 bietet eine Sonderdividende (war erwartet worden) und kündigte die Umwandlung der Vorzugsaktien in Stammaktien an. Das gibt mehr Spielraum für Fusionen und Übernahmen in der Zukunft und wird von den Anlegern honoriert. EADS zeigt, wie es in der Flugzeugindustrie aussieht: Rosig! Da ist es also kein Wunder, dass Boeing trotz der Probleme mit dem Dreamliner ebenfalls nahe am 5-Jahreshoch notiert.

Und an dritter Stelle kommt Leoni, das Unternehmen, das Autos verkabelt. Auch hier sind wir mit an Bord.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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