Alt 07.01.10, 12:22
Anleihen - Von Privatanlegern zu Unrecht verschmäht
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Auf Anleihen entfällt der Großteil des Anlagemarktes; Ein Plädoyer für mehr Diversifikation und weniger Aktienlastigkeit.

Während Aktien - vor allem in guten Zeiten - im Zentrum der Aufmerksamkeit privater Anleger stehen, führen Anleihen immer noch ein Schattendasein. Zu Unrecht. Anleihen gehören auch aufgrund ihrer geringen Korrelation mit Aktien in jedes seriös zusammengestellte Portfolio. Ich möchte einen scharfen Blick auf das direkte Investieren in Anleiheindizes werfen.

Zur Erinnerung: Der prinzipielle Unterschied zwischen den Anlageklassen Aktien und Anleihen ist folgender: Durch den Kauf von Aktien erwerben wir Anteile an einem Unternehmen. Mit anderen Worten: Wir werden (zumindest ein ganz klein wenig) Mitbesitzer des Unternehmens. Anders bei Anleihen (auch "Renten" genannt): Durch den Kauf einer Anleihe leihen wir einem Unternehmen (oder einem Staat) unser Geld auf bestimmte Zeit zu bestimmten Konditionen. Das Unternehmen (oder der Staat) wird zu unserem Schuldner, wir zum Gläubiger.

Wie wichtig Anleihen auf dem globalen Finanzmarkt sind, zeigt ein Vergleich: Weltweit gesehen hat der Aktienmarkt eine Kapitalisierung von ca. 19 Billionen Euro. Anleihen haben hingegen einen fast doppelten Wert von ca. 37 Billionen Euro. Kein diversifizierender Investor kommt also daran vorbei, sowohl Besitzer als auch Gläubiger eines Unternehmens (und eines Staats) zu werden.



Das Problem mit den Anleiheindizes

Traditionell bieten sich dem passiven, cleveren Investor zwei Möglichkeiten, in Anleihen zu investieren: 1. Kauf vieler Anleihen unterschiedlicher Emittenten, Laufzeiten und Währungen. Problem: Hoher Zeitaufwand und gewisse Mindestanlagesumme notwendig. 2. Kauf von herkömmlichen Anleihefonds. Problem: Hohe Kosten und das Risiko, dass der Fondsmanager auf die falsche Laufzeit oder falsche Emittenten setzt - wenig transparent. Lösung: Warum also nicht - wie bei Aktien - in börsengehandelte Index Fonds (Exchange-Traded Funds ETFs) investieren, die auf einem Anleiheindex basieren? Ähnlich wie bei Aktien liegt der Vorteil von Anleihen-ETFs (Zertifikate gibt es ganz wenige) auf der Hand: starke Diversifizierung, Transparenz und geringe Gebühren. Aber während die Nachbildung von Indizes bei Aktien mittlerweile allgemein als überlegen akzeptiert wird, steckt das Investieren in Rentenindizes noch in den Kinderschuhen.

Der Grund dafür liegt auch in der recht komplizierten Natur von Anleiheindizes: Erstens, werden von einzelnen Staaten und Unternehmen jeweils mehrere Einzelanleihen aufgelegt. Zweitens, werden Anleihen - da es sich ja um zeitlich begrenztes Verleihen von Geld handelt - laufend ungültig, weil sie vom Schuldner zurückgezahlt werden. Drittens, werden laufend neue Anleihen aufgelegt. Erst das Aufkommen von passiven Investments machte es für Indexanbieter lohnend, ausreichend gute Anleiheindizes zu konstruieren.

Da der Euro als Buchgeld erst 1999 eingeführt wurde, haben sich im Euroraum noch keine klaren Marktführer bei den Anleiheindizes herausgebildet. In den Medien dominieren weiterhin eher nationale Indizes, wie der REX (deutsche Staatsanleihen) oder der RDAX (deutsche Unternehmensanleihen). Allerdings machen nationale Anleiheindizes mit Einführung des Euros wenig Sinn. Mit dem Wegfall des Währungsrisikos im Euroraum wäre die Beschränkung auf Anleihen eines einzigen Staates der Eurozone ein unnötiges Einzelrisiko. Die implizite Diversifizierung von Euroraum-Indizes auf mehrere Staaten bringt gleichzeitig ein geringeres Einzelrisiko, kostet dem Anleger faktisch nichts und bringt auch kein zusätzliches Währungsrisiko.

Ein idealer Index zum Investieren ist ein gemischter Eurozonenindex mit allen festverzinslichen Anleihen. Ein solcher Benchmark-Index würde sowohl Staatsanleihen, durch den Staat gedeckte Anleihen, Unternehmensanleihen, Pfandbriefe und eventuell inflationsgeschützte Anleihen beinhalten. Mittlerweile scheinen sich einige breite Benchmark-Indizes im Dschungel der (europäischen) Anleiheindizes durchzusetzen: der iBoxx Euro Overall Index und der Barclays Euro-Aggregate Index. Beide Indizes sind Bestandteil von Index-Familien und sind wiederum unterteilt in Unterkategorien wie Staats- und Unternehmensanleihen sowie verschiedene Laufzeiten. Erfreulich ist, dass für die meisten Mitglieder dieser Index-Familien nützliche Kennzahlen frei im Internet veröffentlicht sind, wie durchschnittliche Restlaufzeit und Umlaufrendite der abgebildeten Anleihen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Indizes, die teilweise direkt von Banken berechnet werden, die Produkte darauf bauen, wie der Emerging Market Liquid Eurobond Index der Deutschen Bank, der Citigroup Euro Broad Investment Grade (EuroBIG) Bond Index, der Merril Lynch EMU Broad Market Index und die Index-Familie EuroMTS.

(Dieser Artikel stammt ursprünglich von Anfang September 2009. Obwohl daher die Zahlenangaben nicht mehr ganz aktuell sind, bleibt die zeitlose Empfehlung, grundsätzlich auch bestimmte Anleihen im Depot zu halten, bestehen.)



Rendite

Historisch gesehen ist die Rendite und Volatilität von Anleihen etwas geringer als bei Aktien. So lag die Rendite des iBoxx Euro Overall Index für die Jahre von 2002 (keine weiter zurückliegenden Daten verfügbar) bis 2008 bei durchschnittlich 5 % pro Jahr, die Volatilität bei 3 % (gemessen als Standardabweichung). Hingegen war die Rendite des MSCI World TRN Index bei 7 % und die Volatilität bei 18 % (von 1969 bis 2008).

Für die Zukunft können wir von Anleihe-Investments folgendes erwarten: Die Umlaufrendite des iBoxx Euro Overall Index liegt aktuell bei 3,8 %. Das ist die Verzinsung, würde man die Anleihen im Index bis zur Rückzahlung halten. Staatsanleihen werfen naturgemäß geringere Renditen ab. Investment-Grade-Unternehmensanleihen rentieren sich mit um die 5 %. Im riskanteren Bereich der Staatsanleihen der Schwellenländer liegt die Umlaufrendite bei um die 7 %.

Falsch wäre es jetzt, sich angesichts dieser Renditen enttäuscht von Anleihen abzuwenden. Denn was ist denn anderswo zu erwarten? Aktien bieten nur vermeintlich höhere Renditen. Historisch gesehen sind zwar die Renditen höher. Aber für die Zukunft können wir darauf nicht bauen. Einzig erwarteter Gewinn und Dividenden sind ein wenigstens halbwegs verlässliches Maß für zu erwartende Rendite. Die Dividendenrendite der im MSCI World Total Return (TRN) Index enthaltenen Aktien liegt bei 4,4 %, die nur teilweise in Form von Dividenden ausgeschüttete Gewinnrendite liegt bei 7,3 %. Deutlich höher sind die Renditen beim MSCI Emerging Markets TRN Index, jedoch sind die damit verbundenen Wertschwankungen auch gleich doppelt so hoch. Fazit: Die zu erwartende Rendite von Anleihen liegt nur unwesentlich unterhalb der von Aktien, in manchen Segmenten auch darüber. (siehe Schaubild)

Korrelation

Hier kommen wir zum eigentlichen Highlight der Anleiheinvestments. Die geringe Korrelation von Anleihen mit Aktien wird meist einfach angenommen. Schauen wir uns die Korrelationen des umfassenden iBoxx Euro Overall Index mit dem ebenfalls umfassenden MSCI World TRN Index etwas genauer an.

Die Korrelation - der Gleichlauf - zwischen dem iBoxx Euro Overall Index und dem MSCI World TRN Index ist -0,5. Der Chart und die Tabelle verdeutlichen, was das bedeutet: Fallen Aktien, denn steigen Anleihen tendenziell stärker als von Ihrer Umlaufrendite zu erwarten ist (2002). Wenn Aktien hingegen steigen, dann ist der Anstieg von Anleihen tendenziell gering oder sogar negativ (z.B. in 2006).

Entwicklung von Aktien und Anleihen





Das gemischte Portfolio aus Aktien und Anleihen: Während Aktien im Betrachtungszeitraum von 2002 bis 2008 9 % verloren, haben Anleihen allein 39 % und ein gemischtes Portfolio aus Anleihen und Aktien insgesamt 15 % zugelegt.

Fazit: Die zu erwartende Rendite von Aktien ist nicht eindeutig höher als die von Anleihen. Die Mischung von Aktien und Anleihen verringert die Wertschwankungen von Portfolios - wobei die zu erwartende Rendite ungefähr gleich bleibt. Wir empfehlen einen Anleihen-Anteil im Portfolio, der mindestens dem von Aktien entspricht.

Damit ist das Thema Investieren in Renten aber noch lange nicht ausgereizt: Mit Strategien wie "Riding the Yield Curve" holt man bei Renten mehr raus als nur die Umlaufrendite... Ein Thema für kommende Artikel.
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